“Krieg in Europa”: Was will Pistorius?
Er ist Deutschlands beliebtester Politiker – wohl auch, weil er Klartext redet. Doch nun gibt B. Pistorius Rätsel auf.
Verteidigungsminister Pistorius hat einen “Mentalitätswechsel” der Deutschen in Sicherheitsfragen gefordert. “Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte”, sagte Pistorius in der ZDF-Sendung Berlin direkt.
Was soll das heißen? In der Ukraine tobt doch längst ein Krieg – ist das etwa nicht “in Europa”? Oder meint Pistorius einen Krieg in EUropa, also in der EU, vielleicht sogar in Deutschland?
Dann wäre die Politik von Kanzler Scholz gescheitert. Denn sie zielt ja – so heißt es im Kanzleramt – gerade darauf ab, dass der Ukraine-Krieg nicht auf Deutschland oder die EU übergreift.
Womöglich denkt Pistorius aber auch an den Krieg in Israel. Doch wie sollte er auf Europa übergreifen? In Gestalt eines Bürgerkriegs – oder dadurch, dass Deutschland hineingezogen wird? Dann dürfte Pistorius keine Waffen in das Kriegsgebiet schicken!
Der Mann gibt Rätsel auf – und er rüttelt an den Grundfesten von EU und Nato. Denn beide sind doch auf der Prämisse aufgebaut worden, Krieg in ihren Bündnisgebieten zu verhindern…
Klar ist nur eins: Der SPD-Politiker fordert, dass “wir” wieder “wehrhaft” und “kriegstüchtig” werden. Wir werden ihn deshalb künftig auch als Kriegsminister bezeichnen – denn darauf läuft es ja hinaus…
Siehe auch Die Bundeswehr geht „all in“ – auch in Israel?
P.S. Nach Ansicht des DGAP-Experten Mölling könnte Russland in sechs bis zehn Jahren so stark sein, dass es einen Angriff auf (Nord-)Europa riskiere. Dies sei Konsens in der Nato. Dabei hieß es doch bisher immer, Russland verliere den Krieg in der Ukraine – und die Nato werde ein Übergreifen verhindern…
Monika
2. November 2023 @ 19:37
Bei der Bundeswehr handelt es sich um eine Parlamentsarmee. Jeder Einsatz muss durch einen eigenen Parlamentsbeschluss legitimiert werden.
Bundeswehrsoldaten sind „Bürger in Uniform“, mit allen Rechten und Pflichten, die sich aus dem Grundgesetz ergeben. Sie können sich nicht auf das Prinzip „Befehl und Gehorsam“ berufen, sondern sind zu aktivem Widerstand verpflichtet, wenn Befehle z.B. Kriegsverbrechen anordnen.
Sie leisten einen Eid, die Bundesrepublik Deutschland notfalls mit ihrem Leben zu verteidigen.
Die Bundeswehr ist eine Verteidigungsarmee, deren Einsatz im Rahmen der EU und NATO, auch Bündnisverpflichtungen bei einem Angriff auf einen Bündnispartner, erfüllen muss.
Die Bundeswehr und damit jeder einzelne Soldat, ist nicht zur Teilnahme an Präventivkriegen, Strafexpeditionen gegen „denTerror“ oder zur Teilnahme an Konflikten anderer Nationen befugt oder verpflichtet.
Von den UN organisierte Blauhelmaktionen können vom Parlament unterstützt werden.
Für diese Aufgaben muss die Bundeswehr „angemessen“ ausgerüstet werden. Dann wäre sie als verfasungsgemäß „kriegstauglich“ zu bezeichnen.
Bis dahin richtig?
Nun hat sich jedoch die als Verteidigungsbündnis angelegte NATO durch wesentliche Strategieänderung von einem Verteidigungsbündnis zu einem global präventiv agierenden Interventionsbündnis unter US-Befehl gewandelt. Mit komplett anderen militärtechnischen Bedürfnissen, mithin vielfach „höheren und anderen Ansprüchen“ an das militärische Equippment. Für dem Verfassungsauftrag zuwiderlaufende Ausrüstung. Kein Wunder, dass die vormaligen Verteidigungsminister in der Zwickmühle saßen, aus der sich unser Kriegsminister Pistorius jetzt mit einem Wumms befreien will, auf Kosten von Sozialem, Bildung, Wissenschaft, Kultur, Infrastruktur…
Man muss die Kriegsbegeisterung dieses Ministers aus Achtung vor dem grundgesetz stark einbremsen!
Ich gehe soweit zu sagen, dass sich kein Soldat der Bundeswehr verpflichten lassen darf, aus Gründen einer völlig ungeklärten „Staatsräson“, an einem Krieg im Nahen Osten zu beteiligen. Die federführende israelische Führung hat offen kommuniziert, sich um völkerrechtliche Belange nicht zu scheren. Kriegverbrechen sind teils schon geschehen, teils vorprogrammiert. Jeder deutsche Soldat, der sich an einem solchen Einsatz beteiligt, verletzt seinen Diensteid und seinen Status als Bürger in Uniform. Einfach NEIN sagen!
Arthur Dent
1. November 2023 @ 16:36
@MarMo
Spieglein, Spieglein an der Wand,…
Ausgerechnet der Politiker einer Partei, denen im Moment die Wähler in Scharen davonlaufen, wird Schönheitskönig. Politiker von einer Partei, die den meisten Stimmenzuwachs hat, rangieren unter ferner liefen. Naja, Politiker und Beliebtheit…
Auf meiner Beliebtheitsscala kommt die Kategorie “Heldentod” gar nicht vor 🙂
renz
7. November 2023 @ 15:53
Heldentod – den braucht es immer. Ausgenommen natürlich den der Verantwortlichen. Wer von den Leichen heißt und nach Krieg schreit und auch noch nicht-demokratisch für eine Führungsrolle der EU bestimmt wurde, sollte bitte den allerersten Platz beim Heldentod-Schlangestehen bekommen. Natürlich ganz undemokratisch. Also bitte nichts egen Heldentode in Führungspositionen
MarMo
31. Oktober 2023 @ 17:47
Auch vor der “Zeitenwende” und dem “Sondervermögen” wurde die Bundeswehr mit jährlich 50 Milliarden bedacht. Wie kann es sein, dass sie angesichts dessen, ein solch maroder Haufen ist? Wer hat sich da die Taschen gefüllt? Das wird weder politisch noch medial untersucht. Stattdessen sollen alle möglichen Ressorts gekürzt werden, um noch mehr Geld in diesen ineffizienten Moloch zu pumpen!
Bildung, Umwelt, Soziales, Gesundheit – alles zweitrangig.
Und wie dämlich sind die Deutschen, wenn dieser kläffende, kriegsaffine Schwadronierer der beliebteste Politiker ist!!!
Der widerwärtige Phrasen raushaut.
Arthur Dent
31. Oktober 2023 @ 16:26
@Stef
Wenn die Bundesregierung so weitermacht, wird die Republik bald ruiniert sein – soll die BW dann einen Schrottplatz bewachen?
Michael Schulz
31. Oktober 2023 @ 18:05
Wenn die Republik ruiniert ist dann ist die BW auch ruiniert. Es heißt doch sie stünde schon jetzt nackt da.
renz
7. November 2023 @ 16:00
Dazu 2 Punkte:
Was ist ein Panzer ohne Munition oder ein Flugzeug ohne Sprit? Richtig – Schrott. Sonst nichts
Wir haben doch all unseren Schrott in der Ukraine für viel Geld entsorgt. Wie soll dann die BW Schrott bewachen?
Klingt wie: Der Boss hat immer recht. Wenn nicht – dann gilt der erste Satz
Michael Schulz
31. Oktober 2023 @ 15:17
Erstaunlich wie in Berlin zusehends nurmehr nationalistisch, parteipolitisch und transatlantisch gedacht wird. Die UN und EU finden nur noch als Lippenbekenntnisse statt. So wird die Koalition diese Legislaturperiode nicht überleben. An eine Wiederwahl ist nicht zu denken und eine Alternative gibt es auch nicht. Armes Deutschland.
Stef
31. Oktober 2023 @ 09:05
Ich meine, Pistorius hat einen Punkt. Unser Militär ist marode und das kann niemandem Recht sein. Das Problem ist aber weiterhin, dass es keinen belastbaren Auftrag für die Bundeswehr gibt, ist es Landesverteidigung, Bündnisverteidigung oder Intervention? Das ist die klare Aufgabe der Regierung und von Pistorius und hier leistet er zu wenig.
Eine andere Aufgabe von Pistorius wäre, auf die Effizienz der Mittelverwendung beim Militär zu achten. Ohne klare Strategie ist eine solche Ambition aber nicht zu erreichen.
Pistorius scheitert also m.E. an seinem Kernauftrag, nämlich für den politischen Rahmen des Militärs zu sorgen. Damit ist er allerdings tatsächlich nicht allein, mit diesem Problem lebt die Bundeswehr nun seit Jahrzehnten.
Ärgerlich und abzulehnen ist aber die Rhetorik von Pistorius, die nicht klarmacht, dass wir Geld für Militär nicht für den Krieg, sondern zur Vermeidung von Krieg ausgeben. Das wäre ein sozialdemokratischer Ansatz, aber wie schon im Chat bemerkt, Pistorius scheint eher wenig mit Sozialdemokratie am Hut zu haben. Das teilt er aber auch mit dem meisten sozialdemokratischen Spitzenpersonal der heutigen Zeit.
Helmut Höft
31. Oktober 2023 @ 08:55
@ebo
Dein P.S. ist ja so entlarvend, das kann man besser nicht sagen, Chapeau!
@european
Das ist kein zynischer Vortrag, it’s just reality! So tickt die Welt! Besipiel: Teflon ein Spin-off der Raumfahrtindustrie? Was für ein Käse – DuPont 1938(!!), Das Eier-phone ein Spinn-off von … *facepalm* Pipi Langstrumpf am Werk! Guxtu hier https://redfirefrog.wordpress.com/2023/09/14/das-langstrumpf-prinzip-1-die-grenzen-des-nicht-binaren/ (es gibt da auch einen Teil zwo)
Armin Christ
31. Oktober 2023 @ 08:31
Pisstorius macht den „harten Hund“, das machte er schon als Innenminister, und das erfreut auch die „Stammtisch harten Hunde“ in diesem Land.
Ich weiß nicht warum dieser Mann sich Sozialdemokrat nennen darf und warum es da keinen Aufschrei in der SPD gibt. Sozialdemokratisch wäre in der Tradition von Willy Brand + Co. die Lage nicht mit solchen Sprüchen zu eskalieren sondern immer wieder zu deeskalieren und zu Verhandlungslösungen und Entspannung zu komen.
Was Pisstorius und seine Entourage angeht fällt mir nur DAS Zitat von Heino ein.
Arthur Dent
30. Oktober 2023 @ 20:00
Schwadroniert wie Gauck! Womit und mit wem will er denn in den Krieg ziehen? In Deutschland wird er kaum Freiwillige finden. Da muss er schon sein eigenes Blut vergießen.
Man muss dieser Regierung konsequent in allem widersprechen. Sie belügt die Bürger (Energiepolitik, Atomstrom, Heizungsgesetz, Migration), sie schürt Ängste, sie treibt die Armut voran. Kaum im Amt, schon verlangt er mehr Geld für die Rüstung. Frankreich hat mit annähernd demselben Budget eine wesentlich schlagkräftigere Truppe. Des Weiteren kann man nicht zu Lasten der eigenen Verteidigungsfähigkeit ständig aus Beständen der Bundeswehr andere Länder unterstützen. Kanzler und Minister brechen fortwährend ihren Amtseid.
KK
30. Oktober 2023 @ 22:02
„Des Weiteren kann man nicht zu Lasten der eigenen Verteidigungsfähigkeit ständig aus Beständen der Bundeswehr andere Länder unterstützen. Kanzler und Minister brechen fortwährend ihren Amtseid.“
Mal ganz abgesehen vom – folgenlosen – Brechen des Amtseids gibt es ja noch den § 109e Abs. 1 StGB*… da muss die Frage erlaubt sein, ob der nicht langsam mal herangezogen werden könnte.
* „Wer ein Wehrmittel oder eine Einrichtung oder Anlage, die ganz oder vorwiegend der Landesverteidigung oder dem Schutz der Zivilbevölkerung gegen Kriegsgefahren dient, unbefugt zerstört, beschädigt, verändert, unbrauchbar macht oder beseitigt und dadurch die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, die Schlagkraft der Truppe oder Menschenleben gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
Nun, wenn man das ganze Wehrgeraffel inkl. grosser Teile der Munitionsbestände an die Ukraine und jetzt vielleicht auch an Israel abgibt – was ist das im Ergebnis anderes als ein „Beseitigen“? Zwar könnte man argumentieren, die Regierung handele immer „befugt“ – aber ist sie das wirklich noch, wenn sie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht beachtet, indem der Erhalt eigener Verteidigungsfähigkeit offenbar nicht mehr bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wird?
Thomas Damrau
30. Oktober 2023 @ 19:38
Klartext reden ist nicht notwendigerweise ein Qualitätskriterium. Wer nach Klartext sucht, wird auch bei der AfD fündig.
Die Aussage „Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte“ ist alles andere Klartext, sondern eine Trivialität: Es gehört zu den vornehmsten Eigenschaften einer Gefahr, dass sie „droht“. Wenn sie dann auch noch „drohen könnte“ (und in den Nebensatz eines floskelhaften Hauptsatzes gequetscht wird), wird der Satz vollends zum leeren Wortgeklingel: Es könnte auch die Gefahr drohen, dass uns morgen ein Meteorit auf den Kopf fällt. Klartext wäre ein Feststellung gewesen, welches konkrete Kriegsszenario Pistorius wann erwartet.
Deshalb sehe ich in Pistorius‘ Aussage weniger ein Rätsel, das ich gerne entschlüsseln möchte, sondern ein Problem von Scholz. Scholz hat die Zeitenwende verkündet und festgestellt, dass Frau Lamprecht die Zeitenwende medial nicht rüberbringt. Deshalb hat er Pistorius als „harten Hund“ (endlich mal wieder ein Mann nach all den Frauen) installiert, der die Bundeswehr auf Vordermann bringen soll – eine Rolle, die Pistorius offensichtlich liegt, was wiederum bei einem Teil der Bevölkerung gut ankommt.
So weit, so gut. Nur stellt sich gerade heraus, dass
– die Bundeswehr sich nicht von heute auf morgen reformieren lässt
– das der BRD langsam, aber sicher das Geld ausgeht – was die Idee, 2%, 3%, 4% des BIP für Rüstung rauszuhauen, recht schnell unpopulär machen kann
– der Ukraine-Krieg angesichts der Nah-Ost-Krise zu einem „yet another war“ zu werden droht, der noch dazu gerade mit Erfolgsmeldungen geizt
Probleme, die Scholz möglicherweise langsam den Schlaf rauben. Deshalb musste sein „harter Hund“ mal wieder an die Medienfront geschickt werden, um ein wenig Bedrohungsstimmung zu verbreiten. Was Pistorius ohne rhetorischen Glanz (siehe oben) versucht hat.
Helmut Höft
31. Oktober 2023 @ 08:41
@Thomas Damrau
Klartext reden ist nicht notwendigerweise ein Qualitätskriterium. Wer nach Klartext sucht, wird auch bei der AfD fündig. *schenkel_klopf* So trifft man den Nagel auf den Kopf, Chapeau!
Btw.: Was soll der Minister des BMVg auch anderes machen (Ausnahme KTG)? “Isch habb’ e Hammer, abber der Nachel iss so groß, isch brauch’ e größere Hammer”! Nach bewehrter Manier führt das zu: #1 rüstet (für Sicherheit), oh, sagt #2, #1 rüstet, da müssen wir rüsten (für Sicherheit) … oh, sagt #1, #2 rüstet … und der militärisch-industrielle Komplex sagt: “Brav Jungs, nur nicht rasten sondern rüsten”! Bis in alle Ewigkeit? Wird denn niemand schlau? Wie kann man nur so einfallslo sein! *facepalm*
WBD
31. Oktober 2023 @ 09:19
@KK: das ist ein genialer Gedankensprung !
Allerdings fürchte ich, daß der zuständige Amtsgerichtsrat dann die Pressestelle der Bundesregierung zitieren wird: ‘Deutschland wird in Afgh…, eh, tschuldigung, in der Ukraine verteidigt!’
Also sinngemäß: Die Waffen sind nicht weg, sondern nur woanders.
european
30. Oktober 2023 @ 17:06
George Friedman, der mittlerweile vielen hier bekannt sein duerfte seit seinem bemerkenswerten Auftritt vor dem Chicago Council, hat vor ca. 6 Jahren einen ebenso bemerkenswerten Vortrag vor bulgarischen Studenten gehalten. (Friedman selbst hat ungarische Wurzeln) Thema: Is there a war coming?
https://youtu.be/kwnPgscg0vU?feature=shared
Die freundlich lapidare Antwort des Geostrategen im Stil von Loriot’s Weihnachtsgeschichte war „Of course there will be a war“. Einfach, weil es jedes Jahrhundert einen Weltkrieg gegeben hat und das 21. Jahrhundert keine Ausnahme sein wird. Dann praesentiert er den staunenden bis entsetzten Studenten die wahren Vorzuege von Kriegen und faengt mit dem I-Phone an. Kriege haben schliesslich zu bahnbrechenden Erfindungen gefuehrt, an denen Millionen und Milliarden verdient wurden.
Insgesamt ein zynischer Vortrag eines Mannes, der selber nicht in den Krieg ziehen wird. Und wieder sollten wir uns die Frage stellen, wem wir da eigentlich folgen und vor allem, wo dieser Krieg dann stattfinden wird und wo bestimmt nicht.
Aber Pistorius scheint noch nicht auf diese Idee gekommen zu sein.