Timmermans und Thunberg bei “historischer” Klima-Demo
Der frühere EU-Klimakommissar F. Timmermans will Premier in den Niederlanden werden. Nun hat er an einer Klimademo in Amsterdam teilgenommen – gemeinsam mit G. Thunberg.
Thunberg gilt in Deutschland als “antisemitisch”, weil sie sich neuerdings auch für Palästina einsetzt.
Deutsche Medien berichten denn auch vor allem über einen Zwischenfall auf der Demo. Ein Mann hatte versucht, Thunbergs Auftritt zu stören – weil sie einen Palästinenser und eine Afghanin zu Wort kommen ließ.
Die FFF-Gründerin habe die Störung jedoch gelassen hingenommen, meldet AP (english). Auch in den Niederlanden wird völlig anders über die Kundgebung berichtet als in Deutschland.
Dort wird sie als “historisch” bezeichnet, weil wohl noch nie so viele Menschen in den Niederlanden für das Klima demonstriert haben. Laut “Volkskrant” waren es “sicher 70.000 Menschen” – darunter auch Timmermans.
Der prominente Sozialdemokrat hat offenbar keine Berührungsängste. Im Gegenteil: Er macht mit Thunberg und ihrer Klimabewegung Werbung für sein rotgrünes Parteienbündnis…
Thomas Damrau
15. November 2023 @ 12:57
@Helmut Höft & @KK
Man kann natürlich immer hinterfragen, inwieweit eine Regierung tatsächlich den Willen der Bevölkerungsmehrheit vertritt. Fakt ist: Die Wahlergebnisse in Israel zeigen mit jeder Wahl weiter nach rechts.
Ebenso gilt: Die israelischen Regierungen agieren seit Jahren nach dem Motto „The winner takes it all!“
Ein Zurück zu der ursprünglichen multi-ethnischen Idee von vor 1948 erscheint mir unter diesen Bedingungen extrem unwahrscheinlich.
Helmut Höft
15. November 2023 @ 12:28
@ Thomas Damrau
Vorsicht, Herr Kollege: … Regierung Netanjahu (die ja von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt wurde) das Konzept „jüdischer Staat“ zu Gunsten einer multi-kulturell angelegten Gemeinschaft aufzugeben.
a) „von der Mehrheit gewählt“ ist definitiv falsch, guckt man sich die Zahlen an, wie gewählt wurde – das trifft für die Mehrheit der „demokratisch gewählten“ Regierungen zu berücksichtigt man die Wahlbeteiligung insgesamt, und die Stimme der Nichtwähler insbesondere, daher
b) ist „das was regiert“ immer nur ein ausgeklüngeltes Etwas von verschiedensten Interessen die sich unbedingt schützen (Netanjahu) wollen oder auch mal regieren wollen (Radikale/Orthodoxe/Siedler … – hier zu Lande, in der Rubrik „auch mal regieren wollen“ die Grünen)
Die Einstaatenlösung ist die einzige, die imho funktionieren könnte, hätte man 1948 aufgepasst. (hätte, hätte …). Die allgegenwärtigen Radikalen, Extremen, Besserwissenden und Moralisten stehen Allem und Jedem entgegen. Nach 75 Jahren „und-willst-du-nicht-mein-Bruder-sein …“ geht in Palestina gar nichts mehr,
Wer das Problem löst: Eine-Million-Dollar!
Arthur Dent
14. November 2023 @ 18:02
@Thomas Damrau
1. Ziel der Hamas ist die Befreiung Gesamtpalästinas. Damit dürften nicht nur Gaza, Westjordanland und Ost Jerusalem gemeint sein. Was versteht Asselborn denn unter einem eigenständigen Palästina?
2. Ziel der Muslimbruderschaft ist der Aufbau einer tugendhaften, islamischen Gesellschaft. Für strenggläubige Muslime ist Staat und Religion eine untrennbare Einheit.
Auch die Juden betrachten ihr Staatsgebiet als heiliges Land. Wie soll denn eine Zwei-Staaten-Lösung aussehen?
Thomas Damrau
14. November 2023 @ 19:06
@Arthur Dent
Asselborns These war: Hätte man sich hinter eine Zwei-Staaten-Lösung geklemmt, wäre die Hamas heute irrelevant. Deshalb wären auch die Ziele der Hamas irrelevant …
Dass heute weder Hamas noch die israelische Regierung eine Zwei-Staaten-Lösung anstreben (beide wollen alles oder nichts), steht auf einem anderen Blatt. Darauf bin ich in meinem Kommentar auch eingegangen.
KK
15. November 2023 @ 10:11
Zur Zweistaatenlösung kommt das Rücktrittsschreiben von Craig Mokhiber, der Leiter des New Yorker Büros des UNO-Hochkommissars für Menschenrechte, zu einem ernüchternden Fazit. Hier das gesamte Schreiben in deutscher Übersetzung:
https://globalbridge.ch/herr-hochkommissar-wir-haben-erneut-versagt/
Auszug zur Zweistaatenlösung:
“Das Mantra der „Zweistaatenlösung“ ist in den Korridoren der UNO zu einem offenen Witz geworden, sowohl wegen seiner faktischen Unmöglichkeit als auch wegen seines völligen Versagens, den unveräußerlichen Menschenrechten des palästinensischen Volkes Rechnung zu tragen…”
Und weiter dann unter seinen Lösungsvorschlägen: “3. Ein Staat auf der Grundlage der Menschenrechte: Wir müssen die Errichtung eines einzigen, demokratischen, säkularen Staates im gesamten historischen Palästina unterstützen, mit gleichen Rechten für Christen, Muslime und Juden, und somit die Abschaffung des zutiefst rassistischen, siedlerkolonialen Projekts und ein Ende der Apartheid im ganzen Land.”
Thomas Damrau
15. November 2023 @ 10:57
@KK
Mokhiber mag mit seiner Zustandsbeschreibung recht haben. Aber der Punkt 3 seines Lösungsvorschlags “Errichtung eines einzigen, demokratischen, säkularen Staates ” ist noch viel utopischer als eine Zwei-Staaten-Lösung.
Israel definiert sich zunehmend als “jüdischer Staat”, was in der Konsequenz bedeutet: Mittelfristig werden nur Juden Staatsbürger erster Klasse sein, danach kommen Araber mit israelischer Staatsangehörigkeit und am Ende “der Rest”.
Ich sehe keinerlei Bereitschaft der Regierung Netanjahu (die ja von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt wurde) das Konzept “jüdischer Staat” zu Gunsten einer multi-kulturell angelegten Gemeinschaft aufzugeben. Vor allem wenn man den gestiegenen Einfluss fundamentalistischer Strömungen auf die Politik berücksichtigt.
KK
15. November 2023 @ 11:24
@ Thomas Damrau:
„Ich sehe keinerlei Bereitschaft der Regierung Netanjahu (die ja von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt wurde) das Konzept „jüdischer Staat“ zu Gunsten einer multi-kulturell angelegten Gemeinschaft aufzugeben.“
Ich denke, Mokhiber meint mit „wir“ auch nicht die israelische Bevölkerung oder Regierung, sondern die Weltgemeinschaft, sprich UN – deren Beitrittsvoraussetzungen „Teilungsplan“ Israel seit 1949 beharrlich nie gewillt war, umzusetzen.
Denn letztendlich geht es nicht nur um Israel, sondern um Palästina, in dessen Gebiet eben nicht nur Juden leben – und das israelische Konzept eines jüdischen Staates, in dem Angehörige anderer Religionen nur Menschen zweiter Klasse sein dürfen, neben einem palästinensischen in der Realität an den universellen Menschenrechten krachend gescheitert ist.
Thomas Damrau
14. November 2023 @ 10:17
@Kleopatra
Mangelnde Kritik an der russischen Invasion = Beweis für Antisemitismus. Das meinen Sie nicht im Ernst … oder?
Die immer häufigere Nutzung des Etiketts “anti-semitisch” ist absolut kontra-produktiv: Auf diese Weise sind irgendwann 51% einer Gruppe anti-semitisch – und damit in der Mehrheit. Das mag Ihnen jetzt absurd erscheinen, aber schauen Sie sich den Erfolg der AfD an:
—- In den letzten 10 Jahren wurden immer mehr Meinungsäußerungen mit einem “das ist ja rechts – das wollen wir gar nicht erst diskutieren” abgewehrt. (Womit ich nicht die jeweiligen Äußerungen verteidigen möchte: Die waren zum großen Teil tatsächlich Unsinn. Aber das immer mit der Moralkeule abzuwehren …)
—- Viele Menschen haben dann gedacht: “Wenn das rechts ist, dann bin ich auch rechts.” Und da die öffentliche Diskussion (durch die moralische Verurteilung) abgewürgt wurde, habe sich die Leute ein Biotop gesucht, in dem sie ihre Ansichten äußern konnten – und in dem sie Bestätigung fanden.
—- Inzwischen ist die AfD (als Partei, die die angeblichen Tabu-Themen anspricht) auch in vielen “westlichen” Bundesländern Anwärter auf die Rolle der zweitstärksten Partei.
Merke auf: Mit moralischem Pathos erreichte Diskussions-Hoheit ist oft ein Scheinsieg, für den man später teuer bezahlen muss, weil die andere Seite nur mundtot gemacht, aber nicht überzeugt wurde.
In der augenblicklichen Israel-Diskussion treffen zwei schein-moralische Denkansätze aufeinander, die zu diametral entgegengesetzten Schlussfolgerungen kommen:
—- “Nach der Shoah brauchen die Juden einen sicheren Ort und das ist der Staat Israel.” Das ist historisch betrachtet nachvollziehbar – wird aber von Netanjahu & Co. – mit dem Hinweis auf höhere Moral – ausgenutzt, um jede Kritik an der israelischen Regierung mit dem Label “anti-semitisch” zu versehen.
—– “Die Besetzung Palästinas durch den Staat Israel ist ein Akt des Kolonialismus.” Damit wird dem Projekt “sicheres Israel” gewalttätige Landnahme vorgeworfen. Und in der extremistischen Variante wird – wohl gemerkt: aus moralischen Gründen – eine Rückabwicklung des Staates Israel gefordert. Ein völlige abwegige Problemlösung – aber aus Sicht dieser Denkschule konsequent.
Wie so oft bei moral-triefenden Auseinandersetzungen wird nicht diskutiert, sondern der Gegenseite die moralische Legitimation abgesprochen. Mit Riesenschritten wird versucht, der eigenen (oft extremistischen) Sicht Raum zu verschaffen. Und wenn man sich erst lange genug aneinander abgearbeitet hat, erscheinen Kompromisse – wie eine Zwei-Staaten-Lösung – für beide Seiten Verrat an der höheren Moral. (Im Zweifelsfall wird geschossen.)
Wie seltsam diese Diskussionen inzwischen verlaufen, können Sie an zwei Interviews heute im DLF verfolgen:
—– Jean Asselborn gibt eine Art Abschieds-Interview für den DLF. Zum Thema Nahost befragt, gibt es erst mal zu Protokoll, er befürchte einen Shit-Storm, wenn er seine Ansicht äußere: Die EU habe in den letzten Jahren das Thema Palästina vernachlässigt und in einem eigenständigen Staat Palästina wäre die Hamas bedeutungslos geworden. Er hat es dann trotzdem behauptet. (Link zum Interview habe ich leider nocht nicht, sollte aber irgendwann unter https://www.deutschlandfunk.de/interview-100.html auftauchen.)
—- In einem Interview mit Michael Roth zum Besuch von Erdogan in Berlin ( ps://www.deutschlandfunk.de/michael-roth-spd-zum-erdogan-besuch-in-berlin-dlf-f4a30d48-100.html ) geht es in fast der ganzen Dauer um die Frage, wie verwerflich es ist, den “Anti-Semiten Erdogan” einzuladen. Eine völlig unproduktive – aber hochmoralische – Diskussion, die ohne Erkenntns endet. Und nur im Nebensatz geht es um den eigentlichen Zweck des Besuchses: Erdogan als EU-Grenzschützer. Für eine solche Rolle ist potentieller Anti-Semitismus kein Problem.
Gott schütze uns vor der Moral-Mafia!
Thomas Damrau
14. November 2023 @ 17:16
PS: Das Interview mit Asselborn wurde vom DLF immer noch nicht online gestellt.
Honi soit qui mal y pense …
Arthur Dent
13. November 2023 @ 16:32
@ebo
Ich beziehe mich gar nicht auf den Blog, sondern auf die Massen – und wenn Timmermans glaubt, Politiker müssen die “wissenschaftliche Wahrheit” (die es im übrigen nie gegeben hat oder geben wird) vollstrecken, dann hat er meiner Meinung nach seinen Job nicht verstanden. Oder ging es bei der Demo eventuell gar nicht um das Klima?
KK
14. November 2023 @ 01:46
Timmermans ging es bei der Demo hauptsächlich um eines: Wahlkampf!
Stef
13. November 2023 @ 12:46
@ Kleopatra: Das ist eine untaugiche Definition von Antisemitismus. Sie dient nur der Bekämpfung politischer Gegner mit verfassungswidrigen Mitteln.
Es ist für politische Beobachter vollkommen legitim eine politische Aktivität oder Haltung in einem Fall zu kritisieren und in einem anderen Fall dazu zu schweigen. Ein Vergleich ist insbesondere bei Großkonflikten in der Regel facettenreich und schwierig und bietet ebenso Gelegenheit für Parallelen wie für Unterschiede. Wie man sieht, kann man sich sogar irren, Greta Thunberg hat die russische Invasion nämlich kritisiert, wie durch Timster gezeigt. Das in Ihre Antisemitismusdefinition einbezogene Gebot der Gleichbehandlung bindet von daher nach Deutschem Verfassungsrecht aus guten Gründen nur den Staat, denn diesem ist als Inhaber des Gewaltmonopols eine fundierte Unterschiedung zuzumuten und abzuverlangen. Durch Ihre Definition wird dieser Grundsatz willkürlich in einem einzigen Fall auf alle diejenigen ausgeweitet, die eine Meinung zu Israel äußern wollen. Weil sonst wäre man ja auch “antirussisch”, wenn man nur den russischen Einmarsch in die Ukraine und nicht den Nato-Krieg gegen Serbien oder den US-Krieg gegen den Irak kritisiert. Das Ergebnis ist reine Willkür und eine verfassungswidrige Einschänkung der Meinungsfreiheit.
Will man sich einer Definition von Antisemitismus nähern, führt kein Weg daran vorbei, zwischen Kritik an “den Juden” und an “dem Staat Israel und seiner Staatsregierung” zu unterscheiden. Das hat freilich den “Nachteil”, dass man die israelische Politik, die ja nicht über jeden Verdacht erhaben ist und sogar ihrerseits rassistische Politik betreiben kann, im Rahmen der Meinungsfreiheit auch öffentlich dafür kritisieren darf. Das scheint aber dem tiefsitzenden Bedürfnis einer eindeutigen Unterscheidung zwischen Gut und Böse zuwiderzulaufen. Aber es ist eben der angemessene Umgang mit politischer Komplexität und verfassungsmäßig verbrieftem Recht.
Will nun die Bundesregierung auf eine angemessene Art und Weise der besonderen deutschen Verantwortung für die Juden Rechnung tragen, kann sie das ebenso gut ohne Rückgriff auf Ihre Definition tun. Sie hat es dann nur schwerer, ihren Standpunkt differenziert zu begründen und pro-Palästinensische Demonstrationen zu verbieten, weil ja Kritik am Staat Israel uneingeschränkt möglich bleibt. Das Demonstrationsverbot wegen erwartetem oder erwiesenem Antisemitismus wäre damit auf diejenigen Fälle begrenzt, die in der Verfassung vorgesehen sind. Nämlich wenn sich Rassimus gegen Juden Bahn bricht (womit wir eine weit bessere Definition von Antisemitismus haben). Das wäre auch deshalb zu begrüßen, weil damit die Unterstützung einer rechtsextremen Staatsregierung, die seit Jahren Öl ins Feuer eines Konfliktes gießt, auch dann nicht per se gerechtfertigt und unhinterfragbar ist, wenn sie sich gegen Angriffe verteidigt. Unabhängig davon, ob es sich dabei z.B. um die israelische, die ukrainische, die US-amerikanische oder die russische Regierung handelt. Es kommt, wie im deutschen Verfassungsrecht seit jeher vorgesehen, eben immer auf die Verhältnismäßigkeit an.
Legt man aber, wie Sie, tatsächlich Wert auf die Anwendung vergleichbarer Maßstäbe bei vergleichbaren Sachverhalten, dann begibt man sich auf ein Gebiet, wo die genaue Analyse, der Perspektivwechsel zur anderen Seite und die gewissenhafte Differenzierung angezeigt ist. Dann muss man sich grundsätzlich derart pauschalen und moralschwangeren Gemeinplätzen verweigern, weil sie nur zu Sitgmatisierung und Propaganda und nicht für die Erkenntnisgewinnung taugen.
Mal ganz unabhängig davon sollten wir nicht vergessen, dass in Deutschland inzwischen sehr viele Muslime leben und die Anwendung derart willkürlicher Definitionen für Straftaten (denn darauf läuft es am Ende doch hinaus) uns einen Konflikt auf unserer Straßen holt, den wir ja gerade nicht hier ausgetragen haben wollen. Auch dem gedeihlichen Zusammenleben wäre gedient, wenn wir die Einhaltung klarer äußerer Grenzen einfordern (kein Rassismus gegen Juden), aber öffentliche politische Kritik an Staat und Regierung ermöglichen.
Mit stellt sich die Frage: Ist es vielleicht für Sie in Ordnung antirussisch zu sein, aber verurteilenswert antisemitisch zu sein? Falls ja, wo bleiben denn da die vergleichbaren Maßstäbe, die sie bei ihrer Antisemitismusdefinition anmahnen?
Arthur Dent
13. November 2023 @ 12:01
Klima ist immer historisch. Es handelt sich um (Durchschnitts)daten. Statistik ist eine spezifische Methode der Geschichtsschreibung.
Das “globale Klima” ist ein virtuelles Datenmodell.
Ein seinerzeit halbwüchsiges Mädchen, das sich weigerte zur Schule zu gehen, wurde zur allwissenden Klimaschutzexpertin ernannt und man trottete ihr in Massen hinterher – damals wie heute.
ebo
13. November 2023 @ 12:18
In diesem Blog wurde Thunberg nie gefeiert – anders als in den deutschen Medien. Doch wie sie nun verleumdet wird, ist einfach unglaublich. Die meisten Verrisse halten es nicht einmal für nötig, Timmermans und die 70.000 Teilnehmer zu erwähnen. Das passt nämlich nicht ins Narrativ der “isolierten” Greta…
Die ganze Geschichte ist ein weiterer Beleg für meine These, dass sich Deutschland mit seiner auf Israel fixierten Politik in der EU immer mehr isoliert. Auch auf dem Parteitag der europäischen Sozialdemokraten in Malaga stand Scholz allein auf weiter Flur mit seiner Haltung (gegen einen Waffenstillstand)!
Kleopatra
13. November 2023 @ 09:31
Legitime Kritik an Israel und Antisemitismus sind nach einer Faustregel einfach zu unterscheiden: Wer bei Israel aus Anlässen protestiert, für die er nicht hinter dem Ofen herkommt, wenn sie von anderen Staaten begangen werden, gibt sich dadurch als Antisemit zu erkennen. Nach diesem Kriterium muss man natürlich leider feststellen, dass bereits die UNO eine antisemitische Organisation ist…
Und die von Thunberg vertretene Argumentation gehört ebenfalls in diese Kategorie: warum protestiert sie selektiv gegen Israel (und nicht auch z.B. gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, in dem sich Russland erhebliche Umweltsauereien hat zuschulden kommen lassen)? Der Umstand, dass sich diese “Jugendbewegung” auf dasselbe Objekt seines Protests einigt wie die UNO spricht dafür, hier linken Antisemitismus am Werk zu sehen.
Timster
13. November 2023 @ 09:49
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/greta-thunberg-umweltschaeden-ukraine-krieg-russland-100.html
aram ockert
13. November 2023 @ 10:49
So ist das, wenn man sich auf der Suche nach idiotischer Eindeutigkeit verläuft. Wer Russland nicht kritisiert hat, der darf Israel auch nicht kritisieren. Wenn doch, dann ist das antisemitisisch motiviert.
Recht eigentlich würde doch gerade umgekehrt ein Schuh daraus. Wer denkt, dass die legitimen Sicherheitsinteressen eines vielfach überlegenen Staates es rechtfertigen, mehr Zivilisten als Kämpfer zu töten und auf Kinder und Jugendliche keine Rücksicht zu nehmen, der darf Russland nicht kritisieren, dass sich durch das größte und stärkste Militärbündnis aller Zeiten essentiell bedroht und deswegen Krieg gegen einen Staat führt, der, wäre er erst auch noch nominell Mitglied in der Nato, die Zweitschlagfähigkeit Russland massiv bedrohen würde. Zumal in Hinblick auf den Blutzoll im WK II sich Russland ja nun nirgends hinten anstellen muss. Bolschewiken und Juden wurden ja von den Deutschen jedenfalls zwischen 1933 und 45 in Eins gesetzt.
Bezogen auf die beiden aktuellen Kriege läßt sich noch feststellen, dass sie sich in einem Punkt ganz wesentlich unterscheiden: die Russen haben eine völlig andere Strategie. Sie führen den Krieg, den Israel gleich den USA erst nach massiven Bombardement führen, gleich am Anfang. Deswegen sterben dort sehr viele Soldaten und im Vergleich weniger Zivilisten. Aber das fällt natürlich nur auf, wenn man Russland nicht mit der Hamas verwechselt.
Kleopatra
13. November 2023 @ 14:04
Zu den Umweltfolgen des russischen Angriffskriegs hat sich GT auf einer Reise in die Ukraine geäußert, also in einem Kontext, der eine Stellungnahme zur russischen Kriegführung nahelegte. Zu Palästina hat sie ohne einen notwendigen aktuellen Bezug auf einer Demonstration in Amsterdam Slogans nachgeplappert. Im letzteren Fall hat sie also ihre Reputation als Umweltaktivistin für ein Thema missbraucht, das damit nichts zu tun hat (aber unter Linken en vogue ist), das erstere war hingegen eine im Kontext sachlich begründbare Stellungnahme.
KK
13. November 2023 @ 12:43
“Nach diesem Kriterium muss man natürlich leider feststellen, dass bereits die UNO eine antisemitische Organisation ist…”
Wäre die UN tatsächlich eine antisemitische Organisation, wie von Ihnen unterstellt, hätte sie Israel wohl längst wieder rausgeschmissen. Israel wurde nämlich nur unter der Bedingung, die UN-Resolutionen 181 II (Teilungsplan Palästina) und 194 umzusetzen, damals überhaupt in die UN aufgenommen. Und das ist bis heute nicht geschehen, im Gegenteil: das den Palästinensern darin zugesprochene Land hat sich Israel seitdem weitgehend unter den Nagel gerissen.
aram ockert
14. November 2023 @ 09:45
Das ist eine interessante Überlegung. Äußerungen nur im engen Rahmen eigener und fremder Kompetenzzuweisungen. Hätte Thunberg den gewaltigen CO2-Abdruck des Bombardement auf Gaza bedauert, so wäre das gerade noch durchgegangen. Humanitäre Überlegungen hingegen sollen Menschenrechtsaktivsten vorbehalten sein. Ordnung muss ja irgendwie sein und dass alle Überlegungen in Hinblick auf die globale Erwärmung letztendlich aus humanitären Erwägungen resultieren, weil sie die primär die negativen Folgen für die eigene Gattung fokussiert, kann das enge Ressortprinzip nicht suspendieren.
ebo
13. November 2023 @ 14:15
Die Uno ist keine “antisemitische Organisation”. Die Uno steht am Anfang der Gründung des Staates Israel. Allerdings hat Israel dutzende Uno-Resolutionen mißachtet, nicht erst seit heute.
Kleopatra
13. November 2023 @ 15:13
Die UNO von Stand 1948, die im Wesentlichen aus der Koalition derKriegsgegner des Dritten Reichs bestand, hat mit der heutigen UNO im wesentlichen noch den Namen gemeinsam. Seit langem scheint die UNO mehr Texte gegen Israel zu verabschieden als gegen alle anderen Staaten zusammen.
KK
14. November 2023 @ 01:45
@ Kleopatra:
„Seit langem scheint die UNO mehr Texte gegen Israel zu verabschieden als gegen alle anderen Staaten zusammen.“
Kein anderer Staat widersetzt sich auch derart lange und hartnäckig von Beginn der Mitgliedschaft an alle ihn betreffenden UN-Resolutionen wie Israel. Israel hat die Bedingung seiner Aufnahme – nämlich die UN-Resolutionen zu achten und umzusetzen – von Beginn an mit Füssen getreten und sich den gemeinsamen Regeln tatsächlich nie unterworfen – mit Rückendeckung der VETO-Macht USA.
Kleopatra
14. November 2023 @ 08:28
@KK: Die UNO ist seit langem in einem solchen Grad zu einer Maschine zur Erzeugung israelfeindicher Resolutionen verkommen, dass diese für Israel nur noch lästig sind (das sicher), aber keine Chance mehr haben, ernst genommen zu werden.
Ceterum censeo: Was halten Sie von Russland? Unterwirft es sich „den gemeinsamen Regeln“? Wenn nein, mit welchem Recht hält es einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat und was besagt das über die moralische Legimität von UN-Beschlüssen?
ebo
14. November 2023 @ 08:38
Ihre Argumentation nennt man gemeinhin Whataboutism. Ich drehe sie mal kurz um: Wieso spricht die EU gegenüber Russland von Kriegsverbrechen und Völkermord, nicht aber gegenüber Israel? Die Angriffe in Gaza und die Vertreibung der Palästinenser sind offensichtlich genauso schlimm, wenn nicht schlimmer.
Stef
14. November 2023 @ 09:55
Whataboutism ist m.E. ein gefährlicher Kampfbegriff, der im Ergebnis nur verhindert (verhindern soll), dass Analogien und Vergleiche angestellt werden. Und das, obwohl gerade dies zentrale Mittel in Politik und Rechtsfindung sind, um sich in einem Bereich mit chronischem Mangel an Gesetzen Fragen von Legitimität und Legalität zu nähern.
Natürlich ist die Frage von Kloepatra legitim, was der Sicherheitsrat zu Russland sagt, wenn er Israel verurteilt. Aber dann muss man eben auch den vollständigen Vergleichshorizont sehen, auch wenn es unangenehm ist. Was sagt er in parallelen Fällen zu den Aktionen der USA und zur Nato.
Mit wäre es hoch willkommen, wenn in UNO und im Sicherheitsrat wieder stärker auf eine vergleichende Art und Weise (also mit vollem Whataboutism) eine Debatte geführt wird, wie sich welche politische Maßnahme im Verhältnis zu anderen vergleichbaren Maßnahmen verhält. Das ist klassische völkerrechtliche Methodik. Und es ist auch eine unangenehme Wahrheit, dass dies früher der Fall war und dass es vor allem den USA im Wahn des “Endes der Geschichte” und der “indispensable Country” waren, die das zunehmend vereitelt haben. Deshalb ist der “US-Exceptionalism” für mich ein Paradebeispiel von aktuellem Faschismus.
Man sollte nicht übersehen, dass es eben auch gute Gründe hat, warum bestimmte Mitglieder des Sicherheitsrates ein Vetorecht haben. Wäre dies unterblieben, hätte die Uno vermutlich gar keine Legitimität entfalten können, weil sich seinerzeit nach dem Ende von WW2 die großen und wichtigen (gefühlten oder tatsächlichen) Imperien schlicht der UNO nicht angeschlossen hätten. Der Sicherheitsrat ist eben ein Gremium, in dem eine Brücke zwischen Recht und faktischer Macht geschlagen wird. Genau das macht seine Stärke aus. Und es bedeutet gleichzeitig nicht, dass die Vetomächte machen können, was sie wollen.
Man wird sicherlich darüber streiten können, ob die Verteilung der Vetorechte heute noch die aktuellen Machtverhältnisse widerspiegelt. Aber ich sehe (noch) nicht, wie man ihn oder das in ihm verankerte Vetorecht grundsätzlich abschaffen könnte.
ebo
14. November 2023 @ 10:12
Richtig, Whataboutism ist ein Kampfbegriff. Ich nutze ihn hier als Antwort auf Kleopatra – weil dieser ihn auch gern im Munde führt. Eine rhetorische Ãœbung.
Selbstverständlich muß es erlaubt sein, nicht nur Kriege zu vergleichen, sondern auch die Reaktion darauf. Im Falle der EU zeigen sich krasse Doppelstandards.
KK
14. November 2023 @ 13:21
@ Kleopatra:
“Ceterum censeo: Was halten Sie von Russland? Unterwirft es sich „den gemeinsamen Regeln“?”
Was halten Sie von den USA – unterwirft es sich den gemeinsamen Regeln?
Als Beispiel seien nicht nur die völkerrechtswidrigen Angriffskriege gegen zB Serbien, Irak, Libyen genannt, sondern ganz aktuell die seit 1992 jährlichen Resolutionen der UN-Vollversammlung gegen die Kuba-Sanktionen, denen sich auch Deutschland angeschlossen hatte und gegen die in diesem Jahr nur die USA selbst und – Tusch! – Israel gestimmt haben?
Und nein, Israel hatte sich explizit zur Umsetzung des Teilungsplans Palästina verpflichtet, um seinerzeit überhaupt in die UN aufgenommen zu werden – und offenbar nie die Absicht gehabt, diese Verpflichtung einzulösen.