Krieg um die Ukraine: Ein bedenkliches neues Narrativ

Gestern war die Ukraine noch auf der Siegerstraße, heute braucht sie 500.000 neue Soldaten, um zu überleben – und schon morgen könnte Russland gewinnen und EUropa überfallen: Das westliche Narrativ hat sich bedenklich verschoben.

Die EU tut so, als wenn nichts geschehen wäre. Beim letzten Gipfeltreffen dieses Jahres hielten es die Staats- und Regierungschefs nicht für nötig, eine strategische Debatte über die Ukraine und den Krieg zu führen, so wie es V. Orban gefordert hatte.

Heute zahlt Kommissionschefin von der Leyen wieder 1,5 Mrd. Euro an Kiew aus – und redet von Wiederaufbau. “We must find an agreement to keep providing Ukraine with the support it needs to recover, rebuild and reform.” Dafür sind 50 Mrd. Euro vorgesehen.

Doch zugleich hat sich der Diskurs bedenklich verschoben. Plötzlich ist nicht mehr von einem Sieg die Rede, sondern von einem Patt, das nur mit 500.000 zusätzlichen Soldaten überwunden werden könne. Präsident Selenskyj prüft den Bedarf noch.

500.000 Mann wird er aber nicht in der Ukraine finden. Deshalb kommen aus Kiew schon Appelle, wehrfähige Ukrainer aus der EU an die Front zu rufen – was schwerlich mit ihrem Flüchtlingsstatus vereinbar ist. Wird man morgen nach Nato-Truppen rufen?

Fast noch alarmierender ist das Narrativ, das westliche Militärs neuerdings verbreiten. Sie scheinen fest mit einem russischen Sieg zu rechnen und warnen, Kremlchef Putin könne sich schon bald Finnland, Polen oder das Baltikum vorknöpfen.

Das erzählen nicht nur Waffennarren, sondern auch der deutsche Kriegsminister Pistorius. „Putin steigert Russlands Rüstungsproduktion derzeit ganz erheblich. Laut Duma-Beschluss eine Steigerung von mehr als 60 Prozent“, sagte er der “Welt”.

In der Nato und auch in Deutschland herrsche massiver Nachholbedarf: „Wir haben jetzt ungefähr fünf bis acht Jahre, in denen wir aufholen müssen – sowohl bei den Streitkräften als auch in der Industrie und in der Gesellschaft”, so der SPD-Minister.

Düstere Prognose für die Nato

Das ist ein völlig neues Narrativ. Es enthält nicht nur eine düstere Prognose für die Ukraine, sondern auch für die Nato. Seit Beginn des Kalten Krieges hat sie Russland eingedämmt und abgeschreckt – und das soll plötzlich nicht mehr funktionieren?

Ich frage mich, was mit diesen Aussagen bezweckt wird.

Geht es Pistorius & Co. darum, auf eine mögliche Niederlage der Ukraine einzustimmen? Will man die Deutschen auf alle Eventualitäten vorbereiten – incl. Krieg? Und wo sollte dieser geführt werden – in der Ukraine, oder anderswo an der neuen Ostfront?

Siehe auch „Krieg in Europa“: Was will Pistorius? Mehr zum Krieg um die Ukraine hier

P.S. Wenn die Lage wirklich so düster ist, wie Selenskyj und Pistorius nahelegen, wäre es höchste Zeit, die Strategie zu überdenken. Die Wette, die Ukrainer noch weiter hochzurüsten, 500.000 Mann einzuziehen und ohne die USA den Krieg weiterzuführen (falls Trumpf gewinnt), kann nicht aufgehen…