Ratschef Michel “vergißt” die Reisefreiheit
Die Briten buchen schon ihren Sommerurlaub, die EU-Bürger gucken weiter in die Röhre. Auf Ratschef Michel können sie nicht zählen – er “vergißt” die Reisefreiheit in seiner Einladung zum nächsten Corona-Gipfel.
Wenn sich die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag virtuell treffen, haben sie viel vor. Sie wollen mit Nato-Generalsekretär Stoltenberg über die Aufrüstung der EU reden und ihren gegen Russland gerichteten “strategischen Kompass” vorantreiben.
Zudem sprechen sie mal wieder über Corona. Die Impfung habe höchste Priorität, schreibt Ratschef Michel in seiner Einladung. Die Produktion müsse erhöht werden. Von der Freigabe von Patenten spricht er nicht mehr, das Thema ist wohl durch.
Ebenfalls durchs Raster fällt die Reisefreiheit im Binnenmarkt und im Schengenraum. Michel will “nicht essentielle” Reisen weiter beschränken und lediglich dafür sorgen, dass Waren und Dienstleistungen frei zirkulieren. Menschen spielen keine Rolle.
Restrictive measures on non-essential travel may still be needed to contain the spread of the virus. Nevertheless, the flow of goods and services in the single market, as well as the role played by the green lanes, remain essential.
Michels Einladung zum EU-Gipel
Eine Überraschung ist dies nicht. Die EU ist im Kern eben nur ein Club von Freihändlern. Schon seit Beginn der Coronakrise sorgt sie sich mehr um den Binnenmarkt als um die Grundrechte ihrer Bürger…
Siehe auch “Grenzkontrollen: Der Ton wird rauer”
P.S. Im Binnenmarkt gelten die sog. vier Grundfreiheiten. Gemeint ist laut Art. 26 Abs. 2 des EU-Vertrags ein uneingeschränkter Verkehr von Waren, Personen Dienstleistungen und Kapital zwischen allen Mitgliedstaaten. Waren, Dienstleistungen und Kapital sind gesichert – die Personen fehlen in der Coronakrise!
Kleopatra
25. Februar 2021 @ 08:44
Wenn Michel auch den freien Personenverkehr erwähnt hätte, wäre das eine Spitze gegen den größten Mitgliedstaat gewesen, der ohnehin sattsam demonstriert, dass er bereit ist, seine Macht brutal auszuspielen (vgl. Merkels Andeutungen, dass Deutschland zu Nachbarstaaten, deren Maßnahmen ihren Ansprüchen nicht genügen, die Grenzen schließen würde). Dabei ist aber die Wirtschaft auf Arbeitskräfte ebenso angewiesen wie auf Güter und Dienstleistungen.
Das Gerede von “nicht notwendigen” Reisen ist widerwärtiges autoritär-planwirtschaftliches Denken. Warum jemand wohin reisen will, ist seine Sache und geht den Staat nichts an.
ebo
25. Februar 2021 @ 08:46
Michel ist ein Weichspüler. Ich vermisse Tusk, der konnte noch Klartext sprechen (genau wie Juncker)
Fidas
25. Februar 2021 @ 10:22
Brutalität von einer Seite hat im Allgemeinen eine entsprechende Reaktion zur Folge. Innerhalb einer Gemeinschaft kann das den Beginn eines Bürgerkriegs signalisieren und diese sind bekanntlich schlimmer als Kriege zwischen fremden Staaten.
Die EU-Oberen sollten endlich deren Verantwortung wahrnehmen.