Tadel für Leyen, Eigenlob von Merkel – und nun wollen sie den Krebs besiegen :-)

Die Watchlist EUropa vom 03. Februar 2021 –

Der Versorgungsengpass bei den Corona-Impfstoffen wird zum Problem für EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Das Europaparlament ruft nach Erklärungen, viele Abgeordnete zweifeln am Erfolg der europäischen Strategie und fordern Nachbesserungen. In einigen europäischen Medien wird sogar der Ruf nach einem Rücktritt der deutschen CDU-Politikerin laut.

Sie sei ihrer Verantwortung nicht gewachsen und rede die Lage schön, so der Vorwurf. Das Faß zum Überlaufen brachte ein Interview mit dem ZDF. Am Sonntagabend stellte sich von der Leyen den Fragen im „heute journal“. Trotz der Lieferengpässe bei Corona-Impfstoffen sei man „gut vorangekommen“, sagte sie. Inzwischen seien zwölf Millionen Menschen in der EU geimpft worden, das sei eine „stattliche Zahl“.

Nur für Deutsche?

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Am Montag beschwerten sich viele EU-Korrespondenten in Brüssel: Wieso richtet sich von der Leyen bei so wichtigen Fragen wie der Impfstoff-Krise nur an die deutsche Öffentlichkeit, warum steht sie nicht auch ausländischen Medien Rede und Antwort? Warum wurden keine Fragen zum Eklat um Nordirland gestellt, wieso dreht sich alles nur um Berlin und den deutschen Impfgipfel?

Von der Leyens französischer Sprecher Eric Mamer hatte Mühe, der Fragen Herr zu werden. Natürlich werde seine Chefin auch europäischen Medien Interviews geben, sagte er. Und der Streit um Nordirland, wo die EU-Kommission zunächst Ausfuhrbeschränkungen für das Vakzin von AstraZeneca angekündigt hatte, was zu einem Aufschrei der Empörung führte, sei doch beigelegt. Damit war der Fall für Mamer erledigt.

Doch der Ärger hat sich nicht gelegt. Nun ist das Europaparlament am Zug. „Ursula von der Leyens Versprechen, dass bis zum Ende des Sommers 70 Prozent der Europäer*innen geimpft sein sollen, ist sehr ambitioniert“, kritisiert der grüne Parlamentarier Rasmus Andresen. Sie sei die Antwort schuldig geblieben, wie dieses Ziel trotz der Probleme noch erreicht werden soll. „Von der Leyens Impfversprechen wackelt“, so Andresen.

Es rumort im Europaparlament

Auch bei Sozialdemokraten und Liberalen rumort es, seit die Ex-Verteidigungsministerin die Keule der Exportbeschränkungen schwingt und zu protektionistischen Maßnahmen greift. Die neuen, am Wochenende verhängten Ausfuhr-Kontrollen wollen so gar nicht zur Freihandels-Doktrin der EU passen. Sie könnten auf Europa zurückschlagen, warnt der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD).

Um einen Aufstand im Parlament zu verhindern, griff die Kommissionschefin zu einem bewährten Beruhigungsmittel: Am Dienstag stellte sie sich außerplanmäßig den Fragen der Abgeordneten. Allerdings nicht in einer öffentlichen Plenarsitzung, wie dies etwa die Linke verlangt hatte, sondern in vertraulichen Treffen mit den großen Fraktionen hinter verschlossenen Türen.

Wie die Aussprache ausgeht, ist ungewiß – die Sitzungen gingen bis in den späten Dienstagabend, auch am Mittwoch sind noch Treffen geplant. Klar ist aber schon jetzt: Von der Leyen ist in die Defensive geraten. Das Impfdesaster hat ihr Image beschädigt und ihre Stellung geschwächt…

Siehe auch „Medien fordern Leyens Rücktritt“

P.S. Bisher sieht es nicht so aus, als könne das Murren im Parlament zum Problem für von der Leyen werden. Denn Kanzlerin Merkel und Präsident Macron haben sich hinter sie gestellt. Ernster ist da schon der Vorwurf, dass sie ihre eigene Behörde nicht im Griff hat und die Schuld für Fehler auf andere abwälzt. So soll nun ihr Vize Dombrovskis für den Nordirland-Eklat verantwortlich sein…

Watchlist

Bekommt die EU-Kommission noch mehr Macht in der Gesundheitspolitik? Mitten in der von Missmanagement geprägten Coronakrise hat dies der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestages, Krichbaum, gefordert. Rückendeckung bekommt der CDU-Politiker vom CSU-Europaaggeordneten Weber, der seit langem eine EU-Initiative gegen den Krebs fordert. Nun wird er erhört: Am Mittwoch stellt die EU-Kommission ihre Strategie gegen Krebserkrankungen vor. Hoffentlich wird sie besser als die Impfstrategie…

Hotlist

  • Bundeskanzlerin Merkel sieht trotz massiver öffentlicher Kritik keine gravierenden Fehler bei der Beschaffung von Impfstoff gegen das Coronavirus. „Ich glaube, dass im Großen und Ganzen nichts schief gelaufen ist“, sagte Merkel am Dienstagabend in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“. Auch dass man im europäischen Verbund bestellt habe, sei „allemal richtig“ gewesen, meldet die „Süddeutsche“. – Das sieht doch ganz so aus, als hielten Merkel und von der Leyen zusammen. Die „Merkeleyen“ sollen weiter gehen, als wenn nichts gewesen wäre…
  • Nils Melzer, der UN-Sonderberichtserstatter für Folter, erhebt schwere Vorwürfe gegen Schweden, England, Ecuador und die USA, die sich gegen den Wikileaks-Gründer Assange verschworen haben, um an ihm ein abschreckendes Exempel zu statuieren. Dies berichtet der ehemalige „telepolis“-Chefredakteur F. Rötzer im Portal „Buchkomplizen“. „Man fragt sich, wo die investigativen Journalisten in den großen westlichen Medien ihre Augen hinrichten“, fragt Rötzer. Na, wohin wohl? Natürlich nach Russland, wo es auch einen politischen Gefangenen gibt…
  • Die EU wird die Verurteilung des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny nach einer Mitteilung von Ratspräsident Charles Michel nicht akzeptieren. Die Justiz dürfe nicht politisiert werden, twitterte der Belgier am Dienstagabend. Demonstranten hätten das Recht, friedlich zu demonstrieren und ihre politischen Ansichten zu äußern. – Michel hat Recht. Doch aus denselben Gründen müßte er auch gegen die Dauerhaft von Assange protestieren, gegen die Willkürurteile in der Türkei oder die politisierte Justiz in Spanien…