Die neue EU-Krise: Das Ende der “Soft Power”
Die EU steckt wieder in der Krise. Doch diesmal ist alles anders. Die 27 sind vom Kurs abgekommen – sie wissen nicht mehr, wo sie stehen und wohin sie gehen. – Heute: das Ende der “Soft Power”.
Der letzte Nackenschlag kam von Benjamin Netanjahu. Der israelische Regierungschef erklärte, Gaza werde auch nach dem Ende des Krieges israelischer “Sicherheitsverantwortung” unterliegen – also letztlich unterworfen werden.
Dabei hatte EU-Chefin von der Leyen kurz zuvor genau das Gegenteil gefordert. Es dürfe “keine langfristige israelische Sicherheitspräsenz in Gaza” geben, sagte sie in einer Rede vor den EU-Botschaftern in Brüssel.
Doch Netanjahu kümmert das nicht. Er ist nicht der einzige, der die EU ignoriert. Auch Sultan Erdogan gibt einen Sch… auf die europäischen Empfehlungen. Sogar die USA machen ihr eigenes Ding, wenn es um den Nahen Osten geht.
Dabei galt die Nahostpolitik einmal als Modell für europäische “Soft Power“. Mit Diplomatie, viel Geld etwa für die Palästinenser und einer gezielten Handelspolitik, die beim Atomabkommen mit Iran als Anreiz diente, konnte die EU punkten.
Die EU bewegt nichts
Aus, vorbei. Heute versucht man nicht einmal mehr, “Soft Power” einzusetzen. Im Ukraine-Krieg wurden keine Diplomaten, sondern Waffen geschickt. Im Nahost-Konflikt glänzt der Außenbeauftragte Borrell durch Abwesenheit. In Israel ist er Persona non grata geworden.
Die Hilfsgelder aus Brüssel fließen zwar weiter – doch sie zeigen keinerlei Wirkung. Obwohl die EU der größte “Geber” in Palästina ist, und obwohl die über den Handel auch über einen mächtigen Hebel in Israel verfügt, bewegt sie gar nichts.
Auch in anderen Regionen ist die einst so mächtige Handelspolitik an ihre Grenzen gekommen. Ein fast fertiger Freihandels-Deal mit Australien ist auf der Zielgeraden gescheitert. Das geplante Mercosur-Abkommen stößt auf immer neue Hürden.
Neokoloniale Politik?
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Die Mercosur-Staaten werfen der EU vor, mit ihren Umwelt- und Klimastandards eine neue, neokoloniale Politik zu verfolgen. Der Widerstand dürfte noch größer werden, wenn die EU 2026 ihren neuen Klimazoll “CBAM” abkassieren will.
Das böse Wort vom „regulatorischen Imperialismus“ geht um. Und nicht nur das: Seit Beginn des Nahost-Kriegs werden der EU auch noch Doppelmoral, doppelte Standards und Heuchelei vorgeworfen. Denn sie legt an Israel und Gaza andere Maßstäbe an als an Russland und die Ukraine.
Aus Sicht vieler Länder hat die EU ihren moralischen Kompass verloren. Dass sie nun auch noch versucht, ihre Politik mit Sanktionen durchzusetzen, macht die Sache nicht besser – im Gegenteil: Es schwächt die einst gepriesene “Soft Power” noch mehr…
Dies ist Teil 5 einer mehrteiligen Serie. Fortsetzung folgt. Teil 4 (der Terror ist zurück) steht hier
Arthur Dent
13. November 2023 @ 10:22
In Riad haben sich der iranische Präsident und der saudi-arabische Kronprinz zu Gesprächen über Gaza getroffen. Und natürlich noch Abgeordnete weiterer Länder des Nahen und Mittleren Ostens.
Thomas Damrau
13. November 2023 @ 09:13
Auch in “Soft Power” steckt der Begriff Power (Macht/Kraft/Energie). Die EU hat auf Grund ihrer wirtschaftlichen Macht oder ihrer schieren Größe eigentlich genügend potentielle Energie. Um diese Energie machtvoll anzuwenden, bedürfte es – wenn schon keine Strategie vorhanden ist – zumindest eines Konzepts, wo die EU grob hinmöchte.
Aber damit sind die Ritter der Kokosnuß, die in Brüssel auf der Suche nach dem heiligen Gral der Weltpolitik die Sessel abnutzen, vollkommen überfordert. Beim Thema Ukraine wartet man auf den nächsten Anruf von Biden, beim Thema Gaza gibt es reines unverschnittenes Chaos.
Wenn ich heute früh schon wieder höre, dass Macron pro Waffenstillstand ist, Scholz strickt dagegen ist und Borell als Kompromiss die Hamas tadelt, dass sie sich in zivilen Einrichtungen verschanzt. (Die Hamas ist ja bekanntlich die erste Guerilla-Truppe in der Weltgeschichte, die die Zivilbevölkerung als Schutzschild benutzt.) Jeder Kindergeburtstag verläuft strukturierter …
Zu Scholz: Ich habe früher In-Dubio-Pro-Reo Scholz unterstellt, wenn er wenig sage, denke er in dieser Zeit gründlich nach. Wenn mir jetzt die Zusammenfassung einer Veranstaltung der Heilbronner Stimme mit Scholz ( https://www.stimme.de/stimmetv/bundeskanzler-olaf-scholz-spd-heilbronn-stimme-wahlcheck-haelfte-legislaturperiode-ampel-koalition-art-4851117 ) durchlese, erkenne ich wenig Tiefsinn, nur abgenutzte Parolen.
Aber man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben, dass den Akteuren göttliche Erleuchtung zuteil wird – vielleicht nächste Pfingsten.
Karl
13. November 2023 @ 10:00
Offensichtlich: “Der Kaiser ist nackt!”
Ein Kaiser wurde einst respektiert als eine mächtige Handelsmacht und als ein aufgeklärter Herrscher des UNO-Kriegsverbots, als erfahrener Diplomat der friedlichen Konfliktlösung, des Klimaschutzes und der Menschenrechte.
Aber nun hat er sich als Vasall unterworfen, die USA tragen seine Klamotten als Windeln und alle Welt sieht, dass er verpeilt und in Lumpen auf seinem Gang nach Canossa herumirrt
Und seht das Gefolge: Der Scholz wurde ein Ostsee-Steinfisch, der täglich weitere Löcher in die Pipeline beißt, Macron salbt die Füße des Biden mit La France, Steinmeier kriecht bis ans Ende seines Lebens in der Ukraine herum, jammert um Abbitte für Minsk I + II und schwört: Nie werde wieder ich es bei “dem Bösen” mit Diplomatie versuchen.
Würden Sie mit so einem Kaiser einen Vertrag abschließen?
Jan Hofmann
13. November 2023 @ 12:41
Hallo
erstmal muss ich als langjähriger großer EU Kritiker was sagen zum wirtschaftlichen und politischen Zustand der EU
Bei beiden zentralen Bereichen verliert EUropa immer mehr an Bedeutung
siehe die Seite https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eec-konferenz-europa-verliert-jeden-tag-an-bedeutung-18966538.html
Die EU wird zum Zwerg
Bei keinem zentralen Krisenthema sind die EU Staaten willens eine bedeutsame Kurskorrektor einzuleiten
Das zeigt ein vereintes Europa wird es nicht geben
weil die Regierungsmodelle und Lebensmodelle in Europa viel zu unterschiedlich sind
außerdem hat sich die EU total verheddert
Noch mal zum Ukraine-Krieg
Putin wird vorgeworfen ohne UN-Mandat in der Ukraine den Krieg gestartet zu haben
Was haben die USA denn gemacht bei Ihrem Einmarschieren in andere Staaten ja sie haben ohne UN Mandat Krieg geführt in der jüngeren Geschichte da gab es kein Aufschrei
Helmut Höft
13. November 2023 @ 13:13
@Thomas Damrau
FACK!
Der Hinweis auf Monty Python allein ist schon preiswürdig. *schenkelklopf*
KK
12. November 2023 @ 17:25
“Die Hilfsgelder aus Brüssel fließen zwar weiter – doch sie zeigen keinerlei Wirkung. Obwohl die EU der größte „Geber“ in Palästina is…”
Mit den Hilfsgeldern aus Brüssel wird die von Israel zerstörte Infrastruktur in den Palästinensergebieten, vornehmlich im Gazastreifen, wieder aufgebaut, damit Israel sie wieder zerstören kann… ein perpetuum mobile für die Bau- und Rüstungsindustrie!