Kroatien zeigt, was bei der Erweiterung schief läuft
Am 1. Januar hat Kroatien den EU-Vorsitz übernommen. Große Erwartungen sind damit nicht verbunden – außer vielleicht bei der Erweiterung auf dem Westbalkan. Wird die EU endlich aus ihren Fehlern lernen?
Diese Frage steht spätestens seit dem EU-Gipfel im Oktober 2019 im Raum. Damals hat Frankreichs Staatschef Macron die fest eingeplanten Beitrittsgespräche mit Albanien und Nord-Mazedonien mit einem Veto blockiert.
Dies sei ein „strategischer Fehler“ gewesen, heißt es nun in Brüssel. Der Balkan dürfe kein Vakuum werden, in das Russland, die Türkei oder China hineinstoßen. Kroatien macht die Erweiterung deshalb zur Priorität.
Dabei ist das 28. und bisher letzte EU-Mitglied selbst das „beste“ Beispiel dafür, was bei der Erweiterung alles schief läuft. Seit seinem Beitritt 2013 ist Kroatien nie wirklich in EUropa angekommen.
Das fing schon mit dem ungelösten Grenzkonflikt mit Slowenien an, der mehrfach zu eskalieren drohte. Normalerweise sollte ein EU-Land mit seinen Nachbarn im Reinen sein, bevor es beitritt.
Danach zeigte sich, dass Kroatien wirtschaftlich nicht gut vorbereitet war. Obwohl es vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt erhielt, blieb das versprochene Wirtschaftswunder aus.
Dies wiederum verstärkte einen fatalen Trend, der viele Balkanländer plagt: die Auswanderung. Zehntausende Kroaten haben ihr Land seit dem EU-Beitritt verlassen, viele wurden von Deutschland abgeworben.
Dies verschärft die Probleme noch mehr – und führt zu Unzufriedenheit, die sich in Kroatien in einem massiven Nationalismus äußert. Bei Fußballspielen gibt es immer wieder rassistische Ausschreitungen.
Dass CDU, CSU und EVP die kroatische Regierungspartei HDZ hofieren – Kanzlerin Merkel gab ihr einzige ausländische Kundgebung zur Europawahl in Zagreb – macht die Sache nicht besser.
Im Gegenteil – denn die HDZ sist von der extremen Rechten unterwandert. Im Europawahlkampf wehte die Ustascha-Flagge – doch Merkel und ihr Spitzenkandidat Weber sahen darüber „großzügig“ hinweg.
Umso entschiedener geben sie sich jetzt, wenn es um den EU-Beitritt Albaniens und Nord-Mazedoniens geht – und darum, den kroatischen EU-Vorsitz bei der Erweiterung zu unterstützen.
Neue Beitritte würden die EU weiter schwächen
Dabei sind diese beiden Westbalkan-Länder noch schlechter auf den EU-Beitritt vorbereitet als Kroatien vor sieben Jahren. Ihre Aufnahme würde die EU nicht stärken, sondern weiter schwächen.
Sinnvoller wäre es daher, die beim Beitritt Kroatiens gemachten Fehler aufzuarbeiten – und die Erweiterungspolitik zu reformieren, wie dies Präsident Macron fordert…
Siehe auch „Ist Nord-Mazedonien schon verloren?„
Peter Nemschak
4. Januar 2020 @ 16:32
@Freiberufler Die EU unterstützt deshalb korrupte Regierungen, weil ihre Interessen sich mit deren decken. In den internationalen Beziehungen geht es nicht um Werte sondern Interessen. Werte sind nicht kompromissfähig weil absolut, Interessen dagegen schon. Wer dies missachtet, verursacht Chaos und Unfrieden. Beispiel: humanitäre EU/NATO Intervention in Libyen zum Sturz von Quadhafi. Moral ist ein schlechter Ratgeber: des einen Unmoral ist des anderen Moral.
ebo
4. Januar 2020 @ 17:31
Natürlich hat die EU in Kroatien Interessen – vor allem Deutschland, das das Land im Alleingang anerkannte und so mit zu den Balkankriegen beitrug. Doch der EU-Beitritt ist, wenigstens in der Theorie, an Kriterien gebunden, die auch den Kampf gegen die Korruption und für den Rechtsstaat einschließen. Zu den Problemen der EU-Erweiterung gehört, dass diese Kriterien nur auf dem Papier eingehalten werden, nicht jedoch in der Praxis. Wäre es anders, hätten Bulgarien, Rumänien und Kroatien nie aufgenommen werden dürfen. Dasselbe gilt übrigens für Nord-Mazedonien und vor allem für Albanien.
Peter Nemschak
4. Januar 2020 @ 10:07
Ist die Einführung des EURO ein Zeichen von EU-Freundlichkeit oder nicht vielmehr ein Ausdruck der jeweils nationalen materiellen Interessen ? Wegen der sogenannten gemeinsamen europäischen Werte hat noch kein Land den Euro eingeführt.
Peter Nemschak
3. Januar 2020 @ 21:04
Die Auswanderung aus Kroatien ist ein generelles Problem in Osteuropa wegen des nach wie vor großen Einkommensgefälles zum Westen. Die EU muss einen Mittelweg zwischen Wertegemeinschaft und geopolitischer Interessengemeinschaft gehen. Die Verabsolutierung von Werten führt nicht zu Frieden auf der Welt.
Freiberufler
3. Januar 2020 @ 13:31
Die EU unterstützt korrupte Regierungen, weil sie EU-freundlich sind. Korrupte Regierungen sind EU-freundlich, weil die EU sie unterstützt.
ebo
3. Januar 2020 @ 17:18
Naja. Sonderlich EU-freundlich war Kroatien bisher nicht. So lehnt Zagreb die Einführung des Euro ab. Und bei der Korruption gibt es weitaus schlimmere Länder. Übrigens nicht nur in Osturopa oder auf dem Balkan…