“Die EU gibt es gar nicht”
Paukenschlag vor dem Jubiläumsgipfel in Rom: Der Chef der Liberalen im Europaparlament, G. Verhofstadt, hat die Existenz der EU infrage gestellt – und Deutschland kritisiert.
“In Wirklichkeit gibt es die EU gar nicht – auf Papier schon, aber nicht in echt”, sagte Verhofstadt im Interview mit dpa. Die EU sei eine Konföderation von Staaten, die auf Einstimmigkeit basiert – und deshalb nicht mehr funktioniere.
Die EU-Institutionen stammten aus einem anderen Jahrhundert – und könnten die in einer Flüchtlings-, Finanz- oder Ukrainekrise nicht sofort handeln. “Die Union ist nicht fähig, auf all das zu reagieren.”
Doch wie ließe sich das Problem lösen – durch mehr Europa? Nein, sagt Verhofstadt, durch bessere Kooperation und Konzentration auf das Wesentliche. Dann könne man auch die EU-Kommission verkleinern.
Allerdings macht er auch einen Seitenhieb auf Deutschland: “Europa stirbt daran, dass einige Mitgliedsstaaten denken, sie müssten es regieren. Aber die haben ja noch nicht mal die Zeit dafür, sie müssen ja ihr Land regieren.”
Offenbar stört das deutsche Europa nicht nur Griechen, Polen und Amerikaner, sondern auch die traditionell europa- und deutschlandfreundlichen Belgier…
Siehe auch “Platzt der Jubel-Gipfel in Rom?”
Oudejans
28. März 2017 @ 18:10
>>”… Aber die haben ja noch nicht mal die Zeit dafür, sie müssen ja ihr Land regieren.””
Deutschland sieht man mittlerweile an, daß seine Regierung keine Zeit hat, Deutschland zu regieren.
Verhofstadt war wohl schon länger nicht mehr hier…
F.D.
24. März 2017 @ 09:18
“Als sich die Regierungschefs oder Aussenminister der sechs EU-Gründerstaaten vor 60 Jahren in Rom zur Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) einfanden, unterzeichneten der westdeutsche Kanzler Konrad Adenauer und seine Kollegen im Kapitol einen Stapel leerer Seiten, von denen nur das erste und das letzte Blatt bedruckt waren.” ( https://www.nzz.ch/international/die-roemischen-vertraege-von-1957-fast-haette-die-schweiz-die-eu-gruenderstaaten-ausgebremst-ld.153209 ) – Die Vertrags-Entwürfe waren zwischendurch von der Putzkolonne für Papiermüll gehalten und entsorgt worden. Ein passender Anfang für ein Projekt, von dem man noch 60 Jahre später nicht recht weiß, ob es überhaupt real ist…
GS
23. März 2017 @ 16:32
Wow, erstaunlich, dass von einem ausgewiesenen Eurokraten auch mal vernünftige Worte kommen: “bessere Kooperation und Konzentration auf das Wesentliche” –> volle Zustimmung!
Was nun “einige Mitgliedsstaaten” betrifft: Nächste Woche wird dann von selbigen wieder mehr Führung verlangt. 😉
Der Oberst
23. März 2017 @ 13:50
Und jetzt? Irgendein Land muss die Führung in der EU übernehmen, wenn der Laden funktionieren sollte. Das ist eine natürliche politische Entwicklung. Wenn wir uns die Geschichte ansehen, so hat entweder Frankreich oder Deutschland die Führung in Europa innegehabt. In der Mehrzahl Deutschland. Also entweder bringt Verhofstadt praktische Lösungen auf den Tisch oder hält seinen Mund. Wenn jeder sich an der deutschen Führung stört, sollten doch die Meckerer es doch besser machen. Aber dazu fehlt dem entsprechenden Land die wirtschaftliche Macht oder den politischen Willen.
hintermbusch
24. März 2017 @ 11:28
Nein, muss nicht. Ich plädiere für weniger Führung und mehr Anarchie.
flugmax
25. März 2017 @ 11:40
Wenn ein Land die Führung übernimmt und das auch noch aufgrund seiner wirtschaftlichen Macht, kann das Nichts werden!
Peter Nemschak
23. März 2017 @ 13:03
Eine Mahnung zu mehr Subsidiarität und Konzentration auf wesentliche gemeinsame Aufgaben.