Heuchelei im Handelskrieg
Die angekündigten neuen US-Zölle auf Stahl und Aluminium lassen in Brüssel alle Alarmglocken schrillen. Die EU-Kommission warnt vor einem Handelskrieg und droht mit Vergeltung. Doch Vorsicht – dahinter steckt viel Heuchelei.
Denn zum einen hat die EU selbst erst vor ein paar Monaten Strafzölle auf chinesischen Stahl verhängt. Auszug aus einem SPON-Artikel:
Zum Schutz der heimischen Industrie hat die EU-Kommission die Importzölle auf bestimmte Stahlprodukte aus China angehoben (…) Mit den Maßnahmen sollten die EU-Hersteller vor Dumpingpreisen chinesischer Konkurrenten geschützt werden, teilte die EU-Kommission mit.
Die Maßnahmen von US-Präsident Trump sind der EU also nicht fremd. Auch die von Trump angesprochenen Probleme sind durchaus real – schließlich ist Europas Stahlindustrie fast verschwunden.
Zum anderen sind die nun angedrohten Vergeltungsmaßnahmen nur bedingt ernst zu nehmen. Ursprünglich waren Strafzölle auf Harleys und Bourbon vor allem dazu gedacht, Trump abzuschrecken.
Nachdem dies nicht geklappt hat, sollten wir uns keinen Illusionen hingeben: Die in Brüssel erwogenen Gegenmaßnahmen sind nur Maßnähmchen – sie reichen nicht aus, die USA wirklich zu strafen.
Zudem zögert die EU-Kommission, nun tatsächlich massive Vergeltung zu üben – denn das würde den Handelskrieg ausweiten und europäische Hersteller zusätzlich schaden…
P.S. Zur Heuchelei gehört auch, dass die EU nicht nur massive Handelsüberschüsse mit den USA erzielt, sondern diese sogar noch fördert. Deutschland, das nun am lautesten schreit, spielt dabei eine zentrale Rolle…
linda levante
10. März 2018 @ 05:34
Solange sich das Establishment im Westen über meinen Präsidenten aufregt, hat Trump alles richtig gemacht.
Ein Europäer
3. März 2018 @ 20:37
Ich möchte hier weder die USofA noch Trump in schutz nehmen, aber ich kann die Amerikaner verstehen. Seit 2010 die Amerikaner suchen nach eine Lösung wenn man so sagen will, und das über die übliche Diplomatische Wege. Man hat die EU-Partner sowohl bilateral sowie auch auf EU Ebene kontaktiert und kommuniziert. Also, nichts neues hier. Und was ist daraus gekommen? Nichts. Also was ich sagen will ist, wir sind die ganze Sache auch falsch angegangen.
Peter Nemschak
3. März 2018 @ 20:57
Was heißt falsch? Es gibt einen Grund, warum die Amerikaner auf manchen Gebieten nicht, auf anderen sehr wohl wettbewerbsfähig sind. Auf manchen Gebieten (High Tech) sind uns die USA weit voraus, auf anderen sind sie Entwicklungsland geblieben. Das kann man nicht Europa anlasten sondern dem amerikanischen Gesellschaftssystem. Es bleibt zu hoffen, dass es dem Wirtschaftsflügel der Republikaner gelingt, der Vulgärökonomik ihres Präsidenten Einhalt zu gebieten. Sie hilft langfristig nicht einmal seiner Unterschichtenklientel.
Baer
3. März 2018 @ 08:46
Vielleicht ist es Zeit für ein Reload der 30-er.Das Desaster hat nur ein Ende mit Schrecken,also lieber früher als
Später.Das gesamte Berufspolitikertum muss einEnde haben.Keinen A…..in der Hose bei ernsthaften Entscheidungen und Lobbytum ohne Ende.
Schluss damit!!!
Peter Nemschak
2. März 2018 @ 14:32
Es geht nicht darum, ob irgendwo auf der Welt die Stahlindustrie verschwindet sondern darum, ob die Regeln fairen Wettbewerbs, auf welche sich die Welthandelspartner geeinigt haben, eingehalten werden. Wenn sich ein Land beschwert fühlt, kann es Klage bei der WTO, einer multilateralen Organisation erheben. Was man den USA vorwerfen muss ist, dass sie den Weg des Multilateralismus verlassen haben, einen Weg, welcher der Welt jahrzehntelang Wohlstand gebracht hat. Mit Protektionismus werden alle verlieren. Den hatten wir schon in den 1930-iger Jahren mit üblen politischen Folgen.
Kleopatra
3. März 2018 @ 10:33
„Fairer Wettbewerb“ ist eine Ideologie, die die zugrundeliegenden Interessen maskieren soll, was immer schlechter funktioniert. Man kann daran glauben, aber verabsolutieren würde ich es nicht. „Fairness“ ist immer eine Frage der vereinbarten Wettbewerbsbedingungen (sollen zum Beispiel Hungerlöhne zulässig sein oder nicht? Wieviel Umweltzerstörung gilt als „fair und tolerabel“?), und die konkret vereinbarten Bedingungen sind daher eine Funktion der Interessen der Beteiligten. Zum Vergleich empfiehlt sich die EU-Entsenderichtlinie, bei der offen sichtbar wird, wie der Weg von abstrakten Prinzipien (Dienstleistungsfreiheit) zu praktischen Regelungen druchaus von den Interessen der Beteiligten abhängt.
Den von Ihnen postulierten engen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Protektionismus und politischen Katastrophen (Sie sehen anscheinend den zweiten Hitler um die Ecke grinsen) kann ich so nicht sehen. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zum Beispiel ist vielmehr dafür berühmt, dass die wirtschaftliche Globalisierung so weit ging, dass die meisten Beobachter sich einen großen Krieg gar nicht mehr hätten vorstellen können. Was ein fataler Irrtum war.
linda levante
10. März 2018 @ 05:44
Von welchem fairen Wettbewerb sprechen Sie eigentlich? Millionenfach wurde gegen Titip und Ceta demonstriert, eben weil die Handelsabkommen unfair sind.
Gott sei Dank hat sich mein Präsident von multilateralen Beziehungen verabschiedet und den bilateralen Beziehungen zugewandt.
“Ein Weg der jahrzehntelang Wohlstand gebracht hat”, Sie meinen wohl jahrzehntelang die Armut vergrößert und manifestiert hat.
Aus Ihnen sprudeln Maischberger, Illner, Lanz und Konsorten heraus. Sie sollten mal den Fernseher abschalten und selber nachdenken.
Kleopatra
3. März 2018 @ 10:46
Die Meinung, dass es egal ist, ob in einem Land die Stahlindustrie verschwindet, kann man (abgesehen von Fällen ideologischer Verblendung) nur vertreten, wenn einem das Schicksal dieses Landes überhaupt egal ist. Als veranwortlicher Politiker kann man sich diese Ansicht nicht leisten.
Möglicherweise hatten aber die amerikanischen Stahlarbeiter den Eindruck, dass der Kandidatin Hillary Clinton das Verschwinden der amerikanischen Stahlindustrie egal wäre (dafür gab es wohl Indizien), und das Ergebnis haben wir im November 2016 gsehen.