Etwas mehr Demut, please

Mehrere Tage nach der Präsidentschaftswahl in den USA gibt es immer noch kein Ergebnis. In Europa wird dies mit ungläubigem Staunen, aber auch mit Hochmut und Hohn kommentiert. Dabei stünde uns mehr Demut an, gerade in der EU.

Schließlich gab es auch nach der Europawahl im Mai 2019 eine lange und quälende Hängepartie. Das Europaparlament war nicht in der Lage, sich auf einen Kandidaten für die EU-Kommission zu einigen, der Europäische Rat überging das Parlament.

Die europäische Demokratie steckt selbst in einer tiefen Krise, wie wir in Großbritannien, Frankreich oder Italien sehen. In Frankreich ist das Parteiensystem komplett zusammengebrochen, der Präsident wird nicht ewig Macron heißen.

In Polen, Ungarn, Bulgarien und auf dem Balkan haben wir es mit autoritären, “illiberalen” oder dysfunktionalen Systemen zu tun. Dennoch will der deutsche EU-Vorsitz den gesamten Balkan aufnehmen, auch von der Türkei lässt man nicht ab.

Klar, es gibt auch Gegenbewegungen. Gerade erst hat man sich auf einen neuen Rechtsstaats-Mechanismus für das EU-Budget geeinigt. Doch wer glaubt, dass damit die Korruption besiegt und die Demokratie gerettet wird, macht sich etwas vor.

Was in den USA passiert ist bzw. noch passiert, kann auch in EUropa geschehen. Der Trumpismus ist nicht tot: Bei dieser Wahl hat Trump mehr Stimmen eingefahren als vor vier Jahren – und er hat viele Fans in EUropa, nicht nur in Slowenien!

Vielleicht sollten wir uns daran erinnern, dass das erste rechtpopulistische Regime der Nachkriegszeit in Italien errichtet wurde, unter Berlusconi. Der Berlusconismus stand Pate für den Trumpismus – und Il Cavaliere wurde zweimal wiedergewählt…

Siehe auch “Die verdrängte Krise” und “Wie die europäische Demokratie unter die Räder kam”

P.S. Nach der Europawahl hatten die EU-Chefs versprochen, die Probleme mit einer Zukunftskonferenz und Bürgerbeteiligung zu lösen. Wir warten immer noch darauf, der deutsche EU-Vorsitz schiebt die Demokratie-Reform vor sich her…