Flüchtlingsdeal 2.0 – diesmal mit Tunesien
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Tunesien ein Milliarden-Programm in Aussicht gestellt. Ziel: Die Bootsflüchtlinge zurückhalten und für “Stabilität” in dem autoritär regierten Land zu sorgen.
Nach Gesprächen mit Ministerpräsidentin Najla Bouden sagte die CDU-Politikerin, dazu gehörten bis zu 1,05 Mrd. Euro für den defizitären tunesischen Staatshaushalt, Investitionen in die digitale Infrastruktur, 300 Mill. Euro für Erneuerbare Energien.
Und es geht um 100 Millionen Euro für Such- und Rettungsaktionen auf See und zur Bekämpfung von Menschenschmuggel. Das ist der wichtigste Teil des Pakets.
Andernfalls hätte von der Leyen weder die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni noch den niederländischen Regierungschef Mark Rutte mitnehmen müssen. Meloni fordert einen Tunesien-Deal, um den wackligen EU-Asylkompromiss mittragen zu können.
Und Rutte war schon beim schmutzigen Flüchtlingsdeal mit der Türkei dabei – damals noch mit Ex-Kanzlerin Merkel. Die wurde nun durch von der Leyen ersetzt…
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Allerdings ist unklar, ob der Flüchtlingsdeal 2.0 funktioniert. Tunesien wird zwar – genau wie die Türkei – autoritär regiert. Doch dort gibt es soziale Unruhen, die sich auch gegen den Westen und die EU richten.
Präsident Kais Saied erklärte, sein Land werde keine Grenzpolizei der EU sein. “Wir können keine Rolle erfüllen, (…) in der wir ihre Länder bewachen”, sagte Saied nach einem Besuch in der Küstenstadt Sfax, von wo aus regelmäßig Boote mit Migranten ablegen…
Mehr zur Flüchtlingskrise hier
P.S. Die CDU-Politikerin von der Leyen steht unter Druck der Post-Faschistin Meloni – aber auch von CSU-Mann Weber, der die konservative EVP immer näher an Meloni heranziehen will und in der Migrationspolitik einen harten Kurs fährt. Wohl auch deshalb verteilt sie so locker das EU-Geld…
No word about the abolition of democracy, repression, crackdown on political opposition and civil society, inciting racial violence, and everything else that contributes to making the lives of Tunisians miserable.. https://t.co/jqqBkXrpsN
— Mariam Salehi (@MariamSalehi) June 11, 2023
KK
12. Juni 2023 @ 14:22
@ european:
“Unterstützt werden damit Menschenhandel, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Sklavenhandel und vieles mehr.”
Unsere “wertebasierte” Ordnung halt… von “Fluchtursachen bekämpfen” spricht heute auch keiner mehr, es geht nur noch um Mauern, Zäune und Geld für (korrupte) Autokraten und Warlords.
european
12. Juni 2023 @ 10:49
Libyen reloaded?
The Grayzone hat im April über die Untersuchungsergebnisse der Vereinten Nationen in Libyen berichtet und festgestellt, dass die EU mit $455 Mio u. a. die libysche Küstenwache und andere Regierungsorganisationen “unterstützt” um die Flüchtlinge jenseits des Mittelmeeres festzuhalten. Unterstützt werden damit Menschenhandel, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Sklavenhandel und vieles mehr.
https://thegrayzone.com/2023/04/17/enslavement-african-migrants-libya-eu-funding/
“The UN investigator, Professor Beyani, blamed Libya’s current crisis on a “contestation for power,” alluding to the power vacuum the West created in Libya with its regime change war while avoiding any direct reference to it. Human Rights Watch has also veered away from discussion of NATO’s 2011 intervention in its coverage of the UN report, which it described as “brutal and damning.”” (Anm: Soviel zum Friedensbündnis NATO)
und weiter:
“The UN report estimates that more than 670,000 migrants were present in Libya during parts of its investigation.”
Der Bericht der Vereinten Nationen findet sich hier:
https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/03/libya-urgent-action-needed-remedy-deteriorating-human-rights-situation-un
Ich wünschte mir auch eine andere Regierung in Italien, aber diese ganze Misere allein Meloni in die Schuhe zu schieben, halte ich nicht nur für extrem unfair, sondern auch für falsch. Die Probleme u.a. auf Lampedusa sind seit Jahren – Jahrzehnten bekannt und es ist u.a. diese verfehlte Politik, die die Melonis, LePens etc. Europas erst haben groß werden lassen. (AFD aktuell bei 20%). Außerdem sollte jeder, der so die Nase über die Südländer rümpft, einfach mal dorthin fahren, sich das Ausmaß dieses ganzen Dilemmas vor Ort ansehen, und dann noch mal schlaumeiern.
Die Zusammenhänge zwischen den Kriegseinsätyen des Friedensbündnisses NATO und den Fluchtbewegungen in Richtung EU sind nicht nur klar ersichtlich, sondern werden vor jedem Kriegseinsatz mit berechnet. Politische Destabilisierung, Kosten, wirtschaftliche Probleme in Europa durch diese Fluchtbewegungen sind kein Zufallsereignis, sondern beabsichtigt.
Und wieder fällt mir von Dohnanyi ein: Die US Administration führt ihre Kriege in der ganzen Welt und zuhause klirrt nicht eine einzige Fensterscheibe.