Neuer polnischer EU-Vorsitz feiert ukrainisches Eigentor
Die Ukraine hat den für alle Seiten lukrativen russischen Gastransit nach EUropa beendet. Der neue polnische EU-Vorsitz feiert das – warum nur?
Das Ende des Transfers sei „ein weiterer Sieg“ über Russland nach dem Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands, behauptet der polnische Außenminister Sikorski.
Zur Begründung verweist der Hardliner, der schon die Zerstörung der Nordstream Gaspipelines gefeiert hatte, auf Russlands (angebliche) Versuche, Gas als Waffe einzusetzen.
Allerdings hat es solche Versuche in letzter Zeit gar nicht gegeben. Im Gegenteil: Russland hat weiter günstiges Gas geliefert, die Ukraine hat von dem Transit profitiert.
Damit ist es nun vorbei. Ab sofort bekommt die Ukraine nicht nur kein günstiges Gas mehr aus Russland – auch die bisher hoch geschätzten Transitgebühren entfallen.
Für beides soll die EU einspringen. Die europäischen Steuerzahler dürften für den energiepolitischen Schaden aufkommen.
Dabei wird die Energieversorgung in Moldau akut gefährdet, auch Ungarn und die Slowakei könnten Probleme bekommen.
Außerdem steigt der Gaspreis, die Abhängigkeit von Frackinggas aus den USA wächst. Für EUropa ist das ein energiepolitisches Eigentor.
Wieso sich Polen darüber freut, ist mir ein Rätsel. Es hat mehr mit Russenhass und Revanchismus als mit einer rationalen Energiepolitik zu tun.
Für den polnischen EU-Vorsitz, der am 1. Januar begonnen hat, lässt das nichts Gutes ahnen. Polen verspricht mehr Sicherheit – und trägt schon am ersten Tag zu Unsicherheit bei…
Siehe auch „Showdown zum Jahreswechsel: Droht eine neue Gaskrise?“ und “Hauptsache gegen Russland: Wofür die EU alles Geld gibt”
P. S. Die EU-Kommission erklärte, sie habe sich seit einem Jahr “gezielt” auf den Lieferstopp vorbereitet. Von der Leyen deckt also das Vorgehen der Ukraine, das Präsident Selenskyj als “eine der größten Niederlagen Moskaus” preist. In Wahrheit ist es eine Niederlage für EUropa – das günstige Gas geht künftig nach Asien…
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Monika
2. Januar 2025 @ 21:42
„USA haben die Geltungssucht des europäischen Führungspersonals ausgenutzt“ …?…
Das hat mit Geltungssucht wenig zu tun. Eher mit gezielter Unterwanderung der Führungskader von langer Hand und der Dominierung der „Auswahlverfahren“. Weltweit werden Führungseliten gezielt mit „Zauberlehrlingen“ infiltriert, umfangreicher als es sich je ein Autor von Agententhrillern ausdenken könnte. Solange eine „Ausbildung“ ein „Studium“ ein „Stipendium“ in den USA sozusagen „zum unverzichtbaren, guten westlichen Ton“ in Bewerbungen bei Führungspersonal in Politk und Wirtschaft gehört, ist das auch kein Umstand zum „Wundern“.
Eher sollte es Anlass zu einer Rückbesinnung auf Grundlagen europäischer oder nationaler Souveränität sein.
Kleopatra
2. Januar 2025 @ 12:06
Wirtschaftliche Verflechtung kann Frieden wahrscheinlicher machen, indem sie einen kriegerischen Angriff für den Angreifer unvorteilhaft macht. Insofern hatte die Konstellation, dass fast alles russische Gas durch die Ukraine geleitet werden musste, ihre Vorteile und hielt die Russen einige ahre von einer Aggression gegen die Ukraine ab. Tatsächlich haben die Russen ja die Ukraine erst militärisch angegriffen, nachdem eine alternative Erdgasroute fertig war (im Jahr 2014 war das Nord Stream 1, im Jahr 2022 Nord Stream 2). Das die Ukraine bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit russische Gas durchgeleitet hat, ist eigentlich mehr als man erwarten kann. Sie hätte die Lieferungen ihres Kriegsgegners gleich stoppen können (schon allein mit der Begründung, dass sie für die Sicherheit nicht garantieren kann, solange Russland bombardiert).
Wenn Russland gerne Erdgas durch die Ukraine nach Westeuropa liefern will, braucht es sich nur an einige von ihm selbst anerkannte/unterschriebene/ratifizierte Vereinbarungen zu halten. Angefangen mit der UNO-Satzung, über die Übereinkommen zur Auflösung der Sowjetunion von 1991, das Budapester Memorandum … und schließlich das humanitäre Kriegsvölkerrecht nicht zu vergessen. Dafür müssten sie freilich ua. ihre Truppen über die international anerkannte Grenze zurückziehen, die Kertsch-Brücke abreißen, alle entführten Kinder herausgeben und am besten ihren Staatschef nach Den Haag ausliefern.
Die Vorstellung, Russland könne ad infinitum die Ukraine einerseits militärisch angreifen und andererseits ihre Dienste für den Gastransit in Anspruch nehmen, ist im Grund absurd.
Arthur Dent
2. Januar 2025 @ 13:33
Bis jetzt hat die Ukraine erst einmal beschlossen, kein russisches Gas mehr an EU-Länder weiter!zuleiten.
KK
2. Januar 2025 @ 13:38
“Das die Ukraine bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit russische Gas durchgeleitet hat, ist eigentlich mehr als man erwarten kann.”
Das Geld hat die Ukraine allerdings gern genommen. Und Gas für sich selbst auch. Und in der Vergangenheit sogar, ohne für das eigene zahlen zu wollen, was dann für EUropa ewine unsichere Versorgung nach sich zog – weswegen die Notwendigkeit alternativer Routen umso dringlicher wurde. Russland war nie das Problem. Unsicherer Kantonist war hier in erster Linie die Ukraine. Früher, und jetzt eben wieder.
Russland wird sein günstiges Gas künftig eben an jene liefern, die es haben wollen. Und an Ungarn und Serbien dann künftig halt über die TR, die sich über die zusätzlichen Transitgebühren freuen wird.
Guido B.
2. Januar 2025 @ 13:57
Dieser Krieg ist nur für eine Partei vorteilhaft. Diese Partei ist weder Russland noch die Ukraine noch die EU. Der Krieg wäre schon lange vorbei bzw. er hätte 2014 erst gar nicht begonnen, wenn diese Partei kein vitales Interesse an ihm hätte. Dieser Krieg nützt einzig und allein dem Geschäftsmodell der USA. Allen anderen Parteien hat er bisher nur geschadet.
Russland ist offensichtlich zum Schluss gekommen, dass sein Schaden infolge der Invasion am Ende kleiner sein wird als der potenzielle Schaden, den die Ukraine als NATO-Mitglied anrichten könnte. Zu dieser Beurteilung hat in erster Linie das Verhalten der NATO seit 2008 beigetragen.
Wer dieses Verhalten ausblendet, macht sich zum Megafon der NATO-Propaganda.
ebo
2. Januar 2025 @ 13:58
Haben Sie nicht bisher immer argumentiert, die Ukraine sei auf die Durchleitungsgebühren auf das Gazprom-Gas angewiesen, und deshalb sei Nordstream unfair?
Egal – jetzt gibt es keinen Transit mehr, und damit auch keine Transitgebühren. Die Zeche darf die EU zahlen – und die ukrainische Industrie.
Hier eine Meldung von Reuters:
Ukraine quadruples domestic gas transport fees to offset impact of Russian deal expiry
– Ukraine still earns up to $1 billion annually in Russian transit fees
– Domestic increase will not fully cover lost revenue
– Employers’ association says Ukrainian industry will suffer from fee increase
Kleopatra
2. Januar 2025 @ 19:44
@ebo: Nein, ich habe immer dahingehend argumentiert, dass die Ukraine vor einem russischen Angriffskrieg eher sicher ist, wenn Russland auf den Gastransit durch die Ukraine angewiesen ist (das Argument wird zB on Andreas Umland vertreten) und dass deshalb NS1 und -2 die Kriegsgefahr erhöhen.
Guido B.
2. Januar 2025 @ 10:36
Die besser situierten europäischen Bürger werden für die unipolare Weltordnung made in USA mehrfach zur Kasse gebeten:
1. Sie leisten Transferzahlungen an strukturschwächere EUNATO-Mitglieder.
2. Sie finanzieren den Staatshaushalt eines Nicht-EU-Landes.
3. Sie finanzieren den endlosen Krieg eines Nicht-EU/NATO-Landes, das nicht neutral sein will und kein anderes Ergebnis akzeptiert als den Sieg über eine hochgerüstete Atommacht.
4. Sie finanzieren den Lebensunterhalt von Millionen von Immigranten aus Nicht-EU-Ländern.
5. Sie finanzieren die Monopolprofite amerikansicher Energie- und Rüstungslieferanten.
6. Sie finanzieren die sozialen Kosten, die durch die Abwanderung der heimischen Industrie nach Übersee entstehen, die dazu gezwungen werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Fazit: Mit der EU/NATO-Osterweiterung hat sich das wohlhabende Europa eine selbstzerstörerische Konfrontation mit Russland und China eingehandelt. Die USA haben die Geltungssucht des europäischen Führungspersonals ausgenutzt, um sich selbst maximal auf Kosten der Europäer zu bereichern. Mit der Ukraine soll eine weitere toxische Nation ins Bündnis aufgenommen werden, um die unheilvolle Konfrontation zu verewigen und deren Kapitalisierung zu maximieren.
Man kann den USA nicht vorwerfen, dass sie eigennützig handeln. Aber warum um Himmels willen handeln die europäischen Eliten zur zum Nutzen der USA? Man kann es Loyalität nennen. Die Amerikaner würden ein solches Verhalten anders nennen: Hochverrat an den eigenen Bürgern.
KK
2. Januar 2025 @ 13:30
“Fazit: Mit der EU/NATO-Osterweiterung hat sich das wohlhabende Europa eine selbstzerstörerische Konfrontation mit Russland und China eingehandelt.”
Nicht nur mit Russland und China – auch mit den USA, die EUropa inzwischen zu ihrem eigenen Vorteil gängeln und ausbeuten wie niemals zuvor.
Und deren willfährigster Vasall innerhalb der EU inzwischen Polen ist. Neben unserer Brüsseler Majestät von der Leyen natürlich.
Arthur Dent
2. Januar 2025 @ 08:31
Tja, man braucht schon einen erstklassigen Leumund um Gas nach Europa liefern zu dürfen – siehe Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz!
Katar ist auch schon so gut wie raus.
„Degrowth“, „Transformation“ – juchzt und freuet euch, Europa wird das Land der Bauern und Gärtner.
KK
2. Januar 2025 @ 13:32
Wir EUropäer werden demnächst nur noch Hülsenfrüchte essen müssen, um dann mit vereinten Kräften Biogas zu produzieren 😉
Arthur Dent
2. Januar 2025 @ 14:59
@ KK
Well, I’ll do my very best 🙂
Guido B.
2. Januar 2025 @ 08:09
Polen und die Ukraine vertreten in Europa primär die Interessen der USA. Sie bekommen dafür viel Geld von den Stuerzahlern der EU und der USA. Es ist im Interesse der USA, russische Gaslieferungen durch amerikanische zu ersetzen.
Kritische Beobachter fragen sich indessen, was es mit der Souveränität Polens und der Ukraine auf sich hat, wenn sich diese Staaten vom Ausland für die Dienste eines Drittstaates kaufen lassen.
Man muss sich auch fragen, was diese geopolitische Prostitution mit freier Marktwirtschaft zu tun hat, wenn am Ende die Verbaucher für die erzwungenen Monopolpreise aufkommen müssen.
Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Interessen der USA und der europäischen Staaten sind nicht dieselben. Wer das Gegenteil behauptet, schadet Europa.
Uli H.
2. Januar 2025 @ 10:44
“Die Interessen der USA und der europäischen Staaten sind nicht dieselben”. Ja klar, solange unvorstellbare Gewinne aus fossilen Brennstoffen fließen, benutzen und erpressen einige wenige Oligarchen ganze Länder und Regierungen, autokratisch oder demokratisch, egal. Aber 8 Milliarden Junkys auf dem Planeten brauchen einfach den Stoff der Wohlstand verspricht. Krieg, Tod und Leid sind da offenbar unvermeidlich. Wir, jeder Einzelne kann aber seinen Beitrag leisten um das abzumildern.
Realist
3. Januar 2025 @ 09:36
Polen ist schon seit Jahren fest an der Seite der USA. Polen selbst macht sich energiepolitisch unabhängig. Kernkraftwerke, Solar-und Windkraft, LNG-Terminals und Erdgas aus Norwegen. Genau einen Tag nach der Sprengung von NS2 ging die eigene Leitung Baltic-Pipe in Betrieb. Erklärtes Ziel ist auch als Wiederverkäufer Mitteleuropa zu versorgen. Die verhasste NS2 Leitung als lästiger Konkurrent wurde beseitigt. DE ist der Dumme, der das alles über die EU mitfinanziert. DE muss nochmals besiegt werden und willfährige Politiker machen da mit.
Empfehlenswerter Beitrag aus F.A.Z.:
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/neue-gaspipeline-zwischen-daenemark-und-polen-eroeffnet-18346857.html?GEPC=s9
Michael
2. Januar 2025 @ 08:09
In Polen, rund um Tusk und Sikorsky einschl. Applebaum, geht es nicht um Energiepolitik sondern um ideologische Machtphantasien: Tusk mit Trump gegen den Rest!
Titi
2. Januar 2025 @ 09:43
Die Ehe zwischen Außenminister Sikorski und Neocon-Publizistin Anne Applebaum symbolisiert auf perfekter Weise die Verquickung von (nationalistisch-revanchistischer) polnischer und (interventionistischer) US-Neocon-Politik. Sikorski war früher auch mehrere Jahre für den konservativen US-Think Tank „American Enterprise Institute „ in Washington tätig.