Krankes System

Ein Bild aus besseren Tagen – damals ließ Mutti noch tief blicken

US-Präsident Obama hat Kanzlerin Merkel zu einer Blitz-Rettung des Euro aufgefordert. Bei einem Besuch in Berlin will heute auch der britische Premier Cameron Druck machen, wie SPON meldet. Doch die erhoffte schnelle Krisenreaktion wird es nicht geben. Schuld daran ist nicht nur Merkel, die wieder mal auf der Bremse steht. Schuld daran ist auch das Eurosystem, das fünf Jahre nach Beginn der Finanzkrise immer noch nicht richtig funktioniert.

Besonders deutlich ist das Versagen bei den Euro-Chefs. Eigentlich hatten sie beschlossen, regelmäßig Eurogipfel abzuhalten, zur Not sogar kurzfristig. Doch obwohl man mittlerweile sogar um den Bestand der Gemeinschaftswährung fürchten muss, bewegt sich an der Spitze nichts. Die Staats- und Regierungschefs halten still, weil sie erst einmal den Ausgang der Wahlen in Griechenland und Frankreich in zehn Tagen abwarten wollen (und die Fußball-EM?). 

Auch die EU-Aufsicht versagt. Weder die EU-Kommission noch der eigens geschaffene Rat für systemische Risiken schlagen Alarm. Sie sind nicht einmal in der Lage, kurzfristige Maßnahmen gegen die Krise vorzuschlagen, wie der Auftritt von EU-Kommissar Barnier am Mittwoch in Brüssel gezeigt hat. Sein Entwurf zum Thema Bankenrettung enthält kein Wort zur akuten Krise in Spanien. Selbst die derzeit heiß diskutierte Bankenunion hat Barnier nicht berücksichtigt.

Und was macht die Europäische Zentralbank? Angesichts sinkender Inflationserwartungen und wachsender Spannungen im Eurosystem hätte sie am Mittwoch ein Zinssignal geben können, ja müssen. Man darf davon ausgehen, dass Obama und andere G7-Führer den EZB-Chef Draghi genau dazu gedrängt haben. Doch dieser beließ es beim Status Quo. Wie immer, wenn “die Politik” Druck ausübt, antwortet die EZB mit einer Trotzreaktion – und stellt sich taub.  

Draghi treibe die Euro-Regierungen vor sich her, schreibt W. Proissl dazu in der FTD. Der Italiener wolle den Reformdruck für den nächsten EU-Gipfel Ende Juni aufrechterhalten. Man kann es aber auch anders interpretieren: als Beleg dafür, dass das gesamte Eurosystem krank ist und dem Wahn unterliegt, lieber die “Schuldensünder” zu bestrafen als ihnen zu helfen. So schreibt es P. Krugman in seinem Blog:

First, the ECB is unwilling to admit that its past policy, especially its past rate hikes, were a mistake. Second — and this goes deeper — I suspect that we’re seeing the old Schumpeter “work of depressions” mentality, the notion that all the suffering going on somehow serves a necessary purpose and that it would be wrong to mitigate that suffering even slightly.

This doctrine has an undeniable emotional appeal to people who are themselves comfortable. It’s also completely crazy given everything we’ve learned about economics these past 80 years. But these are times of madness, dressed in good suits.

Dem ist nicht viel hinzufügen. Oder vielleicht doch: Aus offizieller deutscher Sicht ist das System natürlich weder krank noch dysfunktional – sondern es funktioniert genau so, wie es soll, wie in der guten alten Zeit der Bundesbank. Wir leben also in der besten aller möglichen Welten, und Merkel ist die beste aller möglichen KanzlerInnen… 

 

 

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