Merkel hofiert Orban und die Visegrad-Staaten
Alle rätseln, warum Frankreich nicht begeistert hurra schreit, wenn Deutschland Gefolgschaft fordert. Dabei gibt Kanzlerin Merkel aus französischer Sicht genug Anlass, sich zu ärgern. Jüngster Faux-pas: Ein Besuch in der Visegrad-Gruppe.
Die Kanzlerin war eigens nach Bratislava gereist, um dem ungarischen Regierungschef Orban und den anderen Visegrad-Staaten die Ehre zu erweisen. Offiziell beging man den Fall der Mauer vor 30 Jahren.
Merkel hob hervor, dass die politische Wende in den Ländern der Visegrad-Gruppe wesentlich dazu beigetragen hätte, dass die Wiedervereinigung Deutschlands friedlich stattfinden konnte.
Aber nicht nur das: Sie kam Orban & Co. in ihrer Abschottungspolitik weit entgegen – und besiegelte zusammen mit den Verweigerern einer europäischen Flüchtlingspolitik ein gemeinsames Projekt zur Bekämpfung von Fluchtursachen in Marokko!
Damit nicht genug: Merkel sagte der Slowakei zu, Bratislava zum Sitz der Europäischen Agentur für Arbeit zu machen. Kurz: Sie verteilte Geschenke, um ihre schärfsten Kritiker im Osten zu besänftigen.
Nun könnte man einwenden, Merkel habe lange genug versucht, die Visegrad-Verweigerer zu isolieren und zu strafen. Nun versuche sie es eben mit einer Umarmungs-Strategie, immerhin ist man noch Mitglied derselben “Union.”
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Doch das greift zu kurz. Denn Deutschland hat große ökonomische Interessen, die man immer mitdenken muss. Merkel geht es nicht nur um Flüchtlinge – sondern auch darum, den deutschen Hinterhof im Osten offen zu halten.
Die Slowakei ist als Zulieferer unverzichtbar für die deutsche Autoindustrie. Die Lieferketten reichen bis nach Ungarn, wie die Auswirkungen des letzten großen Streiks gezeigt haben.
Und dann geht es natürlich auch um die Europawahl im Mai. Da wird vor allem Orban gebraucht – um Merkels Spitzenkandidaten Weber zu einer Mehrheit im Europaparlament zu verhelfen.
Und genau da rauscht sie mit Frankreichs Präsident Macron zusammen, der Orban isolieren und den Vormarsch der Nationalisten stoppen will…
Erich Ganspöck
9. Februar 2019 @ 10:19
Deutschland ist in Zukunft von Stromlieferungen aus diesen Staaten abhängig. Das weiß Merkel natürlich und ändert daher ihre Politik um 180 Grad. Was sagt übrigens die Bätschi-Nahles dazu und die grünen Fachfrauen?
(Übrigens: Auch französischen Atomstrom und polnischen Kohlestrom wird Deutschland benötigen wenn alle Atom- , Gas- und Kohlekraftwerke abgestellt wurden)
Peter Nemschak
9. Februar 2019 @ 20:26
Die Politik neigt zu Übertreibungen. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass sich die Politiker von ihren Kollegen unterscheiden und Profil zeigen wollen
Baer
9. Februar 2019 @ 07:43
@Nemschak,“wenn du merkst,dass du einen Toten…..“.
Dazu müsste man es erst merken. Es werden überwiegend tote Pferde gefüttert und weiter geritten.
So ist das eben in der Politik,je teurer das Futter,desto länger wird gefüttert.
Peter Nemschak
9. Februar 2019 @ 10:26
…..solange der Steuerzahler das Futter finanziert.
Peter Nemschak
8. Februar 2019 @ 15:28
Das gilt nicht mehr, weil es schlicht nicht durchsetzbar ist. Es gilt vielmehr das indianische Sprichwort: wenn du merkst, dass du einen toten Gaul reitest, steig ab und geh zu Fuß weiter.
Peter Nemschak
8. Februar 2019 @ 14:26
Merkel wurde von den Deutschen gewählt und ist ihnen verantwortlich. Die deutschen Wähler erwarten, dass sie deren Interessen verfolgt. Das kann man ihr nicht vorwerfen.
ebo
8. Februar 2019 @ 15:23
Bisher war es im deutschen Interesse, das alle EU-Staaten Flüchtlinge aufnehmen. Gilt das plötzlich nicht mehr, nur weil Orban für die Europawahl gebraucht wird?
Kleopatra
8. Februar 2019 @ 15:47
Der Versuch, andere EU-Staaten dazu zu zwingen, potentiell unbegrenzt viele Flüchtlinge aufzunehmen, weil Deutschland sich nicht traut, sein eigenes Asylrecht restriktiv auszulegen oder zu streichen, wurde im Herbst 2015 einige Monate lang betrieben und ist auf der ganzen Linie gescheitert. Dieses Scheitern hat Merkel bereits im Sommer 2016 anerkannt. Was gibt es also Neues? Die Visegrad-Staaten verweigern eigentlich nur offen, was die westeuropäischen Mitgliedstaaten eleganter und unter der Hand hintertreiben. Übrigens setzt sich die deutsche Diplomatie auch bei den blutdürstigsten Diktatoren dafür ein, dass sie Migranten aufhalten – im Vergleich mit den Partnern in Libyen ist auch Orbán zivilisiert. Und ohne mittelosteuropäische Zulieferer dürfte die deutsche Autoindustrie nicht wettbewerbsfähig sein.
ebo
8. Februar 2019 @ 15:50
Was gibt es also Neues? Die Europawahl – und das immer unverhohlenere Werben um Orban. Genau das trennt Merkel von Macron. Die Spannungen zwischen Berlin und Paris dürften noch zunehmen…
Solveig Weise
8. Februar 2019 @ 15:57
So ist das eben in der Politik. Ein großer Franzose hat einmal gesagt: “Länder haben Interessen, keine Freunde”. Besser kann man es nicht sagen.
Ich rate hier zu Gelassenheit. “Spannungen” kommen und gehen.
Manchmal setzt sich der eine durch, dann wieder der andere. That’s life.
Kleopatra
8. Februar 2019 @ 16:26
Die von Orbán aufgehaltenen Migranten wollen nach Deutschland, nicht nach Frankreich. Deshalb kann Frankreich ihn hemmunglos kritisieren, während Deutschland insgeheim dringend daran interessiert ist, dass er weiter die serbische Nordgrenze zuhält. Und ehrlich gesagt (könnte Merkel denken), solange er uns die Migranten vom Leib hält, wen interessieren da Details wie das Pensionsalter von Richtern oder die CEU?
ebo
9. Februar 2019 @ 10:05
Ja, es geht auch ohne. Allerdings schreiben wir auch “linke Syriza” oder “rechte Fidesz”. Die EVP firmiert unter “konservativ” usw. usf.