Diese (falschen) Prämissen liegen der Aufrüstung der EU zugrunde
Der Kriegsgipfel in Brüssel soll eine massive Aufrüstung der EU einleiten. Selbst Ungarn und das neutrale Irland sind dafür, Österreich will auch mitmachen. Dabei liegen den Plänen fragwürdige oder falsche Prämissen zugrunde.
- Die Ukraine verteidigt Europa: Diese Behauptung wurde beim EU-Gipfel wie ein Mantra wiederholt. Doch sie ist falsch. Die Ukraine verteidigt sich selbst – mithilfe der USA, der Nato und der EU, weshalb der Krieg zum Stellvertreterkrieg wurde. Das Land dient jedoch nicht als “Bollwerk” – denn bisher ist kein Versuch Russlands bekannt, über die ukrainischen Grenzen hinaus anzugreifen. Das russische Militär konnte nicht einmal Kiew erobern…
- Russland ist eine Bedrohung für Europa. Dies hat Frankreichs Staatschef Macron behauptet – ohne Beweise zu liefern. Es gibt zwar zahlreiche Hinweise auf einen “hybriden Krieg” Russlands in Europa. Cyberangriffe und ähnliche Attacken sind aber vor allem eine Antwort auf den Wirtschaftskrieg, den die Europäer gegen Russland führen. Eine akute militärische Bedrohung gibt es nicht, wie sogar Nato-Chef Rutte erklärt hat.
- Wenn die Ukraine fällt, ist das Baltikum als Nächstes dran. Das insinuieren vor allem osteuropäische Politiker wie die EU-Außenbeauftragte Kallas oder Polens Regierungschef Tusk immer wieder. Auch dafür gibt es keine Beweise. Die baltischen Länder sind Mitglieder der Nato und als solche von Artikel 5 des Bündnisvertrages geschützt. Die Nato hat ihre Positionen in Osteuropa massiv ausgebaut, so daß ein Angriff selbstmörderisch wäre.
- Ein “Diktatfrieden” in der Ukraine wäre ein gefährlicher Präzedenzfall. Ein Friedensschluss gegen den Willen der Ukrainer wäre in der Tat gefährlich – der Konflikt würde weiter schwelen. Allerdings gab es in der Geschichte schon viele ähnliche Fälle. Das fängt beim Koreakrieg an und reicht bis zum Krieg um den Kosovo in den 90er Jahren. Hier haben EU und Nato selbst die Grenzen verschoben und ein “Diktat” verhängt.
- Die USA könnten die Nato verlassen. Diese Sorge steht im Mittelpunkt der Bemühungen um eine “Wiederbewaffnung”. Allerdings gibt es bisher keine Indizien dafür, dass Trump die Allianz tatsächlich aufkündigen will. Der designierte US-Botschafter bei der Nato, M. Whitaker, sagte, man stehe “felsenfest” zum Bündnis. Allerdings müssten die Alliierten noch mehr aufrüsten. Genau das tun sie – wie Trump befiehlt…
Siehe auch Trump spielt EU-Hardlinern in die Hände und Die widerlegten Thesen der Kriegstreiber
P.S. Dass wir es mit einem Stellvertreterkrieg zu tun haben, hat nun auch US-Außenminister Rubio eingeräumt. Auf “Fox News” sagte er, der Konflikt in der Ukraine sei ein “Stellvertreterkrieg zwischen Atommächten – den USA, welche die Ukraine unterstützten, und Russland”, und dass dieser beendet werden müsse. Wenn die – immer noch umstrittene – These stimmt, haben es die USA tatsächlich in der Hand, den Krieg zu beenden…
HL Hausen
10. März 2025 @ 22:17
Wie wäre es wenn man zunächst mal einem zuhört der die Geschehnisse als UN Berater miterlebt hat?
‘Europe needs an independent foreign policy’: Professor Jeffrey Sachs at European Parliament
https://www.youtube.com/watch?v=u4c-YRPXDoM
Es ist weiterhin sicher sinnvoll sich selber in die Archive zu setzen und die Originale zu sichten.
Dann wird jede Diskussion nüchterner und evtl. konstruktiv im humanistischen Sinn.
Kleopatra
7. März 2025 @ 13:12
@Ralf Krämer, @ebo e tutti quanti, die meinen, ich solle mich an offizielle Verlautbarungen Moskaus halten: Wenn man nach den offiziellen Äußerungen der Staaten ginge, hätten vermutlich die meisten Kriege der jüngeren Vergangenheit nie stattgefunden, weil kein Staat mehr offen sagt “heute nacht haben wir unseren Nachbarstaat heimtückisch überfallen”. Das völkerrechtliche Verbot des Angriffskriegs führt leider vor allem dazu, dass die Aggressorstaaten passende Lügen verbreiten. Aus diesem Grund halte ich andere Indizien, zum Beispiel, was russische Regierungspropagandisten für den Hausgebrauch absondern, für relevanter. Medvedev ist übrigens stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats und insofern ist sein Gekläff höchst relevant.
Das Recht jedes europäischen Staates, Militärbündnissen beizutreten oder nicht beizutreten, wurde bereits 1975 von der Sowjetunion in der Helsinki-Schlussakte anerkannt, und das muss natürlich auch für den Staat gelten, der die Rechtsnachfolge der UdSSR beansprucht. Die Sowjets haben damals natürlich nicht begriffen, dass sie ihr eigenes Todesurteil unterschrieben hatten…
Helmut Höft
7. März 2025 @ 12:38
„Wenn die Ukraine fällt, ist das Baltikum als Nächstes dran.“ Dominotheorie 2.0? Ist schon mal krachend gescheitert: Let’s try it again! m(
Btw.: Denk‘ ich an das Baltikum, fällt mir die Ukraine ein: Wie gehen die Völker im Baltikum mit ihren teils zahlreichen russischsprachigen Minderheiten um? Genauso wie die Ukraine??
„Die USA könnten die Nato verlassen.“ Bitte, bitte heute noch: „Ami go home and stay home!“
Btw.: Obwohl ich grds. Pazifist bin, sehe ich die realpolitische *kotz_würg_achz* Notwendigkeit zur eigenen „klingenden Wehr“ ein. Aber doch nicht mit amerikanischem Schoiß!! Wenn schon, dann muss auch die diesseitige Rüstungsindustrie (noch einmal *kotz_würg_achz*) ertüchtigt werden! Mit amerikanischem „Altmetall“ kommt niemand weit, Beispiel: https://de.wikipedia.org/wiki/Lockheed_Martin_F-35#Kritik
„Ein “Diktatfrieden” in der Ukraine wäre ein gefährlicher Präzedenzfall.“ Präzedenzfall? Akute Amnesie? = Business as usual! Wir denken an den „Friedens“vertrag von Versaille und den Kommentar von John Maynard Keynes dazu, lakonisch: „Der nächste Krieg ist vorprogrammiert!“ Yepp, hat funktioniert, so funktioniert das immer!
@Ralf Krämer, @Skyjumper, @ebo
FACK! (sonst treten am Ende auch noch die Mongolei und Ruanda bei!)
Und die Propaganda hierzulande? *Hilfe* Himmel hilf!!
Kleopatra
7. März 2025 @ 07:13
Selbstverständlich hat die Ukraine zunächst sich selbst verteidigt. Gleichzeitig kämpft sie dadurch logisch notwendigerweise für das Verbot des Angriffskrieges, das Recht, der EU und der NATO nach eigenem Gutdünken beizutreten, sie wehrt sich gegen einen Feind, der das humanitäre Kriegsvölkerrecht systematisch missachtet und sich offen zu genozidalen Intentionen bekennt (siehe D. Medvedevs Aussage, dass alle Ukrainer die Wahl hätten, entweder einzusehen, dass sie Russen seien, oder umgebracht zu werden)… Die größeren Kriegsziele ergeben sich somit aus der Art des angreifenden Feindes (und die Russenpropaganda stellt die Chose auch als Weltanschauungskrieg dar). Die Ukraine ist nicht das einzige Land, dessen Territorium von Russland angegriffen und teilweise besetzt wurde (siehe Moldau und Georgien), und dass die Russen Kyïv nicht erobern konnten, beweist nicht, dass sie nicht noch ganz andere Pläne haben – die meisten Angreifer überschätzen ihre Kräfte heillos.
Der “Wirtschaftskrieg” (die Sanktionen) ist eine Reaktion auf russische Völkerrechtsverstöße. Der Westen würde mit Russland viel lieber lukrative Geschäfte machen (Beweis: Nord Stream 1 und 2). Aber das setzt voraus, dass sich die Russen z.B. an das Völkerrecht halten.
Ihr grenzenloses Vertrauen auf Artikel 5 des NATO-Vertrages wirkt bei Ihrer sonstigen Grundsatzkritik an der NATO fast schon komisch. Die jüngsten Aktionen des amerikanischen Präsidenten (Stopp der Weitergabe von Geheimdienstinformationen an die Ukraine) zeigen vielmehr, dass sich niemand darauf verlassen kann, dass dieser Präsident einen nicht im entscheidenden Moment im Stich lässt, um sich mit den Russen auf Kosten seiner bisherigen Verbündeten zu einigen. Trump hat oft genug rhetorisch mit dieser Möglichkeit kokettiert. Dadurch zwingt er die europäischen Staaten, eine unabhängige eigene atomare Verteidigung aufzubauen, da bereits seine verantwortungslosen Maul…en die Abschreckungswirkung der NATO massiv schwächen.
Jeder Mensch mit einigermaßen guten Russischkenntnissen kann sich über Internet die politischen Talkshows des russischen Staatsfernsehens anschauen und sich davon überzeugen, dass in Russland mit der größten Selbstverständlichkeit größenwahnsinnige Großmachtphantasien über den Einmarsch in/die atomare Zerstörung von XYZ-Land verhandelt werden. Das kann man nicht einfach als Witze abtun; es ist die tägliche Geistesnahrung der russischen Fernsehkonsumenten.
Ralf Krämer
7. März 2025 @ 08:56
Das ist mal wieder weitgehend Unfug. Relevant sind die offiziellen Äußerungen und die von Putin, die geben das alles nicht her, was sie behaupten, sondern da sind konkrete Ziele benannt. Es gibt keine Ziele, keine Interessen, keine militärischen und ökonomischen und politischen Möglichkeiten für Russland, NATO-Staaten anzugreifen und zu besetzen. Das sind Propagandamärchen, die hierzulande erzählt werden, um eine irrsinnige Aufrüstung plausibel zu machen. In Moldau stehen ein paar russischen Truppen auf vertraglicher Basis als Friedenstruppen, m.E. legitimer als die der USA in Kosovo oder anderswo. In Georgien hatten die Georgier den Krieg begonnen. Und die möglichen lukrativen Geschäfte mit Russland wurden nicht von Russland beendet.
Guido B.
7. März 2025 @ 09:02
@Kleopatra:
Ich würde mich an Ihrer Stelle nach Neuseeland absetzen und dort einen Putin-Exorzismus anberaumen, um sich eines unbeschwerten Restlebens erfreuen zu können. Putin übt in der Ukraine gerade die große Invasion Europas, und wie es aussieht, wird er spätestens im Sommer am Cabo da Roca in Portugal eine sowjetische Fahne in den Felsen rammen. Noch ist Zeit zu fliehen …
ebo
7. März 2025 @ 09:21
Jeder Mensch mit einigermaßen guten Internetkenntnissen kann täglich nachlesen, was die offizielle Haltung Russlands ist. Hier eine TASS-Meldung von gestern:
MOSCOW, March 6. /TASS/. European countries will not succeed in an arms race against Russia because Moscow has no intention of participating, choosing instead to focus on securing its own interests, Kremlin Spokesman Dmitry Peskov commented on statements from the EU regarding its military plans.
“They won’t win against us! Because we won’t engage with them,” Peskov said. “We will focus on our own matters and secure our own interests,” he added.
https://tass.com/politics/1923649
Skyjumper
7. März 2025 @ 09:21
“….. das Recht, der EU und der NATO nach eigenem Gutdünken beizutreten, …..”
Nein. Dieses Recht hätte sie vielleicht gerne. Was sie dagegen hat, und auch haben soll, ist der Wunsch einen Bündnis beitreten zu wollen. Es wäre allerdings die verdammte Pflicht und Schuldigkeit eines Militärbündnisses (NATO) und/oder eines politischen Bündnisses (EU) einen solchen Wunsch hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die globale und/oder kontinentale Sicherheitsarchitektur zu prüfen und im Prüfungsergebnis einen solchen Wunsch dann ggf. abschlägig zu entscheiden. Genau da liegt das Versäumnis. Alles was danach kam ist quasi aus A –> B –> C, eine vorhersehbare Kettenreaktion.
Jeder Staat mit entsprechenden Machtpotenial, egal ob China, USA oder Russland hätte so gehandelt wie Russland. Wir haben dieses Machtpotenial Russland nur nicht zugetraut. Eine teilweise Fehleinschätzung wie wir heute wissen. Teilweise deshalb, weil Russland sich offenkundig auch selbst falsch eingeschätzt hat und das eigentliche Ziel zumindest bisher (nach 3 Jahren Krieg) nicht erreicht hat.
“Jeder Mensch mit einigermaßen guten Russischkenntnissen kann sich über Internet die politischen Talkshows des russischen Staatsfernsehens anschauen und sich davon überzeugen, dass in Russland mit der größten Selbstverständlichkeit größenwahnsinnige Großmachtphantasien über den Einmarsch in/die atomare Zerstörung von XYZ-Land verhandelt werden. Das kann man nicht einfach als Witze abtun; es ist die tägliche Geistesnahrung der russischen Fernsehkonsumenten.”
Und jeder Mensch mit einigermaßen guten – setzen Sie jetzt nach Belieben Englisch, Französisch, Deutsch ein – Kenntnissen kann sich davon überzeugen dass es in Frankreich, England, Deutschland, und insbesondere den USA, kein Fitzelchen besser aussieht. Und ganz offenkundig mit dem gleichen Geistesergebnis beim Medien-Konsumenten.
Würden die Verantwortlichen in Russland auf das hören was in westlichen Talkshows rumpalavert wird, sie hätten schon längst präventiv einige Atomraketen starten sollen. Umgekehrt dito. Zum Glück läuft es beiderseits (bisher) nicht so.
Die Ukraine gehört nicht in die NATO. Und auch nicht in die EU. Was m.E.n. auch für alle anderen ehemaligen Sowjetrepubliken zutrifft.
ebo
7. März 2025 @ 09:26
Wer sich gruseln will, muß nur Rochebin auf LCI in FRankreich anschauen (gibts per Kabel auch anderswo in EUropa). Da steht der Russe täglich auf den Champs-Elysées – und die “Experten” erörtern, wo und wie man Putin am besten schlagen kann 🙂
Uli H.
7. März 2025 @ 11:53
@Kleopatra, um eine neutrale, sachliche Sicht der Zusammenhänge in den letzten 35 Jahren einnehmen zu können, müssen Sie unbedingt Horst Teltschik (Die 329 Tage zur deutschen Einigung) lesen. Dazu gehören auch die grundlegend wichtigen Aussagen vom damaligen NATO-Generalsekretär Wörner und dem damaligen US-Botschafter in Moskau Burns. Nur dann kann man verstehen, was seit dem schiefgelaufen ist und dass die bedrohlichen westlichen Absichten die Hauptursache sind. Die Russen und ihr Präsident mussten spätestens am 24.02.2022 handeln, schon rein präventiv, aus Selbstschutz. Putins Reden unter anderem: D.Bundestag in Bonn 2001, Mü.SiKo. 2007, waren echte Angebote, aber Obama grinste nur und erhielt den Friedensnobelpreis. DER WESTEN hats versemmelt.
Art Vanderley
6. März 2025 @ 22:59
“Allerdings gibt es bisher keine Indizien dafür, dass Trump die Allianz tatsächlich aufkündigen will. ”
Eben. Dennoch ist die Zahl von Journalisten und “Experten” erstaunlich hoch die fast hysterisch schreien der Rückzug der USA stehe unmittelbar bevor.
Es sind oft dieselben die Amerika blind gefolgt sind in den letzten Jahrzehnten die jetzt die völlständige Panik schieben. Mehr Krisenfestigket bitte, oder den Job wechseln.
ebo
6. März 2025 @ 23:00
Gut beobachtet 🙂
Michael
6. März 2025 @ 22:04
Aus historischer Perspektive wäre das Ideal wenn die USA ihre NATO Mitgliedschaft aufkündigen würden! Die NATO ist nichts anderes als ein historischer Anachronismus! Ohne die USA und ohne NATO könnte sich Europa endlich emanzipieren und auf Eurasien konzentrieren!
Skyjumper
6. März 2025 @ 22:39
Der Zug ist abgefahren. Lange schon. 1914 hat Europa seinen Platz an der Weltspitze abgetreten. Und für das rohstoff- und mittlerweile auch hirnarme Europa wird dieser Platz auch nie wieder frei werden. Wenn man es genau nimmt ist der Zug bereits abgefahren als die Deutschen Staaten es nicht geschafft haben die großdeutsche Reichsgründung zu vollziehen und es stattdessen 1871 zur kleindeutschen Reichsgründung kam.
Nach den USA kommt China. Und dann wahrscheinlich Indien. Und irgendwann vielleicht auch einmal eine afrikanische Union.