Die “Retter” retten sich selbst
Es ist eine typische dpa-Meldung: “Eurorettungsfonds überweist 13 Milliarden Euro an Griechenland”, hieß es heute Morgen auf dem Ticker. Doch die Kredite gehen gar nicht nach Griechenland.
3,4 Mrd. Euro wurden sofort vom ESM an die EZB überwiesen – als Tilgung für alte Schulden. Danach wird der IWF bedient, bzw. die “Brückenfinanzierung” der EU-Staaten zurückgezahlt.
Weitere 10 Mrd. gehen in die Rekapitalisierung der Banken – das Geld hatten die “Euroretter” im Februar dem griechischen Bankenrettungsfonds entzogen, um nicht zu sagen konfisziert.
Kurz: Griechenland und seine Bürger sehen nichts von den angeblich großzügigen Hilfen. Die Retter retten sich selbst – denn ohne die frischen Kredite wären sie auf ihren alten sitzengeblieben.
Aber das steht natürlich nicht in der dpa-Meldung. Sie kommt völlig sachlich daher, enthält alle Fakten – und erweckt dennoch einen völlig falschen Eindruck… – Mehr zu Griechenland hier
Zu diesem Thema passt auch sehr schön dieses Video von T. Jung aus der Bundespressekonferenz:
Carlo
20. August 2015 @ 20:34
Genau Herr Nemschak. Hätten die Vorgängerregierungen nicht mit Goldman Sachs ihre Haushaltsbilanzen geschönt, gäbe es Griechenland sicher nicht den Euro.
Dann wäre vielleicht noch weniger zu refinanzieren gewesen.
Peter Nemschak
21. August 2015 @ 08:45
Dem kann ich voll zustimmen. Bleibt zu hoffen, dass Syriza-neu es nach den Wahlen besser machen wird.
Carlo
20. August 2015 @ 15:27
Schuldenrückzahlungen an IWF, EZB und nationale Zentralbanken nächste drei Jahre: ca. 35 Mrd. €
Zinszahlungen an Gläubiger nächste drei Jahre: ca. 17,8 Mrd. €
offene Rechnungen des Staates an Binnenwirtschaft: ca. 5 Mrd. €
Kommunen und Staatsbetriebe sitzen auf gr. Staatsanleihen: X €
staatliche Rentenkassen sitzen auf gr. Staatsanleihen: ca. 23 Mrd. € (02/15) + Y
Rekapitalisierung der Banken bis Ende 2015: 25 Mrd. €
dazu noch:
Haushaltsdefizit per 30.06.2015: ca. 22. Mrd. € + Z
Schulden der Banken bei der EZB aus ELA: 90 Mrd. €
Wenn man zusätzlich davon ausgeht, dass die Zahlen für die Rekapitalisierung der Banken wahrscheinlich eher in den Bereich “wünsch Dir was” fallen (ca. 40% faule Krediten – non-performing loans wurden schon im Februar geschätzt), und das Hauhaltsdefizit deutlich gestiegen ist (Bankenfeiertage) und auch vielleicht in den nächsten zwei Jahren negativ bleibt – wo sind Anfang und Ende?
Ein Wort zu den Banken: Laut Bloomberg hält der (europäische Steuerzahler) griechische Staat, schon vor der anstehenden Rekapitalisierung, an:
Alpha-Bank: 66,2 Prozent
Eurobank Ergasias: 35,4 Prozent
National Bank of Greece: 57,2 Prozent
Piraeus-Bank 66,9 Prozent
Im Ganzen: eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Wovon wird da überhaupt geredet und wer soll das glauben?
Was beim griechischen Bürger tatsächlich ankommt, wissen nicht einmal die Götter. Selbst, wenn GR für 50 Mrd. € Tafelsilber verkaufen sollte – eine verfahrene Situation.
Last but not least: Die 86 Mrd. € sind keine Schenkung!!!
Peter Nemschak
20. August 2015 @ 18:55
Als Schenkung waren sie nie gedacht. Der Gesamtbetrag hinsichtlich der Eur 52 Mrd.wäre niedriger ausgefallen, hätte Griechenland das Hilfspaket bereits kurz nach Antritt der Syriza-Regierung unterschrieben. Dann wäre weniger zu refinanzieren gewesen.
Peter Nemschak
20. August 2015 @ 12:23
Dass in den Euro 86 Milliarden die für die Umschuldung alter Fälligkeiten notwendigen Beträge stecken ist weder neu noch aufregend. Eur 52 Milliarden alter Schulden wurden dadurch ohne Betragsänderung hinsichtlich ihrer Laufzeit verlängert. Insgesamt sieht das dreijährige Hilfspaket rd. Eur 34 Milliarden zusätzliches Geld vor – außer es wurden in letzter Minute die Beträge geändert. Wo ist da der falsche Eindruck?
ebo
20. August 2015 @ 12:30
Lesen sie mal die “Zeit”, die kommt zu diesem Fazit:
Was bleibt für die Bürger und den griechischen Staat? Kaum etwas. 4,5 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen, die Staatsreserven wieder aufzufüllen. Da seit August 2014 keine Hilfsgelder mehr ausgezahlt wurden, hatte Athen aus allen erdenklichen Quellen Geld zusammengekratzt, um seine Schulden – unter anderem beim IWF – zu begleichen. Kommunen und Sozialkassen wurden aufgefordert, der Syriza-Regierung ihre Reserven zu überlassen. Diese Lücken sollen nun mit ESM-Geldern geschlossen werden. Die Griechen dürften angesichts dessen vom dritten Hilfsprogramm vor allem eins spüren: die vereinbarten Sparmaßnahmen.
Peter Nemschak
20. August 2015 @ 12:47
Dass das Hilfspaket der EU kein Wohlstandsverteilungsprogramm für die Griechen ist, war von Anfang an klar. Es soll inklusive Bankenrekapitalisierung die Grundvoraussetzungen für ein funktionsfähiges Wirtschaftssystem liefern – mehr nicht. Entscheidend werden die Reformen des Verwaltungs- und Justizsystems sein, ebenso die Liberalisierung bisher unproduktiver Bereiche und geschützter Berufsgruppen. Die Griechen werden ihren zukünftigen Lebensstandard nicht von der EU geschenkt bekommen sondern selber verdienen müssen. Anderslautende Erwartungen gehören in den Bereich der Sozialromantik. Dass Tsipras eine Kontrollfunktion des EU-Parlaments bei der Umsetzung der Reformmaßnahmen wünscht, ist aus seiner Sicht verständlich, nicht aber aus Gläubigersicht. Die Gläubiger werden von ihren nationalen Parlamentariern vertreten, die auch ohne Mitwirkung des EU-Parlaments über die Besteuerung ihrer Bürger entscheiden. Tsipras sollte sich vorrangig um die Reformmaßnahmen bemühen. Dies sollte ihm nach den (wahrscheinlich) bevorstehenden Wahlen leichter fallen.