China-Angst und “Ukraine fatigue” – Alarmstimmung in Washington
Kurz vor den Midterm-Wahlen in den USA kommen mehrere Alarmsignale aus Washington. Der Ukraine-Krieg steuert offenbar auf eine neue Eskalation zu – Präsident Biden wirkt nervös.
Biden hat am Sonntag bei Kanzler Scholz angerufen und versucht, ihn auf seine Linie festzulegen. Neben einem Bekenntnis zur “regelbasierten Ordnung” in der China-Politik legte Biden auch großen Wert auf Kontinuität in der Ukraine, wie ein “Readout” aus dem Weißen Haus zeigt.
Deutschland soll “stehen”, während die USA nach den Midterm-Wahlen wankelmütig werden könnten. So jedenfalls wirkt die Botschaft aus Washington. Offenbar sucht Biden angesichts des erwarteten Wahlsiegs der Republikaner internationalen Rückhalt.
Es ist nicht das einzige Alarmsignal. Zuvor berichtete der “Guardian”, dass sich die USA auch um die Ukraine Sorgen machen. Präsident Selenskyj solle von seinem “Nein” zu Verhandlungen abrücken, um eine mögliche “Ukraine-Fatigue” abzuwehren.
Alarmierend klingen schließlich auch die Meldungen vom Militär. Die USA haben ihr größtes Atom-Unterseeboot, die USS Rhode Island, in Richtung Schwarzes Meer in Marsch gesetzt. Von dort aus könnte es Moskau in wenigen Minuten mit Atombomben zerstören.
Derweil fordert Stratcom-Kommander Charles A. Richard, sich auf neue Kriegsszenarien vorzubereiten. Die Ukraine sei nur eine Aufwärm-Übung:
“This Ukraine crisis that we’re in right now, this is just the warmup,” Navy Adm. Charles A. Richard, commander of Stratcom, said. “The big one is coming. And it isn’t going to be very long before we’re going to get tested in ways that we haven’t been tested a long time.”
US-Verteidigungsministerium
Wenn man Richard glauben darf, steht uns ein großer Knall bevor, und das ziemlich bald…
Siehe auch “USA vor den Midterms: die größte Abhängigkeit”. Mehr zum Ukraine-Krieg hier
P.S. Auffällig ist auch, dass die Regierung in Washington unmittelbar vor der Wahl durchsticht, dass sie noch in Kontakt mit Moskau sei und sich um De-Eskalation bemühe. Damit sollen wollen noch ein paar Wähler für die Demokraten geködert werden…
Thomas Damrau
8. November 2022 @ 09:36
Das ist absolut richtig.
Morgen könnte sich aber der Blickwinkel ändern: Bisher hat Biden bezüglich der Ukraine mit “wertegeleiteter Außenpolitik” argumentiert – “whatever-it-takes”.
Die Wähler der Republikaner erwarten von ihren Abgeordneten eher eine Bewertung gemäß “what’s in it for us”.
Thomas Damrau
8. November 2022 @ 09:10
Wenn Biden innenpolitisch zur Lame Duck wird, ist die Versuchung groß, wenigsten außenpolitisch zu punkten.
Fatalerweise hat die EU Biden einen Blanko-Scheck “You will never walk alone” ausgestellt, ohne nachzufragen, wo Biden diesen einlösen wird.
Ich befürchte weniger, dass die USA Russland nuklear angreifen werden. Eher wird die Spannung mit China zunehmen – da hat Biden im Zweifelsfall sogar Unterstützung durchs Trumps Bodentruppen im Senat.
Die Ukraine dagegen könnte Opfer betriebswirtschaftlicher Überlegungen werden: Was nützt Einfluss in der Ukraine, wenn das Land in Trümmern liegt und die USA keine Lust haben, sich an den Wiederaufbaukosten zu beteiligen, und die EU mit dem Gelddrucken nicht hinterherkommt.
ebo
8. November 2022 @ 09:24
“Betriebswirtschaftlich” rechnet sich die Ukraine schon lange nicht mehr. Sie war und ist nur geopolitisch bedeutsam, vor allem wegen des Zugangs zum Schwarzen Meer. Dort ist aber die Türkei in der “pole position”. Für die EU ist das Ganze ein einziges Verlustgeschäft, fürchte ich…
KK
8. November 2022 @ 00:23
@ Arthur Dent:
Wie ich im Vorfeld der Weltklimakonferenz in Ägypten erst erfahren hatte, hat die USA bereits in Kyoto erreicht, dass der CO2-Ausstoss sämtlichen Militärs nirgends in die CO2-Bilanzen eingerechnet wird.
Das ist so, als würde ein Diabethiker penibel seine Broteinheiten (BE) einhalten, aber grundsätzlich alles aus dem Süsswarenregal dabei nicht mit einrechnen…
Arthur Dent
7. November 2022 @ 22:42
Ach so, ist eigentlich die Durchfahrt durch den Bosporus noch gesperrt? Weiß das jemand?
ebo
7. November 2022 @ 22:47
Bestimmt nicht für die US-Marine 🙂
Arthur Dent
7. November 2022 @ 22:38
Ich denke, dass auch einige Großstädte der USA in der Reichweite russischer Atom-U-Boote liegen – dennoch ist das Auslaufen der USS-Rhode Island schon eine geschickte Provokation an die Adresse Moskaus. Aber gleich nach dem atomaren Weltenbrand kümmern wir uns dann wieder verstärkt um den Klimaschutz, versprochen!
Kleopatra
9. November 2022 @ 15:22
Vorläufig sind es nicht die Amerikaner, sondern Russen, die in Talkshows über Atombomben schwadronieren wie SS-Veteranen, die den zweiten Weltkrieg mit dem Maul doch noch gewinnen… Die hier oft geäußerten Sympathien für russische Kriegspropaganda ist erstaunlich und abstoßend.
ebo
9. November 2022 @ 15:47
Es gibt hier keine Sympathien für russische Kriegspropaganda. Aber auch keine für amerikanische, britische oder andere Kriegstreiber.
Ziel dieses Blogs ist es vielmehr, hinter den “Spin” zu schauen und das aufzuschreiben, was die PR-Abteilungen verschweigen.
Kleopatra
10. November 2022 @ 08:19
Da ich u.a. Russisch studiert habe, kann ich die schwachsinnigen Expektorationen der Sendungen des russischen Staatsfunks zum Ukrainekrieg im Original genießen, und die sind so jenseits von Gut und Böse, dass ich niemanden auf westlicher Seite im Verhältnis dazu als “Kriegstreiber” ansehen kann. Die Welteroberungsphantasien, die russische Exponenten auch in sozialen Medien verbreiten, wirken wie ins groteske überhöhte Neuauflagen von Sprüchen wie “Heute gehört uns Deutschland und morgen …”, leider ist das nicht satirisch, sondern ernst gemeint.
Ich unterstelle nicht Ihnen konkret Sympathie für russische Kriegspropaganda, aber es gibt genügend Kommentare, deren Linie sich so beschreiben lässt, dass alles geglaubt wird, was die USA in ungünstigem Licht und die russische Aggression als gerechtfertigt dastehen lässt.