Borrell gegen Russland, Maas gegen China – und Baerbock goes Atlantic Council


Die Watchlist EUropa vom 20. April 2021 –

Der umstrittene EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat sich den nächsten Lapsus geleistet. Nach dem Debakel bei seinem Moskau-Besuch im Februar stiftet er nun Verwirrung über die russische “Bedrohung”. Russland müsse seine Truppen an der ukrainischen Grenze zurückziehen, sagte Borrell nach einer Videokonferenz mit den Chefdiplomaten der 27 EU-Länder. Der russische Militäraufmarsch sei „sehr besorgniserregend“.

Doch dann brachte er die Zahlen durcheinander. Mit 120.000 Soldaten, Panzern, Feldlazaretten und anderem kriegsfähigem Material sei dies die größte Mobilisierung an der ukrainischen Grenze „aller Zeiten“, so der Spanier.

Der ukrainische Außenminister habe sogar von 150.000 Mann gesprochen, so Borrell. Die Gefahr einer weiteren Eskalation sei offensichtlich. Die Zahlen-Differenz konnte er aber nicht aufklären. Eigene Quellen nannte er auch nicht.

Somit bleibt unklar, woher Borrell seine Informationen hat. Klar ist nur, dass er die “Bedrohung” hochspielt. Bisher war von einigen zehntausend Soldaten die Rede. Und die stehen nicht an der Grenze, sondern im russischen Hinterland.

Im übrigen ist die Ukraine weder EU– noch Nato-Mitglied. Das Bündnisgebiet wird also nicht bedroht – auch wenn Kiew die Krise nutzt, um einen schnellen Beitritt zu fordern und die EUropäer in den Konflikt hineinzuziehen.

Lob für die “besonnene” Ukraine

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Auch Außenminister Maas sorgte für Irritationen. Gemeinsam mit Frankreich setze sich Deutschland weiter für die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens für eine Friedenslösung in der Ostukraine ein, so Maas.

Er sei auch für baldige Gespräche im sogenannten Normandie-Format, bei dem Berlin, Paris, Kiew und Moskau an einem Tisch sitzen.

Die Regierung in Kiew ist allerdings von „Minsk“ abgerückt. In einem Dekret, das Präsident Selenski am 24. März erlassen hat, ist sogar von der Wiedereingliederung des Donbass und der Krim die Rede.

Maas ging darauf jedoch nicht ein. Stattdessen lobte er ausdrücklich die „besonnene“ Reaktion der Regierung in Kiew auf die „Provokationen“ aus Moskau.

Auf in den Indopazifik!

Ein weiteres Thema des Treffens war die geplante neue Indopazifik-Strategie. Asien sei ein wichtiger Schauplatz des 21. Jahrhunderts, sagte Maas. Die EU dürfe die Region nicht nur ökonomisch betrachten, sondern müsse auch strategisch denken, sagte er in Anspielung auf China.

Die USA drängen die EU seit geraumer Zeit, mehr Präsenz zu zeigen und sich stärker gegen China zu positionieren. Die EU-Außenminister erklärten nun, die Region sei “für die Interessen der EU von größter strategischer Bedeutung”.

Ziel sei es, “einen Beitrag zu regionaler Stabilität, Sicherheit, Wohlstand und nachhaltiger Entwicklung zu leisten”. Dabei strebt die EU auch eine verstärkte Marine-Präsenz an, um wirtschaftliche Versorgungs- und Handelswege nach Asien zu “sichern”.

Die Fregatte “Bayern” ist schon unterwegs (kein Scherz)…

Siehe auch “Kriegsgefahr in der Ukraine – Wo sind die EUropäer?

P.S. Bei den Gesprächen der EU-Außenminister ging es auch um Kremlgegner Alexej Nawalny. Der 44-Jährige wurde nach Angaben des russischen Strafvollzugs in ein anderes Lager mit Krankenhaus verlegt. Sein Zustand wurde als “zufriedenstellend” beschrieben. Videos zeigen, wie er recht munter durch eine Zelle geht. “Der Kreml lässt gerade jemanden sterben”, sagte dagegen die grüne Kanzlerkandidatin Baerbock… – Mehr hier

Watchlist

Wie sieht es mit dem Rechtsstaat in Deutschland aus? Wird er durch die neue Corona-Notbremse gefährdet, wie Kritiker meinen? Das ist ein Thema beim Treffen der Europaminister am Dienstag (Update hier). Außerdem geht es um den Streit mit Großbritannien um Nordirland und um den Bürgerdialog zur Zukunft EUropas. Der hat gerade erst mit einer partizipativen Online-Plattform begonnen. Mehr dazu hier

Hotlist

  • Der Atlantic Council hat A. Baerbock zu einem transatlantischen Forum eingeladen. This high-profile event explores the most important elements of the EU-US relationship, including the coronavirus recovery, trade, foreign and security policy, technology and the digital transition, research and innovation, common values, and climate change, heißt es in der Einladung. – Die Einladung erfolgte kurz nach ihrer Nominierung zur Kanzlerkandidatin der Grünen. Zur Anmeldung geht es hier
  • Was steht in den EU-Verträgen mit den Pharmalabors zur Impfstoff-Beschaffung? Lange war es streng geheim – nun hat das Portal “Frag den Staat” zwei weitere Deals offengelegt. Es geht um Pfizer/Biontech und Moderna. – Die Texte stehen hier.
  • Bis zum Klimagipfel Amerikas am Donnerstag wollen sich die EU-Staaten auf ein Klimagesetz einigen. Noch gibt es Streit – um den Wald, berichtet die “FAZ”.Es wäre eine Blamage, wenn sich die EU kurz vor dem Klimagipfel des US-Präsidenten Joe Biden nicht auf ein neues Klimaziel für 2030 einigen und die Klimaneutralität bis 2050 endgültig festschreiben könnte. Auf der Bremse stehen die “üblichen Verdächtigen” Polen, Ungarn, Tschechien und Bulgarien.