Drohung statt Diplomatie, grünes Spiel über die Bande – und Macron umwirbt Orban

Die Watchlist EUropa vom 14. Dezember 2021 –

Im Schlepptau der USA und der G-7-Staaten bereitet sich auch die EU auf massive neue Sanktionen gegen Russland vor. Im Mittelpunkt der Planungen stünden Wirtschaftssanktionen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bei einem Treffen der Außenminister am Montag in Brüssel. Die Strafen sind für den Fall vorgesehen, dass Russland die Ukraine angreifen sollte (die übrigens immer noch kein Mitglied der EU oder der Nato ist).

Moskau bestreitet kriegerische Absichten. Bei einem Videogipfel mit US-Präsident Joe Biden hatte Kremlchef Wladimir Putin erklärt, sein Land wolle Garantien, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen wird. Ohne Sicherheitsgarantien drohe ein Militärkonflikt, warnte Russlands stellvertretender Außenminister Sergej Ryabkow.

“Gefährlich wie die Kubakrise”

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Die Situation erinnere an die Kubakrise, so Ryabkow. Die Kubakrise im Oktober 1962 brachte die Großmächte USA und Sowjetunion an den Rand eines Atomkriegs. Ausgelöst wurde sie durch die Stationierung sowjetischer Atomraketen auf der Karibikinsel.

In Brüssel wurden die Äußerungen aus Moskau sehr unterschiedlich aufgenommen. “Wir sind überzeugt, dass Russland einen umfänglichen Krieg gegen die Ukraine vorbereitet“, sagte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis. Demgegenüber plädierte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn für Verhandlungen.

Die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock verwies auf verschiedene Instrumente, die der EU zur Verfügung stünden. Diese “gilt es auch in Zukunft zu nutzen”, sagte die Grünen-Politikerin in Brüssel. “Wir sind der stärkste Binnenmarkt der Welt“, fügte sie mit Blick auf mögliche Wirtschaftssanktionen hinzu.

Baerbock stößt auf Widerspruch

Im Gespräch sind neue Reise- und Vermögenssperren, aber auch die Abkoppelung Russlands vom Finanzdienstleister Swift oder der Stopp der Ostseepipeline Nord Stream 2. Baerbock hat sich wiederholt für ein Ende des Energieprojekts ausgesprochen.

Dem widersprach in Brüssel aber Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg. Nord Stream sei “fertig gestellt, jetzt sollten wir es auch verwenden”, sagte Schallenberg, der nach einem Intermezzo als Kanzler wieder Chefdiplomat ist.

Er halte es für “verfehlt”, die Pipeline immer wieder in Frage zu stellen, wenn es Probleme mit Moskau gebe. Wie Deutschland bezieht auch Österreich sein Erdgas aus Russland. In Wien setzt man aber noch auf Diplomatie – und nicht nur auf Druck und Drohungen…

Siehe auch “Ist das die neue grüne Europapolitik?”

P.S. Während sich die EU gegen Russland positioniert, übernehmen die USA das Ruder in der Ukraine. Die Europabeauftragte des US-Außenministeriums, Karen Donfried, will bis Mittwoch Verhandlungen mit hochrangigen Vertretern der Regierungen Russlands und der Ukraine führen – und die EU erst hinterher informieren. Es geht um Krieg und Frieden – und die Europäer müssen zuschauen

Watchlist

Wie geht es weiter mit dem EU-Klimaprogramm “Fit for 55”? Das will die EU-Kommission am Dienstag in Straßburg verraten. Die neue deutsche Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag stark an das EU-Fitnessprogramm angelehnt. Kritiker sagen, dass die Grünen auf diesem Wege versuchen, über die Brüsseler Bande zu spielen, falls sie sich daheim in Berlin nicht durchsetzen können…

Was fehlt

Das Liebeswerben von Frankreichs Macron um Ungarns Orban. Bei einem Besuch in Budapest, der der Vorbereitung der französischen EU-Ratspräsidentschaft diente, suchte Macron mögliche Kompromisse in der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Die EU findet seit 2015 keinen gemeinsamen Nenner – nicht zuletzt, weil Orban sich querstellt. Doch neuerdings schwenken Polen und viele andere EU-Länder auf seine harte Linie…