“EUropa schützt” – nicht in Italien
Erst tut man tagelang so, als wenn nichts geschehen wäre. Dann sieht man schweigend zu, wie die Krise außer Kontrolle gerät und auf andere Länder übergreift: In Italien versagt “die EU, die schützt”. Auch die EZB wirkt hilflos.
Nie wieder. Nie wieder dürfe es eine Kettenreaktion geben wie 2009-2012, als die Eurokrise wie ein Virus von einem Land auf das nächste übersprang. Das hatten sich die “Euro-Retter” geschworen. “Whatever it takes”, sagte EZB-Chef Draghi.
Doch nun passiert es wieder, genau wie damals. Die politische Krise in Italien wird von Medien und Märkten erneut dazu genutzt, Angst zu schüren – unabhängig von den Fakten, die gar nicht so dramatisch sind.
Und der “italienische Virus” springt sofort auf andere Euroländer über – Griechenland, Spanien und Portugal spüren es schon an höheren Spreads, die Deutsche Bank und die Commerzbank stehen an der Börse unter Druck.
Dabei sollten diese irrationalen Kettenreaktionen doch der Vergangenheit angehören. Die seit der Eurokrise mehrfach verschärften EU-Regeln und das Anleiheprogramm der EZB sollten die Märkte ruhig stellen.
Doch das tun sie nicht. Denn die Regeln und die EZB sind mit Schuld an der Panik – die Regeln sind zu strikt, das Anleiheprogramm setzt falsche Anreize zu Sorglosigkeit. Ein gefährlicher Mix, der sich nun entzündet.
All das war absehbar. Diverse Euro-Blaupausen (“Fünf-Präsidenten-Berichte”) haben davor gewarnt, Frankreichs Staatschef Macron hat Abhilfe vorgeschlagen. Doch Brüssel – und Berlin – haben alles ausgesessen.
Nun nutzen sie die Krise in und um Italien auch noch dazu, um Macrons Reformpläne auf den Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben. Man darf schon froh sein, wenn noch eine “Roadmap” übrig bleibt!
Auch EZB-Chef Draghi wirkt plötzlich ziemlich hilflos. Er hat den “Euro-Rettern” Zeit gekauft, sehr viel Zeit, sehr teure Zeit. Doch nun hat er kaum noch frisches Pulver, um die Märkte wieder zu beruhigen.
Die Lage ist ernst – und “die EU, die schützt”, von der Kommissionschef Juncker so gerne redet, wirkt wie ein Märchen aus längst vergangenen Zeiten. Vor allem, wenn man dem deutschen EU-Kommissar Oettinger zuhört…
Siehe auch “Oettinger gießt Öl ins italienische Feuer”
WATCHLIST:
- Was wird aus Oettinger? Nach den jüngsten verbalen Ausfällen des deutschen EU-Kommissars müsse Behördenchef Juncker die Reißleine ziehen, fordert Grünen-Politiker Bütikofer. “Auf gut baden-württembergisch muss deswegen die Antwort heißen: “Isch over.” Aber das kann sich Juncker kaum leisten, denn er hängt ja selbst am seidenen Faden…
- Im Europaparlament in Straßburg gibt es eine Debatte zur Zukunft Europas mit dem luxemburgischen Premier Bettel. Früher gehörte Luxemburg zur “Avantgarde” der EU, heute heute man nichts mehr aus dem Großherzogtum – leider!
- Am Rande einer OECD-Konferenz in Paris will Handelskommissarin Malmström am Mittwoch mit US-Handelsminister Ross zusammentreffen. Auch Bundeswirtschaftsminister Altmaier mischt wieder mit – es will “einen Deal”, doch welchen?
Siehe auch “Mauschelei in letzter Minute”
WAS FEHLT:
- Geld für deutsche Regionen. EU-Budgetkommissar Oettinger will an den Regionalfonds sparen, Deutschland soll auf rund 4 Mrd. Euro verzichten. Dafür darf Italien mit mehr Hilfe rechnen – Oettingers Fingerspitzengefühl ist legendär…
- Beweise im Fall Skripal. Ist wirklich Russland der Drahtzieher hinter dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Skripal? Die Linke befragte die Bundesregierung, doch die beruft sich auf die angeblich notwendige Geheimhaltung. Tzzz
Siehe auch “Neues von Skripal – trotz Zensur”
Thomas
30. Mai 2018 @ 10:21
Wir brauchen ein Europa der Vaterländer und gerade in Deutschland eine Renationalisierung.
Deutschland wird von der herrschenden Kaste zielstrebig aufgelöst in ein Investitions- und Siedlungsgebiet für jedermann, regiert nicht vom deutschen Bürger sondern von anonymen transnationalen Organisationen, UN, EU NGOs, etc.
Wir haben weder Demokratie noch Souveränität, nur die Illusiom davon.
Wenn Merkel endlich weg ist, wird sich schon allein deswegen vieles ändern.
Peter Nemschak
30. Mai 2018 @ 16:23
Ein Europa der Vaterländer ist weltpolitisch bedeutungslos. Also lassen wir diesen Unsinn den verirrten Wählern der AfD.
CS
30. Mai 2018 @ 10:16
Da haben Sie wohl recht. Die EU schützt im wesentlichen nur noch die Wirtschaftsinteressen einiger Kapitaleigner. Ich habe die Hoffnung inzwischen aufgegeben, dass die “Leithammel” in Deutschland endlich zur Einsicht gelangen, dass das fortgesetzte Verletzen von mathematischen Grundsätzen (Stichwort Leistungsbilanzüberschüsse) eben nicht dazu führt, dass die ökonomische Krise in der EU überwunden werden kann. Angesichts derart einfacher Zusammenhänge, die fortgesetzt ignoriert werden, muss man inzwischen von Vorsatz ausgehen. Wie Fuest, Sinn und Co. weiterhin Austerität fordern können, um Schulden abzubauen, ist völlig unverständlich. Schuldenstände (gemessen in % des BIP) können nur durch Wachstum abgebaut werden. Staaten haben noch nie Schulden zurückgezahlt, werden es nie und dürfen es auch nie. Sie müssen sie immer weiter verlässlich bedienen (was kein Problem ist, das zu erläutern hier aber den Rahmen weit sprengen würde), weil sonst die Ersparnisse der Privaten vernichtet würden. Woher also Wachstum? Geht nur durch Nachfrage. Wie wird Nachfrage verhindert? Durch Austeritätsmaßnahmen. Der Versuch zu “sparen” kann also nur in einer Erhöhung des Schuldenstands münden bzw. in einer Schrumpfung des Wirtschaftstätigkeit.
Die Geißel der EU ist der Euro. Die Regeln sind ökonomisch unsinnig, Deutschland ist uneinsichtig und fährt fort mit ‘Beggar-thy-neighbour’ (Neo-Merkantilismus). Am besten (für alle anderen) wäre es Deutschland verließe den Euro. Da dieser aber eigentlich geschaffen wurde um das Gebaren der Bundesbank und der deutschen Wirtschaftspolitik einzuhegen, schafft man ihn am besten ganz ab. Wenn es nicht möglich ist die Eurozonenmitglieder dazu zu bewegen sich an das Inflationsziel zu halten (kein dauerhaftes Überschreiten – aber eben auch kein UNTERschreiten, wie Deutschland das unfairerweise seit Beginn der Währungsunion macht), dann funktioniert eine Währungsunion eben nicht. Dann müssen Ungleichgewichte wieder (u. a.) über Wechselkurse ausgeglichen werden.
Winston
31. Mai 2018 @ 19:27
Good point