Von der Leyen will an russisches Geld, Timmermanns braucht Kohle – und Duda rügt Scholz

Die Watchlist EUropa vom 25. Mai 2022 –

Die EU-Kommission will auf russisches Vermögen zugreifen, um den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren. Man prüfe, ob die (wegen westlicher Sanktionen eingefrorenen) Devisenreserven der russischen Zentralbank angezapft und einer neuen Bestimmung zugeführt werden könnten, sagte Behördenchefin von der Leyen.

Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag will ihre Kommission am Mittwoch in Brüssel vorlegen. “Wir sollten dafür jeden Stein umdrehen – wenn möglich auch russische Vermögenswerte, die wir eingefroren haben“, sagte von der Leyen beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

Es geht um das Vermögen der russischen Oligarchen und um 300 Mrd. Euro, die Russland vor dem Krieg erwirtschaftet und auf die Seite gelegt hat – dummerweise bei westlichen Banken, so dass diese nun Zugriff darauf haben.

Schon das Einfrieren dieser Reserven war ein historischer Tabubruch. Er signalisiert der ganzen Welt, dass die USA und die EU keinen Respekt vor dem Vermögen anderer Länder haben.

Gegen das Völkerrecht

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Wenn das Geld nun auch noch beschlagnahmt und für die Ukraine verwendet würde, wäre das noch eine ganz andere Nummer. Es wäre eine Art Bankraub, wie sogar Regierungsmitglieder in Berlin sagen.

Die Reserven würden in Reparationen verwandelt – und das, bevor der Krieg entschieden ist! Im 1. Weltkrieg hat man wenigstens noch das Ende abgewartet.

Dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Ukrainer mag das entsprechen. Doch aus rechtlicher Sicht wäre es ein Bruch mit der regelbasierten Ordnung, den die EU so gern beschwört. Die Zentralbank-Reserven seien hoheitliche Gelder und damit immunitätsgeschützt, meint der Völkerrechtler Helmut Aust von der Freien Universität Berlin.

„Man kann davon ausgehen, dass diese Reserven übergeordneten finanz- und volkswirtschaftlichen Zwecken der russischen Regierung dienen“, sagte er der FAZ. Daher könne man sie nicht einfach so einkassieren.

Auf dem hohen Roß

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen Nicolas Véron und Joshua Kirschenbaum vom Brüsseler Thinktank Bruegel. „Jetzt ist nicht die Zeit, Russlands Zentralbank-Reserven zu konfiszieren“, schreiben die prominenten Ökonomen. Dieser Schritt wäre kontraproduktiv und wahrscheinlich sogar illegal. Zudem würde er die Glaubwürdigkeit des Westens erschüttern.

„Wenn die USA und ihre Partner darüber sprechen, die internationale regelbasierte Ordnung zu verteidigen, ist schon jetzt oft die Rede von Heuchelei und Doppelstandards, vor allem in den Entwicklungs- uns Schwellenländern“, warnen die Experten. Der Westen müsse runter vom hohen moralischen Roß, wenn er weiter ernst genommen werden wolle.

Wer sagt es von der Leyen? Die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin, die die Bundeswehr vor die Wand gefahren und diverse Skandale weggelächelt hat, sitzt gerade auf einem gaaaanz hohen moralischen Roß. Immerhin will sie sich wohl zunächst damit begnügen, das Vermögen der Oligarchen zu enteignen…

Siehe auch “Der unglaubliche Machtzuwachs der EU-Kommission”

Watchlist

Kassiert die EU-Kommission ihre Klimaversprechen wieder ein? Der zuständige EU-Kommissar Timmermans räumte in Davos ein, dass “einige Länder etwas länger Kohle verbrauchen werden”. Anders lasse sich der nun geplante Austieg aus russischer Energie nicht schaffen. Der geplante beschleunigte Umstieg auf mehr erneuerbare Energien werde die zusätzlichen Treihbausgasemissionen aber überkompensieren, so Timmermans. Na dann…

Was fehlt

Die Rüge von Polens Präsident Duda an Kanzler Scholz. Deutschland habe Polen die Lieferung von Panzern versprochen, weil die Regierung in Warschau eigene Bestände in die Ukraine geliefert habe. “Sie haben dieses Versprechen nicht erfüllt, und offen gesagt: Wir sind sehr enttäuscht darüber”, erklärte Duda. Zuvor hatte er bei einem Besuch in Kiew die polnisch-ukrsainische Achse ausgebaut – sie richtet sich offenbar auch gegen Deutschland. Mehr dazu hier

Dies ist die letzte Watchlist für diese Woche. Wegen des Feiertags und des verlängerten Wochenendes kommt der nächste Newsletter am Montag, 30. Mai.