Ist das die neue grüne Europapolitik?

Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin haben sich die Grünen fast alle wichtigen Posten in der Europapolitik gesichert. Doch die ersten Akzente, die die neuen grünen Amtsträger setzen, sind enttäuschend.

Für Aufsehen sorgte zunächst der frisch gebackene Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, S. Giegold. Der prominente frühere Europaabgeordnete fordert, EU-Naturschutzrichtlinien zu entschärfen – also abzuschwächen.

Giegold sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sobald ein Rotmilan in einem Planungsgebiet auftauche, könne dort im Prinzip nicht mehr gebaut werden. Dies müsse geändert werden, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien vorankommen solle.

Damit legt sich Giegold nicht nur mit dem europäischen Recht und der EU-Kommission, sondern auch mit den deutschen Naturschutzverbänden an. Die sehen nicht ein, dass der Klimaschutz zulasten des Umweltschutzes gehen soll.

Umstrittene Akzente setzt auch Außenministerin A. Baerbock. Sie kündigte ausgerechnet in Paris an, mit ihren EU-Partnern über einen möglichen Boykott der Olympischen Spiele in Peking reden zu wollen – dabei ist Frankreich dagegen.

Als erste offizielle Amtshandlung trug Baerbock dann beim G-7-Treffen in Liverpool eine scharfe Warnung an Russland mit. Moskau müsse mit “massiven Konsequenzen” im Falle eines Einmarschs in der Ukraine rechnen, erklärte Gastgeberin Liz Truss.

Völkerrechtlich ist eine solche Warnung umstritten – was die “gelernte Völkerrechtlerin” Baerbock eigentlich wissen müsste. Die Uno hält nichts von Sanktionen, wie sie nun geplant sind – etwa der Unterbrechung der Finanzströme nach Russland.

Die Uno hält auch nichts von der Behandlung, die dem Wikileaks-Gründer J. Assange in Großbritannien zuteil wird. Der Uno-Sonderberichterstatter für Folter, N. Melzer, wirft UK sogar vor, Assange “zu Tode zu foltern”.

Doch dazu sagt Baerbock – nichts. Stattdessen präsentiert sie sich stolz mit ihrem US-Amtskollegen A. Blinken, dessen Regierung Assanges Auslieferung in die USA fordert.

Ist das die neue grüne Europapolitik?

Siehe auch “EU schweigt zu Skandal-Urteil gegen Assange”

P.S. Auch mit der Klimapolitik nehmen es die Grünen nicht so genau, schreibt C. Reemtsma von “Fridays for Future” in der “taz”: Die Sorge, grüne Mi­nis­te­r*in­nen könnten die Klimaziele verfehlen, führte zur Absage an Sektorenziele; der Verkehr war wohl ohnehin nie Priorität; der CO2-Preis konnte aus Angst vor Benzinpreisprotesten gerne niedrig bleiben. All das zum historisch wichtigsten Zeitpunkt der deutschen Klimapolitik. Was für ein Tiefpunkt!