Chronik des Versagens (IX): Exit-Strategie

Nun will die EU-Kommission doch noch eine Exit-Strategie vorstellen. Doch die kommt zu spät – einige EU-Länder sind vorgeprescht. Schlimmer noch: Für einen geordneten Ausstieg aus der Coronakrise fehlt das Nötigste.

Kommissionschefin von der Leyen ist nicht zu beneiden: Was auch immer sie macht, es ist falsch. Schon vor Ostern wollte die deutsche EU-Präsidentin ihre Exit-Strategie – bzw. ihre Richtlinien für koordinierte nationale Strategien – vorlegen. Doch sie wurde zurückgepfiffen, u.a. von Frankreich.

Heute geht sie vor die Presse – doch jetzt funkt Ratspräsident Michel dazwischen. Der Belgier, der die 27 EU-Staaten vertritt, will natürlich auch ein Wörtchen mitreden. Und nach Angaben von „Politico“ hat er in letzter Minute noch ein paar Änderungen durchgesetzt.

Das wäre nicht weiter schlimm, würde es zu einem koordinierten Ausstieg aus den Ausgangssperren führen. Doch davon kann keine Rede sein. Österreich und Dänemark sind schon vorgeprescht. Auch in Deutschland richtet man sich nicht nach der EU, sondern nach eigenen Gutachten.

NRW-Landeschef Laschet macht mit den Gutachten sogar Politik, sprich innerparteilichen CDU-Wahlkampf. Eine Studie zur Krisenregion Heinsberg wurde, obwohl unfertig, stolz der Öffentlichkeit präsentiert und für den Ruf nach einer raschen Lockerung instrumentalisiert.

Das eigentliche Versagen liegt aber woanders: Es fehlt an EU-weit einheitlichen bzw. vergleichbaren Kriterien für den Exit – und es fehlt an den notwendigen Vorkehrungen, also COVID-19-Tests, Masken und Schutzkleidung. Die EU war nicht in der Lage, das zu liefern.

Ncht einmal die Tests, die die WHO seit Wochen fordert, sind in ausreichender Zahl vorhanden. Und die Test-Strategien unterscheiden sich von Land zu Land. Bei den Masken macht auch jeder, was er will – und schon heute kann falsch sein, was noch gestern als richtig galt.

Ist das Ganze wenigsten wissenschaftlich fundiert? Auch daran darf man zweifeln. Zum einen ist das Datenmaterial immer noch wacklig. Zum anderen fehlen klare Kriterien: Bestimmt nun die „Verdoppelungszeit“, die Sterbequote oder schlicht die Zahl freier Betten über die Lockerung?

Oder geht es letztlich gar darum, möglichst schnell wieder „aufzumachen“ und sich einen wirtschaftliche Vorteil vor „den anderen“ zu verschaffen?

Siehe auch „Sie reden von Exit“ und „Chronik des Versagens VIII: Forschung“