Gegen Brüderle’s Rating (Update)

Nach seinem persönlichen Downgrading möchte dieser Herr nun Europa retten

Während Berlin und Brüssel noch zögern, prescht FDP-Fraktionschef Brüderle mit dem Vorschlag für eine europäische Rating-Agentur vor. Sie soll „unabhängig und privat finanziert“ sein und sich auf eine Initiative der Unternehmensberatung Berger stützen, heißt es im „Handelsblatt“. Außerdem fordert Brüderle, die Ratingagenturen für „grob fahrlässiges Fehlverhalten“ haftbar zu machen.

Das klingt gut, wird in der Praxis aber kaum funktionieren. Will man die Analysten etwa für die Euro-Krise verantwortlich machen, nachdem sie Griechenland, Portugal und zuletzt auch Irland systematisch in Grund und Boden geratet haben? Eine solche Haftung gibt es zwar bereits im EU-Recht, doch sie lässt sich kaum anwenden. Sinnvoller wäre es, den Ratings den quasi amtlichen Status zu nehmen, durch den Banken, Versicherungen und andere Investoren bisher gebunden sind. 

Noch bedenklicher an Brüderles Vorstoß ist, dass er offenbar nicht auf eine wahrhaft europäische, sondern auf eine deutsche Ratingagentur hinauslaufen soll – oder auf ein Institut, in dem deutsche Unternehmen das Sagen haben. Dies würde nämlich dazu führen, die Bonität deutscher Konzerne und Staatsanleihen systematisch überzubewerten – und dementsprechend andere EU-Länder gering zu schätzen. 

Schon jetzt gelten deutsche Anleihen auf den internationalen Märkten als Referenz, an der die europäischen Krisenstaaten gemessen werden (z.B. bei den so genannten Spreads). Ein Rating mit deutscher Brille könnte diese Tendenz noch verstärken – und zum Problem für Länder wie Italien oder Frankreich werden, die sich noch nicht der deutschen Stabilitätskultur (bzw. dem deutschen Sparwahn) verschrieben haben.

Das Problem in der Euro-Krise ist ja nicht nur, dass die US-Ratings für Krisenländer wie Griechenland schlecht ausfallen. Das Problem ist auch, dass die Analysten Deutschland – und nicht etwa die USA – zum Maßstab nehmen. Würde man Griechenland mit den USA oder sogar mit einzelnen US-Bundestaaten vergleichen, stünde es sogar noch relativ gut da!

Auch ein Vergleich mit dem deutschen Pleiteland Berlin könnte Athen zum Vorteil gereichen, aber das nur nebenbei.

Ein Rating von Brüderle‘s Deutschland-Connection wäre vor diesem Hintergrund kaum objektiver als eines von Moody‘s oder von S&P. Sinn macht eine EU-Ratingagentur nur, wenn sie tatsächlich europäisch ist, also alle EU- oder Euroländer repräsentiert und auch die Besonderheiten der Eurozone und ihrer Rettungsbemühungen berücksichtigt. Zugleich müsste sie unabhängig von privaten wie staatlichen Einflüssen sein – was einer Quadratur des Kreises gleichkommt.

Aber zum Glück gibt es in Brüssel ja eine Institution, die auf solch knifflige Probleme spezialisiert ist und auf alles eine Antwort weiß. Dummerweise scheint sie gerade in Tiefschlaf versunken zu sein – oder, Herr Barroso?

 

Nachtrag 18.7.11

Jetzt soll auf einmal alles ganz schnell gehen: Schon Ende des Jahres soll ein Konsortium für eine europäische Rating-Agentur stehen, meldet SPON. Dahinter steckt, wie zu erwarten war, die Unternehmensberatung Roland Berger – mit tatkräftiger Unterstützung der deutschen Finanzbranche. Auf die europäischen Partner darf man gespannt sein…

 

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