Orban will Selenskyj auf Friedens-Kurs bringen
Wer hätte das gedacht? Als erste Amtshandlung als EU-Ratspräsident ist Ungarns Regierungschef Orban nach Kiew gereist. Dort will er Präsident Selenskyj auf Friedens-Kurs bringen – die Aussichten stehen gar nicht mal so schlecht.
Orban sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten, er habe Selenskyj aufgefordert, “die Möglichkeit einer Waffenruhe schnell in Betracht zu ziehen”. Eine solche Waffenruhe wäre “zeitlich begrenzt und würde es erlauben, die Friedensverhandlungen zu beschleunigen”.
Selenskyj sagte, Orbans Besuch in Kiew zeige die gemeinsamen europäischen Prioritäten, “der Ukraine und ganz Europa einen gerechten Frieden zu bringen”. Zugleich rief der ukrainische Staatschef die EU auf, ihre Hilfen für sein Land beizubehalten. Kiew brauche weiter Waffen gegen den “russischen Terror”.
Das Verhältnis zwischen Orban und Selenskyj ist seit Kriegsbeginn extrem angespannt. In einer Rede nach seiner Wiederwahl 2022 hatte Orban Selenskyj zu seinen “Gegnern” gezählt. Selenskyj wiederum kritisierte Orban wegen seiner mangelnden Unterstützung für die Ukraine immer wieder scharf.
Doch zuletzt hat sich die Tonlage geändert. Schon beim letzten EU-Gipfel in Brüssel haben sich die beiden Streithähne angeregt unterhalten, wie Videos zeigen. Zudem hat Selenskyj begonnen, seinen Diskurs zu ändern. Neuerdings betont er, sein Land könne nicht ewig kämpfen, man brauche Frieden.
Noch in diesem Jahr will Selenskyj einen neuen Friedensplan vorlegen, der von der “Mehrheit der Welt” unterstützt würde. Ob es sich dabei um eine Variante der ukrainischen “Friedensformel” oder um einen neuen Plan handelt, ist unklar. Klar ist nur, das der “Friedensgipfel” in der Schweiz ein Fehlschlag war.
Klar ist auch, dass sich Selenskyj mehr und mehr auf den Abgang von US-Präsident Biden und die Wahl von Trump einstellen muß. Trump und Orban könnten dann gemeinsam auf einen Waffenstillstand dringen – oder zumindest versuchen, Waffenhilfe für die Ukraine an Friedensgespräche zu binden…
Siehe auch “Der doppelte Orban”
P.S. In einem Interview mit der “Weltwoche” (YouTube) kündigt Orban an, die Ergebnisse seiner Gespräche mit Selenskyj in Brüssel vorzulegen. Er habe sich mit Berlin Paris und Rom abgestimmt, fügt er hinzu. Das könnte interessant werden…
Arthur Dent
3. Juli 2024 @ 16:25
Von irgendwelchen militärischen Erfolgen oder Offensiven der Ukraine gehört in letzter Zeit? Lieferungen von F-16, Mirage? Schon das 1. Sanktionspaket sollt Russland ruinieren, mittlerweile ist schon das 14. auf dem Weg – Russlands Wohlstand steigt, Deutschlands sinkt (siehe Berliner Zeitung). Ein russisches Atom-U-boot „besucht“ Kuba, Putin war in Nordkorea und in Vietnam. Russland könnte die Huthis mit Schiffsdrohnen ausrüsten…
Kleopatra
3. Juli 2024 @ 09:44
Korrekterweise müssten Sie schreiben: “Orbán fordert Zelens’kyj zur Kapitulation auf”. Einen Kriegskurs (im Gegensatz zu einem Friedenskurs) sehe ich hier nur auf der russischen Seite. Aber klar, warum hat sich die Frau auch gewehrt, da konnte der arme Putin ja einfach nicht anders, als sie zu vergewaltigen und umzubringen…
Aber mal ganz im Ernst: selbst wenn Russland in einem Diktatfrieden (und um nichts anderes handelt es sich in den von Ihnen anscheinend favorisierten Lösungsvorschlägen) die Unterschrift eines ukrainischen Präsidenten unter der Abtretung der Ostukraine an Russland erzwingen sollte, wie könnte sich die EU danach zu Russland stellen? Die seitens der EU stets hartnäckig vertretene Linie ist die, dass mit Gewalt erzwungene Gebietsveränderungen nicht Anerkannt werden können und dürfen. Folglich könnten in der EU durch die Besatzungsmacht Russland veränderte Eigentumsverhältnisse nicht anerkannt werden, was etwa zur Folge hätte, dass niemand, der in den eroberten Gebieten auch nur eine Gartenhütte kauft, rechtssicher in der EU Handel treiben oder sich aufhalten können wird.
exKK
3. Juli 2024 @ 12:11
Nein, müsste er nicht. Sie phantasieren wieder mal wirres Zeug, indem Sie russische Sicherheitsinteressen in NAhTOd- und EU-Manier völlig negieren.
Die NAhTOd hat mit dem Kosovo ja selbst die Blaupause geliefert, dass sehr wohl Gebietsveränderungen in EUropa mit Gewalt erzwungen werden können. Und viele Staaten der EU haben diese ja inzwischen auch anerkannt.
Kleopatra
3. Juli 2024 @ 12:59
Wenn Russland die Ukraine 2014 nicht angegriffen hätte, hätte diese sich nicht veranlasst gesehen, in Zusammenarbeit mit der NATO aufzurüsten und ihre Armee zu verstärken. 2014 konnte die ukrainische Armee keine Bedrohung Russlands darstellen; lediglich das Volk wollte keine russische Marionettenregierung. Auch die EU-Assoziierung war keine Bedrohung Russlands an sich.
Und das Kosovo existierte als Territorium ethnischer Albaner innerhalb Serbiens bereits lange vor dem NATO-Eingriff von 1999.
exKK
3. Juli 2024 @ 14:05
@ Kleopatra:
Ja, so wie in Ihren Beiträgen geht Geschichtsklitterung!
1. Der Westen hat 2013/14massgeblich dazu beigetragen, den demokratisch gewählten Präsidenten der Ukraine zu stürzen, weil ihm und den rechten Westukrainern dessen Politik nicht gepasst hatte. Und eben nicht jede Kröte schlucken wollte, nur um in die EU zu kommen.
2. Seitdem tobt im Osten der Ukraine ein Bürgerkrieg, und wer daran ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein! Wie wir inzwischen von den daran beteiligten Merkel und Hollande wissen dienten die beiden MINSK-Abkommen nicht der Befriedung, sondern lediglich als Hinhaltetaktik, um die Ukraine für den wohl damals schon vom Westen gewollten oder zumindest billigend in Kauf genommenen Krieg aufzurüsten.
3. Spätestens seit 2008 ist die NAhTOd massiv in der Ukraine präsent, und die Bedrohung Russlands geht auch nicht primär von der ukrainischen Armee aus, sondern den Raketenstellungen und anderen Waffen der NAhTOd auf ukrainischem Gebiet nah an Russlands Grenzen. Wenn Russland ähnliches auf Kuba machen würde, wäre aber was gebacken – haben wir ja schonmal erleben müssen, dass es die USA anders sieht, wenn an ihren Grenzen Raketen stationiert werden – damals hatten die USA vorher in der TR nah an den Grenzen zur UdsSR zuerst Raketen aufgestellt und das Gleichgewicht so gestört. 1962 waren auf beiden Seiten aber besonnene Akteure, die eine Konfrontation vermeiden wollten – leider hatte Russland 2014 und 2022 keine Raketen auf Kuba, dann hätten die USA wohl eingelenkt bei den wiederholten Gesprächsangeboten Russlands, und der Krieg hätte – besonnene Akteure diesmal auch auf westlicher Seite vorausgesetzt – vermieden werden können.
ebo
3. Juli 2024 @ 15:33
Die “Süddeutsche” sieht es genau wie Sie – kommt dann aber zu einem überraschenden Schluß:
In Kiew hat der ungarische Ministerpräsident praktisch die Kapitulation gefordert. Damit liegt er, klar, nicht auf EU-Linie. Wäre aber nicht das erste Mal, dass die Linie ihm bald folgt.
https://www.sueddeutsche.de/meinung/kommentar-orban-kiew-kapitulation-eu-lux.YDGXx72Vbmkcwct8ZGHVDk
Kleopatra
3. Juli 2024 @ 16:02
Wenn die EU Orbáns Kapitulationsaufforderung folgt, ist sie innerhalb weniger Monate am Ende.
ebo
3. Juli 2024 @ 16:51
Seit wann ist ein Waffenstillstand eine Kapitulation? Die kommt wohl eher, wenn Selenskyj die Soldaten ausgehen – und dieser kritische Moment rückt immer näher. Wollen Sie dann europäische oder Nato-Soldaten schicken?
european
3. Juli 2024 @ 16:45
@ebo
Roger Koeppel hat heute morgen in der Weltwoche Daily darueber berichtet. Er war in Kiew und hat das Team von Orban mit begleitet. Da klang das etwas anders. Es klang nicht nach Aufforderung zur Kapitulation, sondern zum Realismus, weil Selenskyj nach wie vor auf seinen Maximalforderungen besteht, die sich aber nur mit unbegrenzter Foerderung durch den Westen und nur auf weiteren Leichenbergen halten lassen. Von Durchsetzen kann nicht mal die Rede sein. Dieser Krieg ist nicht gewinnbar und man sollte auf Schadensbegrenzung setzen.
Wenn ich Roger Koeppel richtig verstanden habe, war das Gespraech eher ein Versuch, Realitaetssinn in die Debatte zu bringen. Nicht zuletzt auch mit Hinblick auf das Biden-Debakel und die Aussicht, dass Trump als naechster Praesident die Foerderung der Ukraine und damit den Krieg sofoert im Sinne der USA beenden wird.
https://youtu.be/QprH2z3NCqI?feature=shared
ebo
3. Juli 2024 @ 16:49
Genau, das Video habe ich auch verlinkt (im P.S.)
k
3. Juli 2024 @ 18:43
@ebo: Ein Waffenstillstand zu Putins Bedingungen ist eine Kapitulation. Und die Vorstellung, dass er ein Partner sei bei dem man sich darauf verlassen kann, dass eine Waffenruhe nicht zur „Verbesserung“ der russischen Position missbraucht wird, ist naiv.
exKK
3. Juli 2024 @ 19:01
@ Kleopatra:
“Wenn die EU Orbáns Kapitulationsaufforderung folgt, ist sie innerhalb weniger Monate am Ende.”
Das fände ich inzwischen wirklich wünschenswert!
Abwickeln und nochmal von vorn anfangen, diesmal dann aber richtig.
Ich fürchte aber, Sie liegen mit Ihrer Prognose mal wieder daneben…
Ulla
3. Juli 2024 @ 17:28
Ich finde es immer wieder sonderbar wie Sie argumentieren:
„Folglich könnten in der EU durch die Besatzungsmacht Russland veränderte Eigentumsverhältnisse nicht anerkannt werden, was etwa zur Folge hätte, dass niemand, der in den eroberten Gebieten auch nur eine Gartenhütte kauft, rechtssicher in der EU Handel treiben oder sich aufhalten können wird. „
Ich hole jetzt etwas aus, Marokko hat die Westsahara annektiert genauer 1976/1979 und …..
bis heute ist viel Gras ueber die Annexion gewachsen, Marokko wird von der EU als Partner anerkannt, Handels- und Fischereivertraege kroenen das freundschaftliche Verhaeltnis, obwohl die EU weiss, dass vor der Kueste der Westsahara gefischt und im Land Gemuese angebaut wird und…. immer mehr Haendler und Unternehmer aus Marokko sich in der Westsahara niederlassen, wie hat die EU das hingekriegt, das mit der Rechtssicherheit?
ebo
3. Juli 2024 @ 17:38
Man muß gar nicht so weit ausholen – ein Blick auf Israel und die besetzen Gebiete im Westjordanland reicht. Die EU hat damit offenbar kein Problem, ebensowenig wie mit den Kriegsverbrechen in Gaza. Sanktionen? Fehlanzeige! Rechtssicherheit? Egal.
Kleopatra
3. Juli 2024 @ 19:33
Ich empfehle zur erbaulichen Lektüre das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-420/07 (Orams / Apostolides), ECLI:EU:C:2009:271, in der einem zypriotischen Kläger der Anspruch auf Vollstreckung eines Urteils, das ein Grundstück in Nordzypern betraf, in das in Großbritannien belegene Vermögen der Beklagten zugesprochen wurde (es handelte sich um ein britisches Ehepaar, das ein Grundstück von dem nordzyprischen Regime erworben und darauf ein Haus gebaut hatte). Spätestens nach der im Grundsatz feststehenden Aufnahme der Ukraine in die EU wird auf Grundbesitz in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine dasselbe Recht angewandt werden können.
Michael
2. Juli 2024 @ 20:35
Orban – auch weil und obwohl ich ein Gegner bin – hat im Gegensatz zu den unbedarften Politikern des sog. Westens, der NATO und der EU begriffen a. dass die Ukraine gegen Russland nicht nur nicht gewinnen sondern nur verlieren kann; b. dass es garnicht um das Bauernopfer Ukraine geht sondern den Antagonismus Russland- USA, und dass Russland in der multipolaren Welt aufsteigt, während die USA als Hegemon absteigen und schon jetzt einen verzweifelten aber historisch aussichtslosen Überlebenskampf führt. Da können Brückenköpfe a la Orban oder auch Erdogan, Xi, etc. nur gewinnen, auch weil sie Geschichtsbewußtsein haben und die Dialektik der kritischen Vernunft beherrschen. Putin und Trump, sollte letzterer die Wahl gewinnen, werden es zu schätzen wissen.
Darüberhinaus ist es nicht etwa so dass der Komiker Selenskyj plötzliche Eingebungen hatte oder Kreide gefressen hätte: nein, ihm erwächst in der Ukraine selbst stark zunehmende Kritik, Opposition und Widerstand ! Und er weiß, dass man in der Ukraine nicht unbedingt überlebt wenn man Feinde hat!
exKK
3. Juli 2024 @ 14:12
Im Prinzip hat ja der Supreme Court letzte Woche mit einem Urteil eine Art Ermächtigungsgesetz für jedwedes autokratisch-kriminelle Regieren eines künftigen US-Präsidenten geschaffen, indem es ihn von jeglicher Strafverfolgung bei Amtshandlungen freistellt.
Die USA (und die Welt) können sich auf was gefasst machen, die erste Amtszeit Trumps war nur ein hors d’oeuvre…
exKK
2. Juli 2024 @ 17:56
Ja, Machthaber Selenskyj hatte beim Gipfel in Brüssel schon erste zaghafte Töne hören lassen – aber so lange er an einem „gerechten“ Frieden nach seinen bisherigen Vorstellungen festhält, heisst das auch Maximalforderungen der Ukraine – und wäre nur eine weitere Worthülse. Nein, die Ukraine kann tatsächlich nicht ewig kämpfen, das ist aber keine neue Erkenntnis, sondern war schon vom ersten Kriegstag an ein unumstösslicher Fakt.