Die neue Achse Kiew-Warschau
Mit seinem jüngsten Besuch in Kiew hat Polens Präsident Duda die polnisch-ukrainische Zusammenarbeit deutlich vertieft. Die neue Achse Kiew-Warschau fordert Deutschland und Frankreich heraus.
Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Routine-Besuch. Präsident Duda reiste nach Kiew und hielt eine Rede im Parlament. Doch diesem Besuch kommt mehr als nur symbolische Bedeutung zu. Diesmal geht es um mehr.
Beide Länder knüpfen an ihre gemeinsame Geschichte an – große Teile der Ukraine gehörten einst zu Polen bzw. dessen Vorgängerstaaten – und versuchen, eine gemeinsame Politik zu definieren.
“Zusammen sind wir 80 Millionen”, hieß es unter Verweis auf die historische Größe – und offenbar als Seitenhieb auf Deutschland, das ähnlich viele Einwohner hat.
- Beispiel Innenpolitik: Als Dank für die großzügige Aufnahme von Millionen Flüchtlingen in Polen will die Ukraine künftig auch polnischen Bürgern im Land einen Sonderstatus gewähren. Die Grenze zwischen beiden Ländern soll offen bleiben – womöglich auch, um militärische Hilfe zu erleichtern.
- Beispiel Außenpolitik: Nachdem Polen die Ukraine zunächst mit einem Flugverbot gegen russische Angriffe schützen wollte, bringen beide Länder nun die Versenkung der russischen Schwarzmeerflotte ins Gespräch – angeblich, um den blockierten Getreideexport frei zu bekommen.
- Beispiel Europapolitik: Kiew und Warschau bilden eine neue “Achse”, die immer öfter und immer offener gegen Deutschland und Frankreich Stellung bezieht. Dies gilt vor allem für die EU-Erweiterung: Polen befürwortet einen schnellen Beitritt, Berlin und Paris stehen auf der Bremse.

Die spannende Frage ist nun, welche Auswirkungen diese ungewöhnliche Achse zwischen einem EU-Mitglied und “Outlaw” – Polen steht immer noch wegen des Rechtsstaats am Pranger – und einem EU-Anwärter im Krieg haben wird.
Ich fürchte, keine guten. Polen könnte versuchen, die EU zu erpressen, und sich dabei auf die Ukraine stützen. Zum Schwur könnte es beim nächsten EU-Gipfel am 30. Mai kommen. Denn dann steht die Ukraine im Mittelpunkt, Polen könnte den “starken Mann” markieren…
Mehr zu Polen hier
P.S. Polen blockiert weiter die globale Mindeststeuer – und das ohne nachvollziehbaren Grund. Außerdem hat Duda der Bundesregierung vorgeworfen, beim Ringtausch von Panzern ihre Zusagen nicht einzuhalten. Überhaupt tue die Bundesregierung zu wenig, um der Ukraine zu helfen, sagte Duda.
Kurt H. Stadler
26. Mai 2022 @ 07:56
Wenn man sich in die Geschichte ein wenig reindenkt, und wenn man weiss, wie die EU und ihre Bündnispartner funktionieren, dann muss man zugestehen, dass sich die polnische Regierung sehr schlau und intelligent verhält.
Hierzu ein paar wichtige Punkte:
Nur der westlich-galizische Teil der Ukraine wird in die EU kommen;
Dieser Teil muss nicht an Polen angeschlossen werden. Das geht einfacher über die EU Verträge;
wichtig ist der Zugang zum schwarzen Meer, auch für die Polen und das neue Grossreich der EU. Daran wird aktuell gearbeitet;
wenn Russland zustimmt und sich auf die östlichen-russischsprachigen Teile der Ukraine beschränkt, dann kann der Rest der Ukraine in die EU;
Was bringt die Aufnahme der Ukraine den Polen?
sehr viel:
billige Arbeitskräfte;
und v. a. viel Geld, das über die EU von der EZB kommen muss, gesichert („backed by“) von D-F-NE-I-AUS, um in der Ukraine den Wiederaufbau zu finanzieren und die ganze Anpassung an die EU Wirtschaft. Dazu müssen Trilliarden (also tausende von Milliarden) fliessen!
daran wird Polen mehr verdienen als in den vergangenen Jahren als EU-Mitglied;
zusätzlich wir auch die militärische Schlagkraft der Armee von Polen und der neuen Ukraine massiv verstärkt, aus Mitteln der Nato, die ebenfalls über die EU fliessen (s. o.);
Also, ganz klar: win-win für Polen und die Ukraine, aber auch für die neue Nato und EU.
Weitere Ergebnisse:
Die Ukraine wird schon bald in die Nato aufgenommen.
Die östlichen Regionen der früheren Ukraine bilden die neuen Frontstatten zwischen Nato und Russland.
Wie heisst es doch: der Krieg ist der Erzeuger aller Dinge.
Bei Heraklit nachzulesen: „πόλεμος πάντων μὲν πατήρ ἐστι“.
Armin Christ
25. Mai 2022 @ 21:40
Die Bundesregierung täte gut daran sich in aller Form von diesen Selenzky-Duda Machenschaften zu distanzieren.
Und eingefrorenes Geld klauen geht auch nicht – aber der “Westen” darf ja gegen Völkerrecht und Privatrecht verstoßen. Die westlichen Werte liegen ja sowoeso schon in den Massengräbern auf den Grund des Mittelmeeres.
Kleopatra
25. Mai 2022 @ 06:45
Warum sollte ein polnisch-ukrainischer Motor so viel schlechter laufen als ein deutsch-französischer? Warum sollen zwei Länder ihre Interessen nicht gemeinsam vertreten? Interessen sind per so zunächst nicht böse, und für gute Verhältnisse ist es vielleicht sogar besser, wenn man sie offen anspricht. Merkel hat die EU mehr als ein Jahrzehnt lang kommandiert, und der Rückschlag davon fällt Deutschland jetzt auf die Füße. Und die Rache für die Rücksichtslosigkeit, mit der Deutschland gegen einen großen Teil der EU und praktisch alle osteuropäischen Staaten durchgedrückt hat, wird nur ein Teil davon sein.
ebo
25. Mai 2022 @ 08:26
Für einen Motor braucht es Power. Die Ukraine liegt in Trümmern, die Wirtschaft ist um ca. 50-60 Prozent eingebrochen. Das Land ist ein Bittsteller, kein Zugpferd.
Andererseits haben Sie recht: Mit von der Leyen ist alles möglich. Sie will die gesamte EU in den Dienst der Ukraine stellen, der “Motor” der EU-Kommission arbeitet fast nur noch für Kiew…
Kleopatra
25. Mai 2022 @ 11:23
Da es sich beim russischen Angriff auf die Ukraine offenkundig u.a. um eine Reaktion auf ihre Assoziation an die EU handelt, fühlen sich die EU-Institutionen vollkommen zu Recht angegriffen.
european
25. Mai 2022 @ 16:22
@ebo
Das ist der persönliche Rachefeldzug der polnischen Regierung, eines Landes, das übrigens der größte Nettotransferempfaenger der EU ist, korrupt und undemokratisch. Von daher hätten sich da zwei gesucht und gefunden.
Die Ukraine gehört nicht in die EU, ebenso wie die polnische Regierung nicht Teil der EU sein sollte. Ich differenziere deshalb, weil es in Polen sehr viele proeuropaeische Oppositionelle gibt, die sich ein anderes Polen wünschen, denen es aber unter der aktuellen Regierung nicht gut geht.
Von der Leyen, Michel und auch Borrell sind mehr als zweifelhafte politische Komplettversager, die nach oben weggelobt wurden, jetzt an wichtigen Schalthebeln sitzen und damit uns alle gefährden.