Das „System Juncker“

Dieser Blog wird nicht von der EPP gesponsert. Er bringt auch keine „exklusiven“ Informationen aus der Chefetage der EU-Kommission. Wir sind hier nicht bei „Politico“ – sonst könnten Sie das, was nun folgt, nicht lesen. NEW ENGLISH VERSION HERE.

Es geht um Kommissionschef Juncker und seinen Generaldirektor M. Selmayr. Beide haben ein ebenso straffes wie autoritäres  System in der EU-Kommission errichtet, das sie „politisch“ nennen, sich aber jeder politischen Verantwortung entzieht.

Dies dürfte heute Nachmittag erneut klar werden, wenn das Europaparlament die umstrittene Blitz-Beförderung Selmayrs durch Juncker untersucht. Den Ausputzer darf dabei wieder der deutsche Haushaltskommissar G. Oettinger spielen.

Der CDU-Politiker soll bekräftigen, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Doch die Antworten, die die Kommission den Abgeordneten geliefert hat, können dies kaum belegen. Wichtige Dokumente fehlen, angeblich aus Datenschutz-Gründen.

Zudem kommt Sperrfeuer von CDU und CSU. Der Fraktionschef der EPP/EVP, Weber (CSU), hat sich schon vor der Anhörung hinter Juncker gestellt. Der Luxemburger habe selbstverständlich das Recht, sich „seinen“ Generalsekretär auszusuchen.

Junckers politischer „Berater“ für die Beziehungen zu den USA, CDU-Veteran E. Brok, feuert gleichzeitig publizistische Breitseiten gegen alle, die es wagen, seinen Protégé aus Bertelsmann-Zeiten, Selmayr, anzugreifen. Sie seien „anti-deutsch“.

Hinzu kommen Juncker alte Freunde aus der Bertelsmann-Stiftung und dem Kanzleramt. Auch sie stehen hinter „ihrem“ Kommissionschef. Kanzlerin Merkel lobte beim EU-Gipfel sogar Selmayrs „Effizienz“; Kritik kam ihr nicht über die Lippen.

Summa summarum haben wir ein Geflecht aus CDU, CSU, Bertelsmann und Bundesregierung (also ganz überwiegend deutschen Interessenvertretern), die das „System Juncker“ stützen und sich von ihm mit Gefälligkeiten versorgen lassen.

Anderswo in der EU sieht es nicht so toll aus. UK geht, Polen und Ungarn sind von Brüssel abgefallen, Italien hat gegen Juncker gestimmt. Selbst in seiner Heimat Luxemburg will man von dem ehemaligen Premier und seiner Seilschaft nichts mehr wissen.

Der „Fall Selmayr“ bietet – wie schon die LuxLeaks-Affäre – die seltene Chance, dieses in keinem EU-Vertrag vorgesehene System offenzulegen und die undemokratischen Fehlentwicklungen abzustellen. Dazu muss man aber auch wollen wollen.

Im Europaparlament scheint der Wille zur Transparenz jedoch schon wieder abzunehmen. So haben EVP/EPP, Sozialdemokraten und Liberale einen Antrag der Grünen abgeschmettert, Juncker persönlich in die Mangel zu nehmen.

Stattdessen muss Oettinger für seinen Chef geradestehen. Dabei hat auch Merkels Mann für Brüssel versagt – als Verantwortlicher für das Personal hätte er nämlich als erster die Alarmglocke auslösen müssen. Doch er nickte alles ab…

Siehe auch „Junckers deutsche Seilschaft“

WATCHLIST!

  • Wie geht es weiter im Fall Puigdemont? Nachdem sich die Bundesregierung hinter Madrid gestellt hat, steht die deutsche Justiz unter hohem Druck, die Erwartungen zu erfüllen. Ob sie dabei noch unabhängig entscheiden kann, muss sich zeigen.
  • Wie im Kalten Krieg geraten nun auch die EU-Länder unter Druck, die keine russischen Diplomaten ausgewiesen haben. Peinlich für EU und Nato: Auch Belgien hat noch nichts unternommen, dabei sitzen beide Institutionen doch in Brüssel!
  • Und dann hätten wir da noch unseren speziellen Freund Erdogan. Beim Sondergipfel im bulgarischen Warna gab es keine Annäherung. Also richten wir den Blick wieder nach Syrien, denn der Sultan will nun bis in den Irak marschieren…

WAS FEHLT?

  • Freudenfeiern über die Wiedereinhaltung des 3-Prozent-Defizitziels in Frankreich. Wie die Statistikbehörde Insee am Montag mitteilte, betrug die Staatsverschuldung 2017 insgesamt 2,6 Prozent. Doch weder Kanzlerin Merkel noch die Märkte haben gefeiert. Merke: die Drei-Prozent-Grenze ist willkürlich; ökonomisch hat sie keinerlei Bedeutung.
  • Ein Rainy-Day-Fund für die Eurozone. Nun hat sich auch IWF-Chefin Lagarde dafür ausgesprochen – wie zuvor schon Macron. Ach ja, die Franzosen, wird man sagen. Und Deutschland muss am meisten zahlen, rechnen die Agenturen vor. Ein Denkfehler – denn Frankreich und Italien zahlen relativ genauso viel; zusammen zahlen sie mehr als der „Zahlmeister“.
  • MERA25. So heißt die neue griechische Partei des Ex-Finanzministers Varoufakis. Sie ist Teil von seiner europäischen „DiEM25“-Bewegung. Die Mitglieder der Partei seien Linke, Liberale, Grüne und FeministInnen, so Varoufakis. Sie könnten zum Problem für Syriza-Chef Tsipras werden – der griechische Premier verliert zusehends an Unterstützung…