Eine hoffnungslos zerstrittene “Union”

Was bleibt von der EU-Politik der letzten Woche? Vor allem der Streit auf dem Brüsseler Finanzgipfel, der tiefe Gräben offenbart hat. Und dann wäre da noch der Krieg in Libyen: Deutschland und Frankreich drohen mit Sanktionen – nur wem?

Schwierig, die Bilanz einer Woche zu ziehen, die den “Wiederaufbau” nach Corona besiegeln sollte – und im Streit um Hilfsgelder und Reformen endete. Die Rede ist natürlich vom EU-Gipfel, der beim Schreiben dieseas Blogposts immer noch andauerte und bereits mehrfach auf der Kippe stand.

Als Gewinner stehen bisher nur die „Frugal Four“ da, die geizigen vier EU-Länder Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden. Sie haben Kanzlerin Merkel und Gipfelchef Michel vor sich hergetrieben und das geplante 750 Milliarden Euro schwere Corona-Hilfsprogramm arg gerupft.

Das ließe sich noch verkraften, hätte der Gipfelstreit nicht erneut tiefe Gräben offenbart. Es stehen nicht mehr nur Nord gegen Süd und Ost gegen West. Es gab auch eine Revolte gegen das deutsch-französische Gespann, und den Futterneid bei Coronahilfen und Beitragsrabatten.

Diese “Union” ist hoffnungslos zerstritten; nicht einmal mehr das Wertefundament von Demokratie und Rechtsstaat steht noch fest. Auf die deutsche “Führung” sollte man in dieser Situation nicht hoffen; Merkel hat sich bei diesem Gipfel als planlos und überfordert erwiesen.

Das zweite wichtige Ereignis dieser Woche war die Zunahme von Corona-Infektionen. In Spanien, Frankreich und Belgien wird schon offen vor einer “zweiten Welle” gewarnt, das Tragen von Masken wird immer mehr zur Pflicht. Auch in Deutschland steigen die Werte wieder.

Doch die EU hat sich erneut als unfähig erwiesen, auf die wachsende Gefahr gemeinsam und koordiniert zu reagieren. Wieder macht jedes Land, was es will. Wieder kommen hilflose Appelle von einer EU-Kommission, die noch nicht einmal ihr eigenes Versagen aufgearbeitet hat.

Und dann war da noch eine Überraschung: Deutschland, Frankreich und Italien haben ausländischen Mächten in Libyen mit Sanktionen gedroht. In einer gemeinsamen Erklärung riefen Berlin, Paris und Rom “alle libyschen Parteien ebenso wie ihre ausländischen Unterstützer dazu auf, unverzüglich die Kampfhandlungen und die militärische Aufrüstung im ganzen Land einzustellen.”

Doch wen sie im Visier haben, ließen Merkel, Macron und Conte offen. Dabei ist klar, wer am meisten Waffen in das Bürgerkriegsland schafft: der Nato-“Partner” Türkei. Sultan Erdogan träumt von einem neo-osmanischen Reich und schickt neben Waffen auch ehemalige Kämpfer des IS.

All dies ist hinreichend belegt, Frankreich und Italien haben schon unangenehme militärische Erfahrungen mit den Türken gemacht. Doch Deutschland will sich nicht mit der Türkei anlegen – schließlich ist Erdogan ja einer der wichtigsten – und dankbarsten – Abnehmer deutscher Waffen…

Alles zur Türkei hier

P.S. Im Eifer des Gipfel-Gefechts haben wir die Niederlage der EU-Kommission gegen Apple und Irland im Streit um nichtgezahlte Steuern völlig vergessen. Sie zeigt, wie schwer es ist, innerhalb der EU eine faire Besteuerung zu sichern – aber das ist im Grunde nichts Neues. Es erhärtet den Befund einer zerstrittenen und durch nationale Interessen blockierten “Union”…

Hinweis: Dies war die letzte Wochenbilanz für diesen Sommer. Weiter geht’s im September!