Deutsche Scharfmacher
SPD-Kanzerkandidat Steinbrück hat Italien brüskiert. Sein “Klartext” über die “Clowns” sorgte für einen diplomatischen Eklat. Doch Steinbrück ist kein Einzelfall. Einige deutsche Politiker und Ökonomen scheinen es darauf anzulegen, Italien und die Märkte zu provozieren. Wie nach der Frankreich-Wahl gießen sie Öl ins Feuer.
Es ist schon merkwürdig: Eigentlich sollten wir Deutsche Interesse an Ruhe auf den Märkten haben. Schließlich muss am Ende der deutsche Steuerzahler ran, wenn Investoren verrückt spielen und ein Land mit spekulativen Attacken an den Rand des Ruins treiben.
Besonders sollte dies für Partner wie Italien und Frankreich gelten. Sie sind nicht nur Nummer zwei und drei der Eurozone und damit viel zu groß für den Euro-Rettungsschirm. Sie sind auch wichtige EU-Nettozahler und Geberländer für den ESM.
Man sollte sie also schützen, um sie nicht stützen zu müssen. Man sollte sie beraten, aber nicht belehren. Doch was tun unsere Politiker und Experten? Sie höhnen und dröhnen, als wollten sie neue spekulative Attacken herbeireden.
Ein “Weiser” redet die Krise herbei
Als erster schlug der Wirtschafts”weise” L. Feld zu. “Investoren werden ihr Kapital aus Italien abziehen”, sagte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dies werde die Eurokrise erneut anheizen.
Dann kam Finanzminister Schäuble. Das Wahlergebnis in Italien sei ein Problem, sagte er. Der Mann, der die Märkte seit Jahren mit widersprüchlichen Äußerungen in Atem hält, drohte zwar nicht gleich mit Kapitalflucht. Doch er warnte vor einer “Ansteckungsgefahr” , was auf dasselbe hinausläuft. Die Botschaft: Italien ist krank, wir müssen es zwangs-sanieren.
Da durfte natürlich Bundesbank-Chef Weidmann nicht zurückstehen. Er nahm sich gleich einen mutmaßliches “Ansteckungsopfer” vor und mahnte Frankreich, das Defizitziel von drei Prozent zu halten – angesichts der Flaute eine fast unmögliche Aufgabe.
Das war eine Steilvorlage für FDP-Mann Brüderle. Ähnlich wie sein Parteifreund Rösler, der vor einem Jahr Griechenland zum Abschuss freigab, posaunte er hinaus, Frankreich sei “gerade dabei, grandios abzustürzen”. Belege lieferte er nicht, wozu auch?
Die Krone schoss aber wieder einmal SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück ab. Mit seiner Einschätzung, die italienischen Politiker Grillo und Berlusconi seien “Clowns”, löste er eine diplomatische Krise aus – Staatspräsident Napolitano lud ihn kurzerhand aus.
Oettinger hält sich mal zurück
Zum Glück gibt es auch noch andere Stimmen. EU-Kommissar Oettinger hielt sich ausnahmsweise einmal zurück und beurteilte die Lage in Italien “verhalten positiv”. HWWI-Chef Straubhaar warnte vor Panikmache: Instabilität sei schließlich nichts Neues in Italien.
Recht hat der Mann. Neu ist nur, dass Deutsche glauben, Italienern und Franzosen ständig reinquatschen zu müssen. Man sollte diese Besserwisser und Scharfmacher zur Verantwortung ziehen, wenn die Märkte es tatsächlich mit der Angst zu tun bekommen…
P.S. In Frankreich haben die Sticheleien, die damals sogar Außenminister Westerwelle vortrug, übrigens nicht gewirkt. Hollande blieb bei seinem Kurs, die Risikoaufschläge sind seit seiner Wahl sogar zurückgegangen…
Siehe zu diesem Thema auch meine aktuelle Umfrage: “Bringt Italien die Wende?”
Andres Müller
28. Februar 2013 @ 16:17
Wenn ich an Clowns denke, so komme ich an Etikettenschwindler Steinbrück nicht vorbei. Der beförderte Nachfolger des heimlichen Bankenretters Gerhard Schröder tarnt sich wie dieser mit roter Flagge, ist aber in Wirklichkeit mit den Bankennetzwerken weit mehr verbunden als manche Exponenten aus der FDP. Bereits im Jahr 2003 fand ein Treffen Schröders, Eichels und Clements mit Spitzenvertretern der Banken- und Versicherungsbranche statt, bei dem der Vorschlag gemacht wurde, für notleidende Kredite deutscher (Banken) -Institute eine Auffanggesellschaft zu gründen, für deren Risiken letztlich die Steuerzahler aufkommen müssen. Die Bankenrettungspakete -Lobbyarbeit auch von SPD-Führern. Steinbrück meisselte unter der grossen Koalition weiter an diesem Zitronensozialismus. Ausserdem ermöglichte Steinbrück und Müntefering den Kreditverkauf ganzer Gemeinden, setzte auf die Heuschrecken. Im Hintergrund unterhöhlte er zudem die Gewerkschaften, ermöglichte jene Abkommen in welcher Deutschland sich zum Billiglohnland entwickeln konnte. Steinbrück ist zudem zutiefst in neoliberale Netzwerke verflochten, so wie inzwischen viele leitende CEO grosser Pressehäuser. Du Umwandlung Deutschlands zum kapitalistischen Hai und die Festnagelung auf Austerizität für die Bevölkerung und Freigeld für die Banken geschah mit vereinter Kavallerie zwischen CDU und SPD und transatlantischer Netzwerke. Die Abwahl Montis mag Steinbrück sehr getroffen haben, gehört er doch zu dessen innerem Kreis, so verlor nun die Denkschmiede Bruegel in Italien an Einfluss. Gut möglich übrigens dass auch Draghi nun sauer auf die Italiener ist, und sich den dort von Bankerkreisen erwarteten EZB-Hilfen verweigern könnte.
Johannes
28. Februar 2013 @ 16:03
Stimmt irgendwie aber wenn es darum geht, Geld von uns Deutschen für die Rettung zu verlangen, werden ebenfalls genau diese Horrorszenarien an die Wand gemalt. Wenn man uns anpumpen will, ist es ok den Weltuntergang herbeizureden, aber sonst darf man das nicht? Europa ist zum Zirkus der Politiker geworden.
ralfgruner
28. Februar 2013 @ 09:56
Sehr scharfsinnige Analyse der “deutschen Krankheit”. Seit 40 Jahren lebe ich in Brüssel und stelle immer wieder fest wie die ” himmelhochjauzende” deutsche Wirtschaft den “zutodebetrübten” deutschen Politiker zu einer “Echternacher Prozession” in Brüssel treibt.
Ein Stechschritt vorwärts, um die Richtung vorzugeben, zwei Tippelschritte zurück, denn die europäischen Kinder antworten dem deutschen Familienvater mit Liebesentzug.