Neues vom Wirtschaftskrieg (81): Deutsche Handelsbilanz im freien Fall
Der Wirtschaftskrieg gegen Russland zieht immer weitere Kreise. Besonders betroffen ist Deutschland: Die Gaskrise weitet sich zu einer schweren Wirtschaftkrise aus – mit dem ersten Handelsbilanzdefizit seit 1991.
- Ein möglicher Lieferstopp für russisches Gas macht Anleger nervös. Der europäische Erdgas-Future steigt um 5,4 Prozent und notiert mit 155 Euro je Megawattstunde so hoch wie zuletzt vor drei Monaten.
- Der drohende Ausfall gasbetriebener Elektrizitätswerke treibt den Strompreis in Deutschland von einem Hoch zum nächsten. Der Kontrakt zur Lieferung von einer Megawattstunde im Jahr 2023 steigt um 8,7 Prozent auf ein Rekordhoch von 319 Euro.
- Die deutsche Wirtschaft hat zum ersten Mal seit 1991 ein Handelsbilanzdefizit, der Überschuß ist im freien Fall : Germany’s trade surplus is gone. Foreign trade balance came in at MINUS €1bn in May, which is the 1st negative print since 1991 due to its energy problems & weakness in manufacturing.
Good Morning from #Germany, which is falling as an economic powerhouse on a global scale. Germany’s trade surplus is gone. Foreign trade balance came in at MINUS €1bn in May, which is the 1st negative print since 1991 due to its energy problems & weakness in manufacturing. pic.twitter.com/HnRBwNaQon
— Holger Zschaepitz (@Schuldensuehner) July 4, 2022
Mehr zur Gaskrise hier, mehr zum Wirtschaftskrieg hier
Holly01
5. Juli 2022 @ 10:06
Andere Perspektive, der selbe Inhalt: Warum wir im Eimer sind:
” https://www.heise.de/tp/features/Warum-die-Inflation-ein-gefaehrliches-politisches-Machtspiel-offenbart-7161748.html ”
Hr. Yanis Varoufakis werden einige noch aus dem Griechenland Drama kennen, damals als hipper Finanzminister.
Er ist ein Kind des Neoneoliberalismus, trotz aller Bekundungen er sei “links”, er ist also bestenfalls ein ungezogenes Kind des Neoneoliberalismus.
Der Text ist aber wirklich gut.
Natürlich kann Hr. Varoufakis mit seiner Prägung keine Ausgänge erkennen.
Dazu müsste er fähig sein “out of the box” zu denken.
european
5. Juli 2022 @ 14:46
Varoufakis wurde sehr zu Unrecht von den deutschen Medien und der Politik verschrieen. Das kommt davon, wenn man den Böhmermanns der Republik die Meinungshoheit überlässt. Intelligent war das nicht.
Und hipp? Naja. Was ist so schlimm daran, wenn ein Ökonomie Professor Motorrad fährt?
Er hat auch vor kurzem einen zumindest sehr nachdenkenswerten Vorschlag zur Neuordnung des Leitzinsmodells geschrieben.
Sehr lesenswert auch sein Buch “Die ganze Geschichte”
Aber der Artikel auf Telepolis ist wirklich sehr gut.
european
4. Juli 2022 @ 14:06
Erschreckend ist weniger der Rückgang des Ueberschusses. Das muss sowieso geschehen.
Es ist die offensichtliche Planlosigkeit, die wirklich entsetzt.
Holly01
4. Juli 2022 @ 16:44
Sie sehen die EU Dimension nicht.
Der deutsche Handelsüberschuss war nie gut oder gesund, aber die EU hatte so eine halbwegs ausgeglichene Außenhandelsbilanz.
Ohne den deutschen Überschuss macht die EU Minus, muss also die Importe mit Krediten finanzieren, welche nun aus dem Ausland kommen MÜSSEN.
Die lachenden Gewinner sind die Kreditgeber in Dollar.
DAS war ja der entscheidende Punkt bei dieser ganzen verschrobenen Austerität.
Die EU sollte zumindest im Ganzen einen Überschuss erzielen. Dieser Überschuss sollte sich in 3 Punkten zeigen: Überschuss nach Kredit-/Zinszahlungen, Überschuss in der Handelsbilanz, Überschuss nach Refinanzierung (also es sollten mehr Binnenkredite neu abgeschlossen werden, als externe, um Binnenverschuldung zu bekommen und Abhängigkeiten zu reduzieren).
Nun sind alle drei geplatzt. DAS führt auch aufgrund der ausgebliebenen politischen Korrekturen zu Divergenzen im Euro, die man früher oder später als Währungskrise bezeichnen wird.
Die Austerität nach Innen war schon eine Sauerei. Aber die wieder steigende Abhängigkeit von Außen wird richtig fies.
Die Russen haben die Sanktionen nur überlebt, weil die dieses Problem mit Außen nicht haben. Die USA können jetzt wieder ihre Droh- und Sanktionspolitik starten, die sie unter Trump ja bereits eiskalt eingesetzt haben.
Ja. Das sind die Folgen wenn man Energie TEUER einkaufen muss, weil man sie ja nicht BILLIG haben will.
Kauft mal ruhig das Fracking Gas, das wird toll.
Noch besser zerstört die EU Staaten und frackt selbst, das ist noch toller.
Die EZB muss Zinsen anheben.
Die EZB muss aufhören die Staatsanleihen zu kaufen.
Idioten.
Holly01
4. Juli 2022 @ 18:35
Wenn Sie es marzialisch oder pathetisch mögen:
2006-8 war ein Angriff des Dollarraums auf den Euroraum.
Der Angriff wurde abgewehrt.
Dieses Mal steht der Euroraum komplett offen und angreifbar da.
Aber ich bin mir sicher, die USA werden diese Schwäche nicht ausnutzen.
So etwas tun die ja nicht.
Leider sind die USA nicht mehr maßgeblich, zumindest nicht alleine.
Jetzt kommt für die EU Dank dieser bescheuerten Politik alles auf einmal.
Von gesellschaftlicher über energetischer bis zu Gesundheitskrise (ist ja angekündigt).
Das wird die Mutter aller Rezessionen. So etwas hat die Welt noch nicht einmal im Ansatz erlebt.
Aus der Fallhöhe ist das noch nie gemacht worden.
european
4. Juli 2022 @ 19:39
@Holly01 Die EU und auch die Eurozone hatten auch mit schöner Regelmäßigkeit Überschüsse gegenüber Nicht-EU-Ländern. Nicht in dem Maß wie Deutschland gegenüber anderen Ländern insbesondere in der Eurozone. Und gerade in der Eurozone spielte sich Deutschland in und nach der Finanzkrise als überheblicher Schulmeister ohne Sachverstand auf.
Ich sehe die EU Dimension sehr wohl. Die ist mir persönlich, schon aus familiären Gründen, deutlich näher als die weltweite Sicht.
Die weltweite Sicht lässt sich auf einen Satz reduzieren: Die Welt ist eine geschlossene Volkswirtschaft.
Holly01
5. Juli 2022 @ 07:28
@ european:
Um das mit etwas Qualifikation und Substanz zu füllen, habe ich eine Quelle gesucht und gefunden, die wir beide schätzen:
” https://www.relevante-oekonomik.com/2022/07/04/der-geldmengenwahn-und-die-realitaet/ ”
Abb.5 und Begleittext zeigen das dieser Effekt EWU weit statt gefunden hat. Das überrascht auch nicht.
Ich habe hier geschrieben wir kacken uns den Kopf ab.
Nun wirtschaftlich haben wir das nun getan.
Der Euroraum muss jeden Monat einen Wert von 100 Mrd. Dollar bis 300 Mrd. Dollar als Kredit aufnehmen, um seine Waren aus dem Ausland bezahlen zu können.
Da die waren aus dem Ausland kommen, MUSS das Geld auch aus dem Ausland kommen.
Wir verschulden uns massiv in Fremdwährung, während wir mitten in einem Wirtschaftskrieg stecken.
Das haben viele kluge Leute vorher gesagt, ich habe das hier geechot, die deutsche Politik ist zu dumm das zu verstehen (oder Ideologisch zu verblendet) und reagiert nicht.
Wenn es der Plan war die EU wirtschaftlich komplett zu zerstören, dann ist der nun aufgegangen.
Migranten die in den Arbeitsmarkt aufgenommen werden, Migranten die in das Krankensystem aufgenommen werden, wirtschaftliche Schockwellen aus Covid-19, ein Sanktionskrieg der nicht nach Außen aber nach Innen verheerende Folgen hat, eine extrem überdehnte Weltwährung und das gleichzeitige Abkoppeln von Russland und China wird uns wirtschaftlich den Hals brechen und Billionen kosten.
Ja. Ich meine Billionen mit 12 Nullen.
Niemand, absolut niemand wird in der EU investieren und die die hier sind werden gehen, denn die EU ist ein Friedhof der alles in diesem Sog zerstören wird, was mit Arbeit produziert oder Vertrieb macht.
Rüstung? Am Arsch, wir werden rüsten wie Nordkorea, Waffen schick Menschen am verhungern.
european
5. Juli 2022 @ 10:28
@Holly01
Flassbeck ist immer eine gute Addresse, um qualifizierte Informationen zu bekommen. Dort findet man die Substanz, die woanders fehlt. 😉
Dass sich die jahrelange Ueberschusspolitik nun umkehrt, war abzusehen. Im Grunde nicht verkehrt, weil wir auf ausgeglichene Leistungsbilanzen hinarbeiten muessen. Allerdings haette das auf Einsicht und Grundverstaendnis ueber die internationalen Zusammenhaenge gebaut sein muessen und nicht auf diesem Desaster. Die aktuellen Umstaende sind eine andere Geschichte. Das war vollstaendig selbst verursacht und absehbar.
Eine moegliche Auswirkung ist SALE fuer chinesische “Investoren”, die die europaeischen Pleiteunternehmen zum Schrottpreis werden aufkaufen koennen. Also das, was wir den Suedlaendern nach der Finanzkrise aufgezwungen haben. Petra Reski schreibt sehr schoen darueber in ihrem Blog, wie es sich auf Venedig auswirkt, dass ein chinesisches Geschaeft nach dem anderen mit Billigschund dort eroeffnet mitsamt der kulturellen Veraenderung im Stadtbild die damit einhergeht.
Zum Rest Ihres postings halte ich mich lieber zurueck. Teilweise stimmt es, was Sie sagen, teilweise nicht. Aber wenn das wieder in eine der monetaeren Debatten ausartet, gibt es Haue von Ebo 🙂