Frieden ist kein Thema, Öl und Gas aus Russland – und Streit um Agrarpolitik

Die Watchlist EUropa vom 23. März 2022

Was plant die EU bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag, zu dem US-Präsident Biden geladen wurde? Sie will über den russischen Krieg in der Ukraine sprechen, natürlich. Er dürfte sogar das alles beherrschende Thema werden. Im Entwurf für die Gipfelerklärung steht die “Russian military aggression against Ukraine” ganz oben, ihr ist ein eigenes Kapitel mit neun Unterpunkten gewidmet. Doch die Worte “Frieden” und “Diplomatie” tauchen nicht auf.

Erst werden die russischen Rechtsbrüche und Kriegsverbrechen gebrandmarkt. Dann geht es um humanitäre Korridore. Erst im dritten Absatz wird Russland aufgefordert, den Militäreinsatz sofort zu beenden und alle Truppen abzuziehen.

Danach müsste eigentlich ein Absatz zu den laufenden Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew um einen Waffenstillstand kommen. Und zur Rolle der EU. Sinn würde auch ein Satz zu einem möglichen Friedensprozess machen. Doch nichts davon.

“The European Union stands by Ukraine and its people”, beginnt der vierte Absatz. Danach geht es um die Flüchtlinge, die Strom- und Gasversorgung der Ukraine (die Russland nicht unterbrochen hat, doch nun will die EU übernehmen), und um einen Solidaritätsfonds.

Diplomatie? Fehlanzeige

Diplomatie? Kein Thema. Frieden? Fehlanzeige. Eine neue Sicherheitsordnung für Europa? Steht nicht auf der Agenda.

Stattdessen geht es im 2. Kapitel um den neuen “Strategischen Kompass” und die Aufrüstung. Danach kommt die Energie und die Aufforderung, die Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland “so schnell wie möglich” zu beenden.

Von Energiesanktionen ist (noch) nicht die Rede, doch das dürfte sich ändern. Schließlich lassen die USA, die Ukraine, Polen und Balten nichts unversucht, um die EU zu einem Embargo zu drängen. Noch halten Deutschland und Ungarn dagegen. Doch wie lange noch?

Sanktionen ohne Wirkung

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Vergebens sucht man auch eine Bewertung der bisherigen Sanktionen. In vier Wochen hat die EU bereits vier Sanktionspakete verabschiedet – ohne erkennbare Wirkung auf das Kriegsgeschehen. Wäre es nicht Zeit, Bilanz zu ziehen und die Strategie zu definieren?

Sanktionen sind, wie man weiß, ein zweischneidiges Schwert. Sie treffen nicht nur den Bösewicht, sondern meist auch ihre Urheber. In diesem Fall ist es noch komplizierter. Die Strafen gegen Russland treffen die USA kaum, dafür Deutschland und die EU umso härter.

Doch in Brüssel ist davon keine Rede. Ich habe mehrere Diplomaten gefragt, welche Strategie denn hinter den Sanktionen stehe. Antwort? Keine. Außer “Putin strafen” und “Russland isolieren” kam – nichts.

Die EU hat keinen Plan

Die Europäer lassen sich von den Amerikanern treiben, einen eigenen Plan haben sie nicht.

Dabei gehört zu jedem “gut geführten” Krieg auch ein Plan, wie man da wieder rauskommt. Die EU müsste überlegen, ob und wie sie Kremlchef Putin eine Brücke bauen kann. Und sie müsste definieren, wann und wie die Sanktionen zurückgenommen werden können.

Im Gipfelentwurf steht nichts davon…

Mehr zum Ukraine-Krieg hier

P.S. Ausgerechnet die Türkei ist weiter als die EU. Sie fordert, alle Anstrengungen auf einen Waffenstillstand in der Ukraine zu richten. Dies solle das Thema beim Nato-Gipfel sein, so Außenminister Cavusoglu. Vom EU-Gipfel redete er nicht…

Watchlist

Wie will die EU die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl verringern? Dazu legt die EU-Kommission am Mittwoch erste Vorschläge vor. Die Brüsseler Behörde will die Gasspeicher zu 90 Prozent füllen und bis zum Jahresende zwei Drittel der Gasimporte einsparen. Doch wie, das hat sie bisher nicht verraten…

Was fehlt

Der Frust der Öko-Landwirte. Sie hatten, wie TV-Köchin Sarah Wiener, auf die neue “Farm to fork”-Strategie der EU gesetzt. Doch die wird nun nach und nach einkassiert, um die die drohende Nahrungsmittel-Knappheit zu bekämpfen. Zwei EU-Gesetze – die neue europäische Pestizidverordnung und ein Renaturierungsgesetz – wurden auf unbestimmte Zeit verschoben.