Der Wirtschaftskrieg geht nach hinten los

Drei Monate dauert der Wirtschaftskrieg der EU und der USA gegen Russland nun schon, 50 Beiträge haben wir in unserem Live-Blog veröffentlicht. Höchste Zeit für eine Zwischenbilanz.

Als alles losging, hieß es in Brüssel, man wolle den Krieg in der Ukraine mit „massiven“ Sanktionen beantworten, um den „Preis für Putin“ hochzutreiben und den Kremlchef so zu einem schnellen Ende zu bewegen. Damit werde auch der Ukraine geholfen, hieß es. Der Wirtschaftskrieg sollte eine zweite Front aufmachen und Russland isolieren.

Doch das ist nicht gelungen – eine Zwischenbilanz in 10 Punkten:

  1. Die Sanktionen haben den Krieg nicht beendet und Russlands Militäreinsatz bisher nicht behindert – also der Ukraine nicht geholfen
  2. Die meisten Staaten dieser Welt haben sich den Strafmaßnahmen nicht angeschlossen, selbst EU-Partner wie Indien oder Südafrika sträuben sich
  3. Die russische Wirtschaft wurde zwar getroffen – doch nicht so stark, wie erwartet. Der Rubel hat sich erholt, die Inflation ist niedriger als im Baltikum, die Rezession dürfte relativ milde ausfallen
  4. Putin kann von den Sanktionen teilweise sogar profitieren, weil sie die Preise für Gas und Öl treiben – in Moskau klingelt die Kasse!
  5. Umso härter haben die Sanktionen Europa und die Entwicklungsländer getroffen – vor allem höhere Preise für Energie und Nahrungsmittel werden nun weltweit zum Problem
  6. Die EU hat viel von ihrer Glaubwürdigkeit eingebüßt, wie Kanzler Scholz in Senegal und in Südafrika aus erster Hand erfahren durfte – er trat fast wie ein Bittsteller auf
  7. Zugleich steigt die Abhängigkeit Europas von den USA und autoritären Regimes wie Katar, Saudi-Arabien oder Iran; sogar Venezuela wird nun wieder hoffähig
  8. Das ständige Drehen an der Sanktionsschraube spaltet nun sogar die EU und die USA, wie der Streit um das Ölembargo zeigt
  9. Wenn die EU nicht aufpasst, zerstört sie mit ihren Sanktionen die „internationale regelbasierte Ordnung“, die sie fördern will – dies zeigen die Pläne zur Enteignung russischer Vermögenswerte
  10. Gleichzeitig treibt sie Russland in die Arme Chinas; die neue Blockbildung schneidet die EU womöglich auch noch vom Wachstumsmotor Eurasien ab.

Fazit: Der Wirtschaftskrieg ist ein Flop. Keines der angestrebten Ziele wurde erreicht, die Nebenwirkungen treffen die EU und münden sogar in einer Art „Kriegs-Müdigkeit“, wie Außenministerin Baerbock beklagt. Dennoch zeichnet sich immer noch kein Umdenken ab, jedenfalls nicht in Berlin oder Brüssel.

Demgegenüber steht Washington mit Blick auf die Wahlen im Herbst auf der Bremse. Die USA haben den Wirtschaftskrieg gegen Russland von langer Hand geplant – schon Monate vor Kriegsbeginn, wie Kanzler Scholz ausplauderte. Nun könnten sie ihn wieder abblasen, jedenfalls bis zu den Midterms…

Siehe auch „EUropa verliert im Stellvertreter-Krieg. Mehr zum Wirtschaftskrieg hier (Live-Blog)

P.S. Die EU verheddert sich in den eigenen Sanktionen, wie das Gezerre um „Gas für Rubel“ zeigt. Sie will unbedingt vermeiden, dass die Geschäfte über die russische Zentralbank laufen, begünstigt damit die Gazprombank, kriegt wieder kalte Füsse – und behauptet dann, Putin würde „Energie als Waffe“ nutzen, wenn er sich weigert, das Gas quasi umsonst zu liefern…