Kriegerische Kommunikation
Was ist nur in die EU gefahren? Ihre Kommunikation wird immer kriegerischer. Auch die Nato heizt die Stimmung an.
Kommissionspräsidentin von der Leyen machte den Auftakt: „Ukrainians are ready to die for the European perspective“, sagte sie. „We want them to live with us the European dream.“ Zu gut deutsch: Weil die Ukrainer für die EU ihr Leben opfern, müssen wir sie so schnell wie möglich aufnehmen.
Kurz darauf erklärte der Außenbeauftragte Borrell, Russland wolle Hungerkatastrophen herbeiführen. Es sei Moskaus “bewusste politische Entscheidung, Getreideexporte als Waffe und Erpressungsinstrument gegen jeden einzusetzen, der sich gegen seine Aggression in der Ukraine stellt”, erklärte der Spanier.
Das ist eine beispiellose rhetorische Eskalation. Für beide Behauptungen gibt es keine Beweise. Weder lässt sich zeigen, dass die ukrainischen Soldaten für die EU kämpfen (sie verteidigen ihr Land), noch, dass die Getreideexporte als “Waffe” eingesetzt werden. Gegen wen denn?
Die EU-Länder können nicht gemeint sein, denn sie produzieren genug Getreide für die Eigenversorgung, das meiste wird übrigens ans Vieh verfüttert! Und die Afrikanische Union fühlt sich eher durch die EU-Sanktionen bedroht, wie ihr Präsident gerade wieder erklärte…
Die verbale Aufrüstung ist umso bedauerlicher, als sie nun auch noch mit dem EU-Beitritt der Ukraine verknüpft wird. Das nährt den bösen Verdacht, dass die EU nicht nur Partei ergreift, sondern auch immer mehr in den Krieg hineingezogen wird. Die verbale Aufrüstung ist in vollem Gange!
Noch erschreckender sind die Aussagen von Nato-Generalsekretär Stoltenberg. Der hält nun einen jahrelangen Krieg für möglich. “Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass er Jahre dauern könnte”, sagte Stoltenberg der “Bild am Sonntag”. “Wir dürfen nicht nachlassen, die Ukraine zu unterstützen.”
Damit heizt er den Konflikt auf unverantwortliche Weise an. Denn ohne die Unterstützung der Nato bzw. ihrer Mitglieder könnte die Ukraine nicht noch “jahrelang” Krieg führen. Sie müsste schon in wenigen Tagen kapitulieren. Stoltenbergs Aussage ist eine “self fulfilling prophecy”...
Siehe auch “Die Ukraine ist jetzt völlig vom Westen abhängig”
P.S. Großbritannien kündigt nun auch noch an, sich auf einen Landkrieg in Europa vorzubereiten. Offenbar rechnet man in London damit, Truppen in die Ukraine entsenden zu müssen – oder ist das auch nur eine “COM OP”?
Burkhart Braunbehrens
20. Juni 2022 @ 22:46
FRIEDEN ! Der Angegriffene schreit Frieden ! Der Angreifer sagt unmissverständlich, er wolle keinen Frieden sondern erobern, was ihm nicht gehört.
„Die Führung haben die USA“ Deinen Punkt bin ich nicht bereit mit Dir zu setzen. Es ist nie zu spät, anzufangen, sich auf die eigenen Beine zu stellen. Andernfalls man mit dem Eigenen in die Knie geht. Es geht nicht darum, die USA zu toppen, sondern in jeder außenpolitischen Handlung eine anti-hegemoniale Haltung zu zeigen. Sich von den USA absetzen, indem man sich lau verhält, kann nicht die Lösung sein, auch wenn sie denen vernünftig erscheint, die möglichst wenig einsetzen wollen für die schöne Idee Europa. Und billiger ist die laue Haltung schon mittelfristig nicht. Wir verlieren auf allen Ebenen von moralisch bis zum Geschäft.
ebo
20. Juni 2022 @ 23:55
Schau Dir die Fakten an – wer wie viel für Waffen zahlt. Die USA führen, ob es uns passt oder nicht. Sie haben sogar das alte Lend Lease Programm aus dem 2. Weltkrieg neu aufgelegt.
Wenn Washington sagt, dass schwere Waffen geschickt werden, dann geschieht es, auch in Berlin. Wenn Washington das Interesse an dem Krieg verliert, wird er zu Ende gehen. War überall so, zuletzt in Afghanistan.
Vermutlich forderst Du, dann solle Deutschland übernehmen und die EU heldenmutig gegen Russland führen?
Alexander
21. Juni 2022 @ 00:12
Sollte es zum Äußersten kommen, was in meinen Augen jeden Tag ein Stück wahrscheinlicher wird, dann denken Sie bitte daran, noch mit letzter Kraft „WIR waren die Guten!“ in einen Stein zu ritzen!
marianne brull
20. Juni 2022 @ 15:56
Was ist eigentlich mit dem Caspischen Meer und seinen Anreinerstaaten. das vor Oel nur so trieft? Was ist mit den Sanktionen? Man hört und liest so gar nichts a propo
ebo
20. Juni 2022 @ 16:03
Dazu steht was im Live-Blog: https://lostineu.eu/europa-im-wirtschaftskrieg/
Öl-Streit zwischen Russland und Kasachstan
Wie die staatlich gelenkte russische Zeitung “Kommersant” schreibt, blockiert Russland zurzeit die Ausfuhr kasachischen Erdöls über den russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk – der wichtigste Umschlagplatz für kasachisches Öl gen Westen. Zur offiziellen Begründung heißt es, im Hafen seien Seeminen aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt worden. Die Räumung dauere bis mindestens Ende des Monats. Angeblich sei der gesamte Schiffsverkehr im Hafen gesperrt, das aber habe die russische Schifffahrtsbehörde Rosmorrechflot nicht bestätigt, so Kommersant.
Laut “Moscow Times” soll Kasachstan zuvor sein Erdöl umbenannt haben, damit es in westlichen Häfen nicht mit russischem Erdöl verwechselt wird und unter die Sanktionen der EU fällt. Die ukrainische Nachrichtenagentur “Unian” berichtet zudem, dass Kasachstan 1.700 Eisenbahnwaggons mit russischer Kohle an der Ausfuhr hindert. Dabei wäre ein Zerwürfnis zwischen Moskau und Nur-Sultan für beide Partner schlecht.
Burkhart Braunbehrens
20. Juni 2022 @ 10:12
“Was ist nur in die EU gefahren ?” Die alte Tante erkennt ihren senilen Mann nicht mehr.
Dieser Block repräsentiert für mich auch in seinen Kommentaren immer weniger, was ich von Europa erwarte. Endlich aufwachen und die Herausforderungen annehmen, nach den hohen europäischen Werten handeln usw. Und bei Kriegen in Europa als Europa handeln und zwar vorne und nicht im Halbschatten von USA und NATO. Statt dessen machen wir uns mit unserer Unentschlossenheit mitschuldig, dass es ein langer Krieg wird.
Weder politisch noch mit der tatsächlichen Unterstützungsleistung haben wir das Notwendige getan. Wenn Europa nur seinen Wohlstand verteidigt, wird es bald nicht mehr sein.
Das Narrativ, wenn man es zu Ende denkt, was hier bestätigt wird, macht die Ukraine und die “Kriegstreiber” von NATO und USA zum Auslöser des Krieges. Warum haben eigentlich die ehemaligen Warschauer-Pakt Staaten immer mehr auf das Sicherheitsversprechen der USA vertraut, als auf die europäische Karte ? Für die “hohe Europapolitik” stand immer das Geschäftsinteresse oben an, sei es gegenüber dem Osten, sei es gegenüber den ehemaligen Kolonien. Auch an der postkolonialen Misere in Afrika trägt Europa Schuld. Heute trägt das alles bei zur völligen Perspektivlosigkeit von Europa, die nicht lange mehr gut gehen kann.
Aber in diesem Block wird offensichtlich nicht mehr an der europäischen Perspektive gearbeitet, sondern das Ende mit klugen statements begleitet.
ebo
20. Juni 2022 @ 10:16
“Und bei Kriegen in Europa als Europa handeln und zwar vorne und nicht im Halbschatten von USA und NATO.” Was heißt das konkret?
Burkhart Braunbehrens
20. Juni 2022 @ 17:45
Die Führung übernehmen und sich als mächtigstes Land in Europa nicht ständig verstecken hinter Floskeln und falschen Bekenntnissen.-
Floskeln.” Man müsse sich erst abstimmen” Führung heißt, zu sagen, was man will und dann sich abstimmen.
Falsche Bekenntnisse: Man würde am meisten unterstützen . Es ist zigmal nachgewiesen worden, dass nur 10 Prozent von den Versprechungen bisher realisieret wurden etc.
Stell Dich doch nicht dumm. Du verfolgst eine andere Zielsetzung. Und bewegst dich noch unter dem Scholz-Modus. Und das immer in der kritischen Pose. Du kennst auch meinen Standpunkt in dieser Sache, den ich schon x-Mal hier formuliert habe. Sag doch mal, was Du für Vorstellungen von Europa und der EU hast, sowohl wo gegenwärtig die Mängel sind, und was Du <dir für Zielsetzungen wünscht., Oder soll alles nur beim alten bleiben. Kritisch äußern tust Du Dich ständig, aber mit welchen Zielen. Wie stehst Du zum nach wie vor politisch und ökonomischen kolonialen Agieren Europas. Wie stellst Du Dir vor, dass das Ziel der europäischen Einigkeit und der Realisierung dieser Einheit in der Wahrhaftigkeit in der Anwendung seiner Ideale junge Leute begeistern soll.
ebo
20. Juni 2022 @ 18:21
Die Führung haben die USA. Punkt. Deutschland kann das nicht toppen, nichtmal mit 10mal so viel Waffen.
Finanziell dagegen tut Deutschland durchaus am meisten, jedenfalls in der EU, und in absoluten Zahlen.
Und ja, ich verfolge ein anderes Ziel: Frieden! Ich möchte die alte Friedensunion zurück – oder eine neue, die sich aktiv für Frieden einsetzt. Und nicht als Ersatz-Nato geriert, während die Nato nach Asien expandiert.
Thomas Damrau
20. Juni 2022 @ 09:14
Das Muster ist bekannt: Je prekärer die Lage, desto exzessiver die Rhetorik. Und je exzessiver die Rhetorik, desto inkonsistenter die Botschaft:
1) Wir müssen nicht über einen Kandidaten-Status der Ukraine diskutieren, wenn wir erwarten, dass in der Ukraine noch mehrere Jahre Krieg herrschen wird.
2) Wenn die Ukraine eine 15-fache Überlegenheit der russischen Artillerie konstatiert, stellt sich die Frage, wie viele Waffen der Westen schicken muss, bevor die Ukraine bereit für die Rückeroberung der Krim ist.
3) Auf der anderen Seite wird immer wieder vom “hoffentlich baldigen Frieden” geredet – auch heute wieder von Manfred Weber (EVP) im DLF. ( https://www.deutschlandfunk.de/ukraine-als-eu-beitrittskandidat-interview-manfred-weber-evp-vorsitzender-dlf-13a1f1f8-100.html ) Wenn es ein “Sieg-Frieden” für die Ukraine werden soll, kann es kein “baldiger” sein.
4) Wenn tatsächlich Russland den Weizenhahn zudreht, warum richtet sich der Ärger der betroffenen Länder eher gegen EU und NATO?
Und damit sind wir wieder bei unserem Lieblingsthema: Wer ist in der Lage, diese verfahrene Situation aufzulösen? “Niemand” hallt es aus dem Wald zurück. Will jemand die verfahrene Situation auflösen? Auch hier ein Nein, immer noch gilt die Losung: “Wir kämpfen für die gerechte Sache, da wird das Schicksal uns schon hilfreich zur Seite stehen.” Wir Deutschen kennen diese Denkfigur nur zu gut: Kriege, die schon lange verloren sind, bis zum Endsieg durchziehen.
Ein mögliches Szenario:
1) Biden wird in den Mid-Term-Wahlen abgestraft und dann zwischen den Republikanern und dem linken Flügel der eigenen Partei zerrieben ( https://www.spiegel.de/ausland/alexandria-ocasio-cortez-klar-verschwurbelt-a-99d760b9-47e4-41d5-8387-989a47427d74 ). Den meisten AmerikanerInnen wird schon im Augenblick die eigene Tankrechnung näher sein als ein Konflikt in einem für sie exotischen Teil der Welt. “Raus aus der Ukraine” könnte sehr schnell zur populären Forderung werden.
2) Die Wirtschaft der EU rutscht in eine Rezession, die Preissteigerungen bleiben hoch, Energie wird knapp im Winter, die sozialen Verwerfungen können nicht durch immer neues Geld geglättet werden (um die Inflation nicht noch weiter anzuheizen). Kurz: Der EU geht die Luft aus.
3) Die russische Armee steht im Herbst auf breiter Front am Dnepr.
Wenn es so kommt, wird Putin seinen Diktatfrieden bekommen. Und auf seiner Forderungsliste wird sicher auch “kein EU-Beitritt” stehen.
Alexander
19. Juni 2022 @ 20:14
‘“Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass er Jahre dauern könnte”, sagte Stoltenberg’
Es gibt doch auf Youtube ein Video, das zeigt, wie Putin ‘Blueberry Hill’ singt? Wenn er jetzt Lust hätte, den Konflikt ebenfalls anzuheizen, dann könnte er ein Video ins Netz stellen, in dem er ‘Time Is On My Side’ zum Besten gibt!
Die EU sollte froh sein, wenn sie den nächsten Winter übersteht! Man darf gespannt sein, welche Regierung zuerst von ihrer Bevölkerung aus dem Amt gejagt wird.