Panik bei der Nato, Alarm auf Zypern – und (k)ein Herz für Radfahrer
Die Watchlist EUropa vom 04. April 2024 – Heute mit zwei Alpträumen für die Atlantische Allianz, einem Hilferuf bei der EU und Wahlkampf auf zwei Rädern.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Nato die Ukraine auf der Siegerstraße sah. Die Alliierten hätten genug Waffen geliefert, um die ukrainische Gegenoffensive zum Erfolg zu führen, erklärte Nato-Generalsekretär Stoltenberg im Mai 2023.
Knapp ein Jahr später macht sich im Brüsseler Nato-Hauptquartier Panik breit. Die Gegenoffensive ist gescheitert, nun fürchten Militärexperten sogar einen russischen Durchbruch durch die ukrainischen Verteidigungslinien. “Ukraine is at great risk of its front lines collapsing”, schreibt “Politico”.
Doch die Nato-Lager sind leer, die USA haben ihre Lieferungen eingestellt. Schlimmer noch: Nicht zuletzt wegen der verfehlten Israel-Politik von US-Präsident Biden wird eine Wiederwahl von D. Trump immer wahrscheinlicher. In der Nato wird deshalb an einem Notfall-Plan gearbeitet..
Angst vor Trump
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Sechs Monate vor der US-Präsidentschaftswahl wollen die Alliierten “Trump-proof” werden und die Waffenhilfe für die Ukraine neu organisieren – an den USA bzw. Trump vorbei. Es gehe um “einen solideren und institutionalisierten Rahmen“ für das langfristige Engagement, sagte Stoltenberg in Brüssel.
Auch beim Geld will Stoltenberg Vorsorge treffen. Nach Angaben von Nato-Diplomaten schlägt er einen Ukraine-Hilfsfonds von bis zu 100 Milliarden Euro für fünf Jahre vor. Es gehe um “frisches Geld” für “viele Jahre”, bestätigte Stoltenberg, ohne Trump beim Namen zu nennen.
Diese alliierte Kriegskasse (von der niemand weiß, wer sie finanzieren soll) könnte nötig werden, wenn Trump der Ukraine endgültig den Geldhahn zudreht. Schon jetzt blockieren die Republikaner im US-Kongress die von US-Präsident Joe Biden versprochenen Milliardenhilfen.
Das nächste Debakel?
Ohne die dringend benötigte US-Hilfe müssten sich die ukrainischen Truppen von der Front zurückziehen und den russischen Besatzern das Feld überlassen, hat Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit der „Washington Post“ gewarnt.
Für die Nato, die sich militärisch mehr denn je in der Ukraine engagiert und Kiew sogar den Beitritt versprochen hat, wäre dies ein Debakel. Nach dem überhasteten Rückzug aus Afghanistan würde die US-geführte Allianz ein weiteres Mal das Gesicht verlieren.
Kein Wunder also, dass sich Panik breit macht. Besser wäre es allerdings, endlich einzugestehen, dass die Hoffnung auf einen ukrainischen “Sieg” eine Illusion war – und sich auf die eigentliche Nato-Mission zu besinnen: Die Verteidigung des Bündnisgebiets. Die Ukraine zählt nicht dazu…
Siehe auch Schweden tritt der Nato bei – doch sicherer wird Europa nicht
News & Updates
- Flüchtlings-Krise auf Zypern. Nach der Ankunft mehrerer hundert Bootsflüchtlinge aus dem Libanon hat Präsident Christodoulides den Notstand ausgerufen. Bereits am Dienstag hatte wegen der zahlreichen Neuankünfte der Nationale Sicherheitsrat getagt. Nikosia will die EU nun auffordern, mit dem Libanon einen ähnlichen Deal zu schließen wie mit Ägypten. Im Februar hatte sich Brüssel mit Kairo auf eine engere Zusammenarbeit sowie Finanzhilfen in Höhe von rund 7,4 Mrd Euro geeinigt. – Mehr zum Ägypten-Deal hier
- EU kritisiert Israel – ein bißchen. Nach dem tödlichen israelischen Angriff auf humanitäre Helfer in Gaza haben die USA ihre Tonart deutlich verschärft. Die EU hingegen bleibt handzahm. EU-Chefdiplomat Borrell erinnerte Israel zwar an das humanitäre Völkerrecht. Es seien schon mehr als 200 humanitäre Helfer getötet worden. Doch Konsequenzen kündigte er keine an. – Mehr im Blog
- AfD rückt von EU-Kandidat Bystron ab. Die AfD-Spitze fordert den Europawahlkandidaten Petr Bystron auf, sich zu Vorwürfen rund um die dubiose Internetseite “Voice of Europe” zu erklären. In einem Schreiben, über das AFP berichtet, verlangten die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla von Bystron eine schriftliche Stellungnahme bis Donnerstag 14.00 Uhr. Bystron soll angeblich Geld für Interviews angenommen haben; er bestreitet dies. – Mehr zu dieser undurchsichtigen Affäre hier und hier
Das Letzte
(K)ein Herz für Radfahrer. Pünktlich zur Europawahl hat die EU ihr Herz für Radfahrer entdeckt. “Wir verpflichten uns, die sichere und kohärente Fahrradinfrastruktur in ganz Europa erheblich auszubauen”, heißt es in einer Erklärung, die von Vertretern der EU-Staaten, der EU-Kommission und des Europaparlaments unterschrieben wurde. Unter anderem soll für mehr Sicherheit ausreichend Platz für Radfahrer geschaffen und durch physische Barrieren Radwege vom weiteren Straßenverkehr getrennt werden. Rechtlich bindend ist das Ganze allerdings nicht. Und die schönen Worte können auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass man jahrzehntelang kein Herz für Radler hatte, aber ein ganz großes für die Autofahrer…
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MarMo
4. April 2024 @ 20:48
Ich bewundere die Geduld, mit der in diesem Blog auf die immergleichen Äußerungen Kleopatras eingegangen wird. Mir erscheint sie gegen Argumente, absolut resistent. Damit ist kein Diskurs möglich. Ich habe deshalb für mich entschieden, mich nicht mehr zu einer Antwort provozieren zu lassen – verschwendete Zeit.
KK
5. April 2024 @ 02:32
Ist wahrscheinlich eh nur ein Transatlantik-BOT 😉
Monika
4. April 2024 @ 12:37
Ukraine-Hilfsfonds … Trumps Geschäftsmodell war schon immer: ER hat das Sagen, die Kosten tragen? Natürlich: DIE ANDEREN ! Wer “is ihm an sich wurscht” wie der Franke sagt. Eine Frage ist, wollen wir die Kosten tragen? Die Diskussion müsste endlich mit einer europäischen Risiko-Nutzenanalyse starten. Und für den größten Zahlmeister der EU Deutschland auch mit der kritischen Nutzenfrage einer weiteren NATO-Mitgliedschaft Deutschlands, anstelle z.B. pragmatischer Neutralität gemeinsam mit Österreich und Schweiz, sowie einem Kreis weiterer evtl. Williger. Will nur niemand drüber reden, könnte zarte Seelen wie Kleopatra verängstigen….
USAmerika und Gesicht verlieren ? … lange Pause … welches Gesicht nochmal? Ist bei Betrachtung der globalen Folgen USamerikanischen Handelns in den vergangenen Jahrzehnten sowieso eher ein A… mit Ohren, da wäre ein Gesichtsverlust eine glatte WIN-Situation.
“ein bisschen Frieden” will Europa halt in Nahost, is doch net zuviel verlangt, odder? Blöd bloß, dass die Staatsräson … auch da müsste man statt der US-Regierung eher dem Forum der Weltgemeinschaft Aufmerksamkeit schenken. Blöde Situation aber Eey, die Augen fest geschlossen und durch, unsere Freunde haben immerhin die weltgrößte Wumme… Noch blöder, dass die im Atomzeitalter in dieser Beziehung grad nix mehr nützt.
Nun das Allerletzte: die Kampfradler, die gerade allerorten gepäppelt werden, sind der größte Feind des Fußgängers … seufz
KK
4. April 2024 @ 13:35
“…auch mit der kritischen Nutzenfrage einer weiteren NATO-Mitgliedschaft Deutschlands, anstelle z.B. pragmatischer Neutralität gemeinsam mit Österreich und Schweiz…”
Ja, da haben Gorbatschow und Schewardnadse bei den 2+4-Verträgen nicht aufgepasst und waren zu blauäugig. Auch, sich auf mündliche Absprachen “keinen Meter weiter nach Osten” hinsichtlich der NAhTOd zu verlassen, war reichlich naiv.
Wäre Deutschland neutral und die NAhTOd per völkrerechtlichem Vertrag gehindert, Russland auf die Pelle zu rücken, sähe EUropa heute wohl anders aus: mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit friedlicher.
Kleopatra
4. April 2024 @ 08:30
Der Zweck der NATO ist die “Sicherheit des nordatlantischen Gebiets” und nicht lediglich die “Verteidigung des Bündnisgebiets”. Aus diesem Grund sieht der Nordatlantikvertrag die Möglichkeit vor, “jeden anderen europäischen Staat, der in der Lage ist, die Grundsätze dieses Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beizutragen, zum Beitritt ein(zu)laden” (Art. 10). Damit ist einerseits das Gebiet der Zuständigkeit der NATO enger gefasst als die Summe der Territorien der Mitgliedstaaten zu einem gegebenen Zeitpunkt (einige ihrer europäischen Mitglieder besitzen außereuropäische Territorien, und bei den amerikanischen Mitgliedern ist der Pazifik nicht einbezogen), andererseits ist die Definition der Ziele so allgemein, dass die Frage, ob die Aufnahme der Ukraine sinnvoll ist, eine komplexe politische Frage ist und keine simple Antwort auf Fragen des Typs “liegt X in Europa?”. Die Frage ist also eigentlich: a) ob die Expansionsgelüste Russlands und seine verbrecherische Art der Kriegführung perspektivisch als Bedrohung für die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets angesehen werden und b) ob man der Ukraine zutraut, einen Beitrag zu dessen Sicherheit zu leisten.
ebo
4. April 2024 @ 08:35
Liegt die Ukraine am Nordatlantik? Gilt für sie Artikel 5 des Nordatlantik-Vertrags? Ist sie noch von überragendem strategischen Interesse für die USA?
Nein, nein, nein…
Kleopatra
4. April 2024 @ 09:22
Zu Ihren 3 „Nein“: 1) Artikel 10 des Nordatlantikvertrages sieht für alle europäischen Staaten die Möglichkeit des Beitritts vor, und dass die Ukraine zu Europa gehört, ist doch wohl eindeutig. 2) Artikel 5 gälte für sie, sobald sie Mitglied wäre. 3) wie gesagt: der Artikel 10 zu entnehmende übergreifende Zweck der NATO ist die Sicherheit des nordatlantischen Gebietes, zu dem nach allgemeiner Auffassung auch alle Ostseeanrainerstaaten und Ostmitteleuropa gehören, nicht bloß ein „überragendes strategisches Interesse der USA“. Die Auffassung, eine Preisgabe der Ukraine an die Machtinteressen Russlands werde eine Gefährdung der „Sicherheit des nordatlantischen Gebiets“ zur Folge haben, ist zumindest nicht von der Hand zu weisen (in der Praxis ist das die Frage, die zu diskutieren wäre).
Karl
4. April 2024 @ 09:44
Beitrittswünsche kann es viele geben, vor allem von Seiten amerikanischer Neocons. Entscheidend sind die Kriterien der Aufnahme: Die Mitglieder nehmen auf, wenn dadurch ihre Sicherheit verbessert werde. Das ist eindeutig nicht der Fall. Der vermeidbare Ukrainekrieg ist der Beweis. Als Deutschland und Frankreich noch halb-souverän entscheiden konnten, haben sie die Aufnahme 2008 abgelehnt.
Weiteres siehe: „Die NATO war ein Fehler“, sagen US-Experten, -Diplomaten, -Wissenschaftler zum 75jährigen Jubiläum, Film von INTERNATIONAL Wien und der ‚Neutrality Studies‘ mit Prof. John Mearsheimer, Botschafter i. R. Jack Matlock u. a. -> https://www.youtube.com/watch?v=piMvVstEGHw
Kleopatra
4. April 2024 @ 10:00
@Karl: nach dem genauen Wortlaut des Vertrages geht es um die “Sicherheit des nordatlantischen Gebiets” und nicht um die konkreter einzelner Staaten. Deutschland und Frankreich haben 2008 den Beitritt der Ukraine auch deshalb abgelehnt, weil sie irrtümlich eine russische Aggression gegen die Ukraine nicht für denkbar hielten. In dieser Hinsicht hat Putin sie inzwischen eines Besseren belehrt; oder hat etwa die Nichtaufnahme der Ukraine im Jahr 2008 den gegenwärtigen Krieg verhindert?
Karl
4. April 2024 @ 16:10
@ Kleopatra: Sie gehen auf meine Argumente gar nicht ein, sondern verbreiten unverändert den seit 2 Jahren ewig gleichen Sermon. Die endlose Feindbildbeschwörung über die angebliche Verruchtheit eines Herrschers und die Engelhaftigkeit des Pipeline-Sprengers – wie billig!
Setzen Sie sich mit dem Beitrag „Die NATO war ein Fehler“ hochrangiger US-amerikanischer Experten der außenpolitischen Realismus-Schule auseinander. Da können Sie was lernen! Ich habe ihn oben verlinkt.
KK
4. April 2024 @ 13:39
Die NAhTOd kritisiert Russland für das gleiche, was sie sich 1999 selbstherrlich gegen Serbien herausgenommen hat.
Seit 1999 ist die NAhTOd eben kein reines Verteidigungsbündnis mehr, sondern eine Interessengemeinschaft, die ihre Ziele notfalls mit militärischer Gewalt durchzusetzen bereit ist! Und trägt damit eher zur Unsicherheit denn zur Sicherheit EUropas bei.