Aufstand gegen Macron – wegen Mercosur
Ereilt den Mercosur-Deal dasselbe Schicksal wie TTIP? In Frankreich formiert sich massiver Widerstand gegen das geplante Freihandelsabkommen, er könnte auch Präsident Macron gefährlich werden.
Der Deal war am vergangenen Freitag bekannt gegeben worden – fünf Wochen nach der Europawahl und noch vor der Ernennung der neuen Kommissionschefin. Jean-Claude Juncker wollte (mal wieder) vollendete Tatsachen schaffen.
Macron hatte schon während der Verhandlungen Bedenken angemeldet, war jedoch übergangen worden. Wie neuerdings in der Handelspolitik üblich, setzte sich Kanzlerin Angela Merkel durch. Sie ist eben die größte Merkantilistin und erwartet die größten Profite.
In Frankreich regt sich nun Widerstand. Und zwar nicht nur von den üblichen Verdächtigen – Landwirten und Umweltschützern. Sondern auch von Abgeordneten der Regierungspartei LREM. Nach der Nationalversammlung hat die Protestwelle nun auch den Senat erreicht.
Macron habe sich für ein Europa eingesetzt, das schützt (“L’Europe qui protege”), hieß es – und nun geschehe das Gegenteil. Ein Senator sprach von einem “vergifteten Geschenk” einer “scheidenden Kommission”. Dieses Vorgehen sei schockierend.
Die französische Regierung ist in der Defensive – und hat schon klar gemacht, dass das Abkommen in der aktuellen Fassung nicht zustimmungsfähig sei. Der Mercosur-Deal muß von allen 28 EU-Staaten gebilligt werden, auch etliche regionale Parlamente müssen zustimmen.
Die Stimmung ist ähnlich aufgeheizt wie bei TTIP und CETA – nur dass diesmal nicht die Deutschen auf die Barrikaden gehen, sondern die Franzosen. Und die können bekanntlich besonders hartnäckig sein. Schon jetzt hat Macron Probleme wegen der geplanten Privatisierung der Pariser Flughäfen.
Einen Aufstand wegen bzw. Mercosur kann er gewiß nicht gebrauchen…
Siehe auch “Deal zur Unzeit”
JvB
9. Juli 2019 @ 15:03
Aber nicht nur die Chinesen und Amerikaner. Brauchen wir Frankreich überhaupt?
Holly01
6. Juli 2019 @ 12:07
Macron hat noch einen ganz anderen Pfeil im Köcher:
” https://www.bbc.com/news/world-africa-48882030 ”
Das ist eine Erweiterung der Eurozone. Die USA und China versuchen schon seit der Euro-Gründung diese französische Zone aufzuweichen und zu zerbrechen.
Wie es scheint, geht die neue Regelung über die pure Garantie von Frankreich hinaus.
Mit der flexiblen Anbindung erinnert das System an das Wechselkurssystem in Europa vor dem Euro. Da gab es ja auch Bandbreiten.
Mit der Spinnerei der USA und der damit verbundenen Unsicherheiten des Dollar Regimes, werden Alternativen immer interessanter.
Nicht zu vergessen, das es sich inhaltlich um eine Anbindung an die EZB handelt, die wird dadurch nicht an Einfluss verlieren …
vlg
Fritz - Ulrich Hein
6. Juli 2019 @ 09:49
Weg mit dem Globalisierungsgedöns. Man sieht ja, dass nur gewisse Personen Vorteile daraus ziehen. Man kann dann auch mit jedem Staat der Erde bilaterale Handelsverträge abschließen, wo jeder zu seinem Recht kommt.
Peter Nemschak
6. Juli 2019 @ 11:22
Ich fürchte, die Arbeitnehmer in der deutschen Autoindustrie hätten keine Freude, wenn ihnen die Chinesen den Zugang zu ihrem Markt verwehren, weil sie Autos in die USA verkaufen. Sie haben eine Weltsicht so einfach wie die von Trump. Nur: so einfach läuft die Welt nicht. So lange die Löhne eines einfachen Arbeiters in einem Entwicklungsland nur ein Zehntel jener in Deutschland sind, werden Sie den Migrationsdruck nicht wegbekommen. Wenn Sie unsere Wirtschaft abschließen, werden Sie sich kein Handy mehr leisten können. Die globalen Wertschöpfungsketten machen das Handy erschwinglich für alle.
Peter Nemschak
5. Juli 2019 @ 20:56
Statt die Vorteile der Globalisierung gleichmäßiger zu verteilen, frönt man dem Protektionismus, egal ob von rechts oder links. Wer sich nicht sozioökonomisch bedroht fühlt, fühlt sich in seiner Identität bedroht. Der Rechtspopulismus speist sich aus allen sozialen Schichten. Das gilt für alle westlichen Gesellschaften.
Kleopatra
6. Juli 2019 @ 07:26
Jeder Vertrag ist ein Interessenausgleich. Wenn ein Beteiligter, dessen Interessen nach den Regeln zu berücksichtigen sind (und das ist bei einem Vertrag, der von jedem Mitgliedstaat ratifiziert werden muss, jeder einzelne Mitgliedstaat), den Eindruck hat, dass seine Interessen nicht genügend berücksichtigt worden sind, darf er sich weigern, dem Vertrag zuzustimmen, ihn zu unterschreiben, zu ratifizieren etc. Kein Mitgliedstaat ist verpflichtet, einen solchen Vertrag zu ratifizieren, jeder hat das Recht, ihn platzen zu lassen. Frankreich würde nichts tun, wozu es nicht voll und ganz berechtigt wäre. Was soll also dieses allgemeine Gejammer?
ebo
6. Juli 2019 @ 09:08
Eben. Frankreich kann und darf Nein sagen. Daraus leitet sich für Macron die Möglichkeit ab, den Mercosur Deal nochmals aufzuschnüren. Hat Gabriel bei CETA auch gemacht.
Peter Nemschak
6. Juli 2019 @ 09:35
Entweder ist die Außenhandelskompetenz Sache der EU oder der Nationalstaaten. So wie es jetzt geregelt ist, ist es unbefriedigend. Man stelle sich vor, jeder US-Bundesstaat würde eine eigenen Vertrag abschließen. Es gibt regional unterschiedliche Interessen, welche auf einer höheren Ebene entschieden werden müssen. Man kann es nicht allen recht machen. Da hat der Bundesstaat USA Vorteile gegenüber dem halbgebackenen Staatenbund der EU. Das allgemeine Gejammer kommt von jenen, die sich einen europäischen Bundesstaat wünschen und jedesmal enttäuscht sind, wenn das europäische Ergebnis politischer Entscheidungen am Ende unbefriedigend ist.
ebo
6. Juli 2019 @ 11:27
Die Handelspolitik ist vergemeinschaftet, d.h. die EU-Kommission verhandelt und schließt Abkommen. Das Mandat muß jedoch ebenso von den EU-Staaten abgesegnet werden wie das Ergebnis. Das ist ja auch logisch, denn die Kommission soll die Interessen aller Mitglieder vertreten.
Kleopatra
6. Juli 2019 @ 11:30
Die Konstellation, dass jeder einzene Mitgliedstaat eine Vetomöglichkeit besitzt, ergibt sich immer dann, wenn ein Handelsvertrag über das der EU reservierte reine handelspolitische Gebiet hinausgeht. Und das war bei CETA und ist auch hier der Fall. (Genaugenommen weiß ich das selbst nicht, aber man kann es eindeutig daraus schließen, dass jeder Mitgliedstaaten zustimmen kann oder auch nicht).
Das bedeutet, dass Sie einerseits recht haben, aber es nützt nichts, denn die ausschließliche Außenhandelskompetenz der Kommission ist dann irrelevant, wenn diese bei der Verhandlung von Verträgen über das eng umgrenzte Gebiet der Außenhandelsregelungen hinausgeht. Das wichtigste Prinzip in der EU ist nämlich das, welches in der deutschen Fassung der Verträge der “Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung” heißt (Art. 5 EUV). Verträge der EU, die Gebiete regeln, die über die der EU zugewiesenen hinausgehen, müssen daher von allen Mitgliedstaaten genehmigt werden.