Ist der Euro das Problem?

Die Eurozone kommt langsam wieder auf die Beine. Zwar ist es noch kein Aufschwung, doch Ende 2013 ging es mit der Konjunktur stärker aufwärts als erwartet. Gleichzeitig geht die soziale und politische Krise weiter. Entwickelt sich der Euro zum Spaltpilz – oder wird doch noch alles gut?

Von Max Reineke

Die Panik in Europa ist vorüber. Die Märkte haben sich beruhigt und ein Zusammenbruch der Eurozone in naher Zukunft erscheint äußerst unwahrscheinlich. Für ein langfristiges Überleben des Euro müssen seine wirtschaftlichen Vorteile jedoch die Nachteile überwiegen.

In diesem Fall ist die Antwort keinesfalls so klar, wie es in weiten Teilen der Medien, insbesondere den besonders Status-quo begünstigenden öffentlich-rechtlichen, vertreten wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Eurozone über einen Zeitraum von 20 Jahren hinaus nicht überleben wird, ist nach wie vor hoch, vielleicht über 50%.

Im Oktober 2012 versuchte ich mich an einer objektiven Bilanz des Euro und zog dabei die wirtschaftlichen Entwicklungen der USA und Großbritanniens als Vergleichsmaßstab zur Eurozone heran. 

Wirtschaft hat sich stark unterdurchschnittlich entwickelt

Die Kennzahlen sprachen damals weder besonders für noch gegen den Euro, entscheidend würde also die Frage sein, ob es gelingen würde die Strukturprobleme in den Griff zu bekommen ohne dabei mehr Arbeitslosigkeit und schwaches Wachstum zu verursachen.

Nach anderhalb Jahren erlaube ich mir nun eine erste Zwischenanalyse und versuche zu ergründen, ob der Euro oder die Wirtschaftspolitik der Eurozone für die Entwicklungen verantwortlich ist und war:

Im Gegensatz zu den Aktien und Anleihemärkten, die von niedrigem Niveau gestiegen und von Hoffnungen auf eine baldige Erholung getrieben werden, hat sich die wirtschaftliche Lage in der Eurozone im letzten Jahr stark unterdurchschnittlich entwickelt.

Die Arbeitslosigkeit verharrt auf einem hohen Level von 12% während sie in den USA von 7.8% auf 6.6% und in Großbritannien von 7.8% auf 7.1% gefallen ist. Auch beim Wachstum blieb die Eurozone mit -0,3% weit hinter den USA (2.7%), Großbritannien (2,8%) und Japan (2.4%) zurück.

Die schwache Wirtschaftsentwicklung lastet auch auf den öffentlichen Haushalten, das Defizit der Staatshaushalte in der Eurozone fiel von 4,2% in 2012 lediglich um 0,5 Prozentpunkte auf 3,7% in 2013. Im Vergleich dazu sank es in den USA von 8.5% auf 4,1% und in Großbritannien von 7,7% auf 6,1%.

Interessant für die langfristigen Aussichten des Euro ist nun, inwieweit diese Entwicklung mit dem Euro an sich zu tun hat und inwieweit möglicherweise vermeidbare Fehler oder Zufälle dafür verantwortlich waren. Ich denke es ist beides in etwa gleichem Ausmaße.

Die hohen Leistungsbilanzdefizite in den südlichen Staaten, sicherlich begünstigt durch die leichte Kreditvergabe dorthin innerhalb des Eurosystems, nährten Zweifel an deren Wettbewerbsfähigkeit (wobei eine Blase auch ohne den Euro möglich gewesen wäre, das Kapital floss auch in den US-Immobilienmarkt).

Diese Zweifel führten zur Kapitalflucht, die wiederum eine veränderte Wirtschaftsstruktur mit mehr Export erfordert. Hierbei ist der Euro ein Problem, denn er verhindert die schnelle relative Anpassung von Löhnen und Preisen nach unten, die einen größeren Exportsektor begünstigt hätte.

Diese nicht erfolgte relative Anpassung betrifft auch Kerneuropa, insbesondere Deutschland, wo der Exportsektor eine nicht nachhaltige Größe angenommen hat und ein Schwenk zu mehr Binnennachfrage wünschenswert wäre.

Der Euro ist auch ein Problem für das Bankensystem und den Immobilienmarkt in den südlichen Ländern, denn mit eigenen Währungen hätten die Immobilienpreise nominal deutlich weniger stark fallen müssen, weil die Währung abgewertet hätte. 

Ohne Euro hätten sich die Immobilienpreise daher bspw. in Spanien wohl deutlich schneller stabilisiert, die Erholung des Immobilienmarktes in Großbritannien ist ein Indiz dafür. Dadurch und auch durch die schnellere Anpassung der Wettbewerbsfähigkeit, wären inländische Bankverluste aufgrund notleidender Kredite geringer ausgefallen.

Auch die Tatsache, dass bei Staaten mit eigener Währung staatliches Insolvenzrisiko durch Inflationsrisiko ersetzt wird, hätte das Bankensystem der Peripherie stabilisiert, denn letzteres betrifft auch die Verbindlichkeiten der Banken (sofern sie nicht nur aus kurzfristigen Einlagen bestehen). Da Banken meist soviele Kredite vergeben, wie es ihnen die Bankenaufsicht aufgrund ihres Eigenkapitals erlaubt, haben die Verluste indirekt die Kreditvergabe reduziert.

Der Euro hat somit zu einer Bankenkrise in der Peripherie und zu einer Phase des Wartens auf Preisanpassungen beigetragen mit einer außerordentlich schwachen Binnennachfrage dieser Länder. Diese Schwäche der Nachfrage wird sichtbar im Leistungsbilanzüberschuss der Eurozone, welcher von 0,2% in 2011 auf etwa 2,5% in 2013 gestiegen ist.

Die Fragilität des Bankensystems unter diesen Bedingungen ist wohl der Hauptgrund für die Einführung einer Bankenunion. Allerdings muss man auch festhalten, dass die Banken im Kern bei Abwertung der Peripherie ohne Euro in der Folge des Platzens der Blase wohl höhere Verluste eingefahren hätten und sich das Problem damit z.T, nur verlagert hat.

Das schlechte Krisenmanagement der Eurostaaten hat aber ebenfalls stark zu den Problemen der letzten Jahre beigetragen. Probleme waren hierbei der einseitige Fokus auf Austerität in der Peripherie ohne kompensierende fiskalische Maßnahmen für stärkere Nachfrage im Kern und unzureichende geldpolitische Maßnahmen für die gesamte Eurozone. Diese resultieren nun auch in einer Inflation unter dem Zielwert von 2%, eine Entwicklung, die bereits im letzten Jahr abzusehen war.

Auch die Möglichkeit der fiskalischen Abwertung über unterschiedliche Mehrwertsteuersätze wurde nur sehr begrenzt genutzt. Stattdessen scheint das Mantra zu sein, dass alle Staaten so werden sollen wie Deutschland und angebotsorientierte Strukturreformen wie Hartz 4 zu mehr Wettbewerbsfähigkeit beitragen sollen, ein Konzept was für die Eurozone als Ganze nicht funktionieren kann.

Richtig ist jedoch sicherlich, dass es in einem Land wie Griechenland große Potenziale für Effizienzsteigerungen gibt, in dem Privilegien einzelner Berufsgruppen gestrichen werden und mehr Wettbewerb statt Abzocke ermöglicht wird.

Eurokrise wird für Anti-Staat-Agenda genutzt

Ein grundsätzliches Problem bei der Eurorettung sind die häufig interessengeleiteten irreführenden Erklärungsansätze für die Krise, die Eurokrise ist z.B. keine Staatsschuldenkrise, sie wird nur zum Teil genutzt um eine Anti-Staat Agenda durchzusetzen.

Ein wahrscheinlich unterschätzter Faktor bei der Entstehung der Krise ist hingegen der Zufall. So laufen die Wettbewerbsfähigkeiten der Volkswirtschaften auch deshalb auseinander, weil sich die Konkurrenzsituationen günstiger oder ungünstiger entwickelt haben.

Deutschland profitiert beispielsweise von der hohen Investitionsnachfrage aus China, während Italien eher von chinesischer Konkurrenz betroffen ist und Griechenlands Reederei in Folge der Wirtschaftskrise massiv an Wert verloren hat.

Fazit:
Der Euro wird die Wirtschaftskrise sehr wahrscheinlich überstehen, allerdings ist ein besseres und erfolgreicheres Krisenmanagement erforderlich, damit es bei der nächsten Krise nicht zu einem endgültigen Bruch kommt. Sollten die Krisenstaaten sich nicht in absehbarer Zeit erholen, wird der Anreiz bei einem erneuten Problem die Reißleine zu ziehen und nationale Währungen wiedereinzuführen deutlich größer, da dies insbesondere im Anschluss an eine Krise die Wettbewerbs/Banken/Immobilienproblematik z.T. löst.

Dies ist ein Repost vom Blog “Makrointelligenz” – vielen Dank, Max! Siehe zu diesem Thema auch “Die Zeit läuft ab”