Die unberechenbare Kommission, Le Pen wehrt sich & viel Qualm um nichts
Die Watchlist EUropa vom 28. November 2024 – Heute mit News und Analysen zum Team von der Leyen II., dem Prozess um Frankreichs Nationalistenführerin und einem angeblichen Rauchverbot im Freien.
Von der Leyen II. kommt. Das Europaparlament hat die neue EU-Kommission wie erwartet abgesegnet – wenn auch mit dem schlechtesten Ergebnis der europäischen Geschichte.
Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, am 1. Dezember geht es an die Arbeit, heißt es in Brüssel. Doch niemand weiß, was das neue, rechtslastige Team wirklich vorhat.
Schon die Regierungserklärung, die von der Leyen im Juli abgegeben hat, war ein populistischer Wunschkatalog ohne innere Ordnung oder Strategie. Es war für jeden etwas dabei.
Zwischen Selenskyj und Trump
___STEADY_PAYWALL___
Nun wurde das Programm noch einmal angepasst, um sowohl den Grünen als auch den Rechten zu gefallen. Da alles im Hinterzimmer ausgedealt wurde, sind die Folgen unklar.
Vollends unberechenbar wird die neue Kommission aber durch das Versprechen an die Ukraine, alles zu tun, was ihr Präsident Selenskyj wünscht – und durch die Wahl von Donald Trump.
Trump will den Krieg beenden, die Ukraine will ihn bis zum Sieg fortführen, die EU hängt mittendrin und wird in die Zange genommen. Sie soll sowohl für die USA einspringen als auch für die Ukraine.
Das kann nicht gutgehen, das weiß wohl auch VDL. Doch statt sich wenigstens verbal zu Frieden und Diplomatie zu bekennen und eine eigene Strategie vorzulegen, hat sie zwei Hasardeure engagiert.
Kommen nun Kriegsanleihen?
Die neue EU-Außenbeaufragte Kallas und der erste, laut EU-Vertrag eigentlich verbotene “Verteidigungs”-Kommissar Kubelius wollen alles tun, um Russland die Stirn zu bieten – koste es, was es wolle.
Kommen nun Kriegsanleihen, genannt Eurobonds? Werden Soldaten aus den EU-Ländern in die Ukraine geschickt, wie dies Paris erwägt, kann Kiew den Bündnisfall nach Artikel 42 Absatz 7 EUV ausrufen?
Und wie wird die neue EU-Kommission darauf reagieren? Wir wissen es nicht, denn von der Leyen hat sich alle Optionen offen gehalten. Und das zahnlose, Russland-feindliche Parlament hat ihr freie Hand gegeben…
Siehe auch “Das Parlament versagt” (Newsletter) und “Ursulas Sprechpuppen kommen”
News & Updates
- Le Pen wehrt sich. Im Prozess um die Veruntreuung von EU-Geldern hat der Anwalt der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen die Forderung der Staatsanwaltschaft nach dem Entzug des passiven Wahlrechts heftig kritisiert. Dies sei eine “Massenvernichtungswaffe” mit Blick auf die demokratischen Gepflogenheiten, sagte Rodolphe Bosselut am letzten Verhandlungstag. Die Staatsanwaltschaft hatte für Le Pen ein sofort geltendes Verbot gefordert, bei Wahlen anzutreten.
- Paris schützt Netanjahu. Das französische Außenministerium zweifelt daran, dass der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Israels Premier Netanyahu umgesetzt werden kann. Man müsse beachten, dass Israel das Römische Statut des Gerichtshofs nicht ratifiziert habe, heißt es in einer Erklärung des Ministeriums. Dies könnte dazu führen, dass für Netanyahu und den ebenfalls betroffenen Ex-Verteidigungsminister Gallant Immunität gelte.
- Mercosur-Deal wackelt. Nach Frankreich hat sich mit Polen ein zweites großes EU-Land gegen den geplanten Freihandelsvertrag mit den Mercosur-Staaten gestellt. Da auch Österreich und Belgien den Deal ablehnen, könnte doch noch eine Sperrminorität zusammen kommen. Kommissionschefin von der Leyen will den Mercosur-Deal in der kommenden Woche besiegeln. Es könnte ihre erste Pleite in der neuen Amtszeit werden…
Das Letzte
Viel Qualm um nichts. Plant die EU ein Rauchverbot im Freien? Gehört die Zigarette auf der Restaurant-Terrasse oder am Strand bald der Vergangenheit an? Dies meldete BILD pünktlich zur Abstimmung über die neue EU-Kommission – offenbar, um Stimmung zu machen. Doch es war viel Qual um nichts. Denn an der Geschichte ist nichts dran – es gibt nur eine rechtlich nicht bindende Empfehlung. Die Details stehen hier (Link zu dpa-Faktchecking).
Mehr Newsletter hier. Den Newsletter können Sie per Mail abonnieren – jetzt zum Sonderpreis “Black Friday” für nur 3 Euro im Monat
Monika
28. November 2024 @ 15:37
…kann Kiew den Bündnisfall nach Artikel 42 Absatz 7 EUV ausrufen?
Seit wann bitte und nach welchem geltenden Reglement soll ein Nicht-Mitglied der EU den “Bündnisfall” ausrufen können? Dass die Kommission schon mehrere Präzenenzfälle nicht regelkonfomen Verhaltens schuf, kann ja nicht ein Freifahrtschein zu von sämtlichen Verträgen losgelöster “Notstandspolitik” sein, zumal bislang kein Notstand ausgerufen wurde.
Genausowenig kann ein “Nichtanerkennen des IStGH” Immunität bei Völkermord bedeuten ! Solche “Immunität” -falls sie aus der Nichtanerkennung abgeleitet werden könnte- wäre nichtig, weil es sich nicht um irgendein Vergehen handelt, sondern um ein Menschheitsverbrechen! Da braucht niemand mehr mit Vertragsfinessen anfangen!
Und was heißt, Gallant sei nicht in “seiner Funktion als ‚Verteidigungs‘-Minister” zur Fahndung ausgeschrieben? Selbst einfacher Mord lässt sich so nicht relativieren! Nicht einmal in seiner “Funktion” als Anhänger des jüdischen Glaubens kann er für ein Menschheitsverbrechen “entschuldigt” werden! Sonst erübrigt sich “Recht” auf jeder denkbaren Ebene.
ebo
28. November 2024 @ 17:00
Das war eine rhetorische Frage mit einem ernsten Hintergrund. Wenn die Ukraine in die EU aufgenommen wird, kann sie diesen Artikel des EU-Vertrags nutzen, um Deutschland und andere Mitgliedsländer zu Hilfe zu rufen. Da es schon jetzt viele bilaterale Beistandsverpflichtungen gibt, ist dies eine durchaus ernst zu nehmende Aussicht.
Monika
28. November 2024 @ 18:53
…dann bleibt wohl nur noch die Hoffnung, dass diese Beistands-Verpflichtungen sich auf das “Mögliche” und dessen implizite Spielräume beziehen…
RK
28. November 2024 @ 13:59
„Kommen nun Kriegsanleihen, genannt Eurobonds?“
Wer nennt die denn so?
„Kriegsanleihen“ sind Finanzierungen von laufenden (!) Kriegen, gerne durch die eigene Bevölkerung, so im 1.WW in Dt. geschehen.
„Eurobonds“, um die er hier geht, haben hingegen nichts mit der Finanzierung eines laufenden (!) Krieges zu tun. Hier geht es um die Frage ob dadurch die verstärkte Rüstung der EU-Staaten finanziert werden soll.
Das muß analytisch voneinander getrennt werden.
Das wäre so als würde man jeden Staat, der ein Teil seines staatlichen Budgets für sein Militär reserviert, bereits als kriegsführende Partei ansehen.
ebo
28. November 2024 @ 14:52
Ist der Ukraine-Krieg kein “laufender” Krieg? Und gehen die Waffen aus der EU nicht zu einem Gutteil direkt in die Ukraine?
Doch – deshalb spreche ich von Kriegsanleihen. Eurobonds sind demgegenüber Anleihen, die der (zivilen) Wirtschaft im Euroraum zugute kommen.
Arthur Dent
28. November 2024 @ 12:46
Die Demokratie ist gefährdet, vor allem durch die, die sie zu schützen vorgeben. Wer die Freiheit und die Demokratie schätzt, kann Maßnahmen zur Überwachung des Internets nur mit Misstrauen begegnen. Und je schlechter die Dinge im Inneren laufen, desto größer der Rekurs auf Sabotage von außen („autoritärer-Erich Mielke- Sozialismus“). Man differenziert auch nicht mehr zwischen rechts und rechtsextrem, da bleibt die Spannbreite, wen man alles im Notfall diffamieren kann, umso größer.
Karl
28. November 2024 @ 07:54
Kann Kiew jetzt den Bündnisfall als defacto-Mitglied der NATO-Offensivallianz der defacto-Mitglieder (Emmanuel Todd) ausrufen?
WBD
28. November 2024 @ 07:37
nur eine kleine Anmerkung zu den ICC-Haftbefehlen: „…Ex-Außenminister Gallant…“ – war er nicht in seiner Funktion als ‚Verteidigungs‘-Minister zur Festnahme ausgeschrieben?
Übrigens: das Argument Frankreichs, daß Israel das Statut des ICC nicht ratifiziert habe, müsste dann ja analog auch für Vladimir P gelten, oder sind da wieder mal 2 verschiedene Maßstäbe am Werk?
KK
28. November 2024 @ 13:03
Natürlich gibt es immer zwei Masstäbe – einer unterteilt in Zentimeter, der andere in Inches.
Und genommen wird immer der, der besser zum gewünschten Ergebnis passt…