Ein unmoralisches Angebot, eine unschöne Absage – und “tödliche Missachtung”

Die Watchlist EUropa vom 27. Mai 2021 –

Die EU-Kommission hat 130 Millionen Impfdosen für Kinder eingekauft – und tut nun so, als sei dies nur ein unverbindliches Angebot. Ob man Kinder impfen solle, sei eine wissenschaftliche Frage, keine politische Entscheidung, sagte Behördenchefin von der Leyen.

“We need scientific advice on whom to vaccinate, how to vaccinate and in what order,” said von der Leyen, adding: “It’s not a political decision, it’s clearly [an] evidence-based, scientific decision.”

Politico

Damit macht sich die studierte Medizinerin einen schlanken Fuß. Zum einen hat sie sich persönlich für den neuen Megadeal mit BionTech und damit für die Bestellung der 130 Millionen Dosen für Kinder eingesetzt. Das war eine hochpolitische Entscheidung.

Spahn schafft Fakten

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Zum zweiten schafft sie mit dem Kauf nicht nur Erwartungen, sondern teilweise auch Fakten. So schwört Bundesgesundheitsminister Spahn die Deutschen schon jetzt darauf ein, ihren Nachwuchs vor dem nächsten Schuljahr impfen zu lassen – natürlich “freiwillig”.

Deutschland schafft bereits die nötige Infrastruktur, andere Länder wie Frankreich oder Belgien planen Ähnliches. Wenn das “Angebot” erst einmal steht, schafft es die Nachfrage selbst – oder Spahn & Co. helfen nach, mit den üblichen “Sensibilisierungs”-Kampagnen.

Last but not least weiß von der Leyen nur zu gut, dass es Streit über die Frage gibt, ob die Beschaffung von Vakzinen für Kinder moralisch vertretbar ist – angesichts der Tatsache, dass in den meisten Ländern noch nicht einmal das medizinische Personal geschützt ist.

“Besser nach Indien geben”

Die internationale Debatte tobt seit Wochen – und hat längst auch Europa erreicht. Wenn ein Land gut geschützt ist, wäre es besser, zusätzliche Impfstoffe etwa nach Indien zu geben, statt auch noch die Kinder zu spritzen, heißt es auf der “Deutschen Welle”.

Beate Kampmann from the London School of Hygiene and Tropical Medicine argued that there was thus a good case for putting the vaccine to use elsewhere. “If the virus no longer spreads in one society and vulnerable groups are vaccinated, more suffering can be avoided by passing on the vaccine to COVID-19 hotspots such as India than by vaccinating teenagers here.”

DW

Brüssel tut jedoch so, als habe man die Kritik nicht gehört. Der EU-Gipfel beschloß, dass 100 Millionen Impfdosen an arme Länder gespendet werden sollen – wohl wissend, dass dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, und sogar weniger als für Kinder in EUropa.

Gleichzeitig warten von der Leyen, Spahn & Co. sehnsüchtig auf die Freigabe des BionTech-Vakzins für Minderjährige – am Freitag soll es so weit sein…

Siehe auch “Neue Impfstrategie: Plötzlich will die EU auch Kinder impfen”

Watchlist

Wendet sich nach Großbritannien auch die Schweiz von der EU ab? Diese Frage steht im Raum, nachdem die Regierung die Verhandlungen über einen geplanten Rahmenvertrag beendet hat. Es habe keine Einigung über entscheidende Punkte gegeben, sagte der Schweizer Präsident Guy Parmelin am Mittwoch in Bern. Er habe EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen persönlich per Telefon informieren wollen, aber von der Leyen habe das Gesprächsangebot nicht angenommen, sagte Parmelin. – Mehr hier

Was fehlt

Der UN-Bericht mit dem Titel “Tödliche Missachtung”. Darin wirft die Uno der EU schwere Versäumnisse bei der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer vor . Derzeit würden “das Leben, die Sicherheit und die Menschenrechte der Menschen, die versuchen, von Afrika nach Europa zu gelangen”, nicht ausreichend geschützt. Dies sei eine Folge von politischen Entscheidungen und Vorgehensweisen der libyschen Behörden sowie der Mitgliedstaaten und Institutionen der EU. Brüssel wollte das lieber nicht kommentieren…