Aufrüstung spaltet die EU, Mißtrauen gegen Merz – und Freibrief für Israel
Die Watchlist EUropa vom 22. März 2025 – heute mit der Wochenchronik.
Es sollte nur noch Formsache sein. Der EU-Gipfel würde, so hofften von der Leyen & Co., die “Wiederbewaffnung Europas” absegnen und den Weg für ein gigantisches Schuldenprogramm freimachen. Schließlich gelte es, die Russen und die Amerikaner gleichzeitig in Schach zu halten – so die offiziöse Darstellung.
Doch trotz der von den Medien angefeuerten Kriegshysterie gab es beim Treffen der Staats- und Regierungschefs überraschend Widerstand. Diesmal ist nicht nur Ungarn ausgeschert. Auch aus Spanien, Griechenland und osteuropäischen Ländern kamen Vorbehalte und Änderungswünsche.
Auf dem Tisch lagen zwei Vorschläge: Von der Leyens Plan zur „Wiederbewaffnung“ – und ein Vorstoß der Außenbeauftragten Kallas, die mehr Waffen und Munition für die Ukraine fordert. Bei von der Leyen geht es um bis zu 800 Mrd. Euro, bei Kallas um bis zu 40 Mrd.
Nur Deutschland kann sich das leisten
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Beide Vorschläge sind nur durch eine massive Neuverschuldung und die Plünderung der Armeebestände umzusetzen. Deutschland ist wohl das einzige Land, das die EU-Pläne aus eigenen Mitteln bestreiten kann – vor allem wegen der geplanten Aufhebung der Schuldenbremse für Verteidigung.
Kanzler Scholz sagte denn auch Unterstützung zu. Deutschland sei mit Abstand der größte Hilfsgeber für die Ukraine, sagte er bei seinem wohl letzten EU-Gipfel. Nach der Zustimmung im Bundesrat am Freitag wurde die deutsche Militärhilfe für die Ukraine von vier auf sieben Milliarden Euro aufgestockt.
Andere Töne kamen vom spanischen Regierungschef Sanchez. Ihm gefällt das Wort „Wiederbewaffnung“ nicht. “Die Herausforderungen, mit denen wir in der südlichen Nachbarschaft konfrontiert sind, unterscheiden sich“ von der Lage im Osten. Die EU müsse mehr gegen irreguläre Migration und Terror tun.
Diplomatische Niederlage für Kallas
Das Ergebnis: Von der Leyen mußte ihren Aufrüstungs-Plan umbenennen – statt “ReArm Europe” heißt es nun “Readiness 2030” – frei übersetzt kriegstüchtig bis 2030. Kallas mußte die Waffen strecken – ihre Hilfspläne für die Ukraine wurden vom EU-Gipfel abgeschmettert.
Am Ende kam es auch noch zu Streit über die Frage, ob die EU eine/n Sonderbeauftragte/n für die Ukraine-Friedensgespräche mit den USA und Russland nominieren soll. “Wofür bin ich denn da?” soll eine empörte Kallas gefragt haben – sie lehnt den Plan ab, denn sie will offenbar keinen Frieden.
Fazit: Die Aufrüstung spaltet die EU – doch zu Frieden ist die ehemalige Friedensunion auch nicht bereit. “Die EU-Partner sind wie Schlafwandler, die langsam aufwachen”, kommentiert der “Standard”. Sie “flüchten sich in Aufrüstungsfantasien”, die vielleicht in zehn Jahren zu realisieren wären.
Doch was zählt, ist Diplomatie und Frieden – jetzt.
Siehe auch Ukraine, Aufrüstung, Migration: Risse in der EU werden tiefer
Was war noch?
- Mißtrauen gegen Merz. Europa wartet auf den nächsten deutschen Kanzler – mit Merz könne es nur besser werden, glauben viele EU-Politiker. Doch der gute Ruf, der ihm im Ausland vorauseilt, hat nichts mit der Stimmung in Deutschland zu tun. Hier herrscht großes Misstrauen. Nach der Lockerung der Schuldenbremse wird dem CDU-Chef Wählertäuschung vorgeworfen – immerhin 73 Prozent der Befragten halten diesen Vorwurf für berechtigt. Die Zustimmung zu Merz als Kanzler sinkt deutlich, so das ZDF-Politbarometer.
- Empörung über Orban. Ungarn hat die Schlussfolgerungen des EU-Gipfels zur Ukraine nicht mitgetragen. Das war erwartet worden, denn Regierungschef Orban hofft auf die Friedensgespräche, die US-Präsident Trump mit Russland führt. Dennoch gab es wütende Reaktionen. Besonders sticht dabei der ukrainische Staatschef Selenskyj hervor. Er forderte unverhohlen den Rauswurf Ungarns aus der EU. – Mehr im Blog
- Freibrief für Israel. Die rechtsradikale Regierung von Premier Netanjahu hat den Krieg in Gaza wiederaufgenommen und binnen weniger Tage mehrere hundert Zivilisten – vorwiegend Frauen und Kinder – getötet. Doch die EU findet immer noch keine klare Sprache. Der EU-Gipfel verurteilte zwar die Gewalt, nannte Israel jedoch mit keinem Wort. “Amnesty” sprach von einem “schandhaften Versuch, Israels Genozid zu rechtfertigen”.
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Helmut Höft
23. März 2025 @ 20:14
Deutschland “modifiziert” die Schuldenbremse, setzt das 60 %-Ziel (Staatsschuldenquote) auf den Topf … was ist nun mit den entsprechenden €uropäischesn Regeln??
Arthur Dent
22. März 2025 @ 22:48
“Wenn die EU keine Friedensunion mehr ist oder sein will”…, – vermutlich war sie nie eine. Beginn 1999 auf den Ratsgipfeln in Köln und Helsinki im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Einrichtung eines Militärausschusses im Jahr 2000, Entwurf einer “Europäischen Sicherheitsstrategie 2003, Beschluss über Battlegroups 2004, Einrichtung einer Europäischen Verteidigungsagentur (EDA), EU-Osterweiterung, 12 Militäreinsätze der Bundeswehr von Mazedonien bis Zentralafrika, Ertüchtigungsinitiativen im Irak, Tunesien, Mali, Nigeria…
Ein längerer Text dazu (Militarisierung der EU) ist von Norman Paech dazu im April 2018 auf den Nachdenkseiten erschienen
Michael
22. März 2025 @ 18:18
Und apropos „Freibrief für Israel“: Und wie wird es sein, diesen Sommer und die Sommer darauf!? Werden Kolonisten aus Israel sich visafrei in Europa tummeln dürfen, egal ob Kriegsverbrecher aus der Politik, Mitglieder und Reservisten der IDF die den Genozid in Gaza zu verantworten haben, oder radikale Siedlerkolonisten die Morde in der Westbank – und im Lebanon, in Syrien, im Yemen, im Iran – begangen haben? Wird einem zugemutet werden die Promenaden und Plätze, Museen, Cafés und Bars, Restaurants und Geschäfte, mit Verbrechern aus der Kolonie Israel zu teilen!? Vorstellbar ist das eigentlich nur unter der Prämisse dass Regierung und Behörden Mitschuldige sind!
ebo
22. März 2025 @ 18:20
Aber sicher doch, Merz hat sie ja schon ganz herzlich nach Berlin eingeladen!
Wondering
22. März 2025 @ 17:48
“Doch was zählt, ist Diplomatie und Frieden – jetzt.”
Wessen Frieden?
Wir wissen doch nicht einmal wer wir in Deutschland wirklich sind, die Identität der 10er Jahre wurde über den Haufen geworfen, die Ewigkeitsklausel ist nicht mehr ewig seitdem die FDGO über sie gehoben wurde (NPD II anno 17).
Wenn die EU keine Friedensunion mehr ist oder sein will, was sind dann ihre Grundlagen, wo wurden die geändert?
Zudem redet uns alle Welt in diese Prozesse hinein, nicht zuletzt immer noch die US Medienmacht die noch weniger Sinn für Wohlfahrtsstaat hat als die hießige Medienöffentlichkeit und jedgliche Regulierung immer nur als Wettbewerbshindernis für “companies and markets” sieht.
Ist Deutschland jetzt nicht eher was Spanien im 1. KK war, da nun die Ukraine, Polen, das Baltikum vor allem Polen, profitierender Frontstaat ist?
ebo
22. März 2025 @ 18:19
Mir geht es um Frieden in der Ukraine und Europa – einen gerechten, dauerhaften Frieden.
Dass das mit Putin verdammt schwer wird, ist klar. Aber da nun einmal Gespräche laufen, sollte die EU sich in diese Gespräche aktiv einschalten und nicht nur alles an Selenskyj delegieren.
Dieser spielt ein doppeltes Spiel – verhandeln via Trump, zugleich aufrüsten und Krieg führen mit immer mehr EU-Hilfe. Aus seiner Sicht mag das richtig und alternativlos sein, aus wohlverstandener europäischer Sicht ist es das nicht.
Was die Diplomatie betrifft: Sie sollte in mindestens drei Richtungen gehen: Washington, Kiew UND Moskau (New York, Peking tec. gibt es natürlich auch, aber die lassen wir der Einfavhheit halber mal weg). Bisher sehe ich nur diplomatische Einbahnstraßen aus Kiew und (wenn wir Glück haben) aus Washington nach Brüssel und Berlin.
Michael
22. März 2025 @ 19:12
Entscheidend ist einzig und allein die diplomatische Schiene Washington-Moskow weil es um die globale Ordnung geht! Die Ukraine ist dabei nur ein Bauernopfer und Europa ein Vasall!
Michael
22. März 2025 @ 15:28
Kallas und Friedensverhandlungen!? Mit Russland verhandeln!? Lächerlich! Allein der Gedanke daran – geschweige denn der Vorschlag – zeigt die geistige Verwirrung die in Brüssel und EU vorherrschen! Nur noch höchst peinlich!
KK
22. März 2025 @ 18:10
Ich hasse Opern und das dafür so typische Rumgekreische, aber ich höre mir lieber das auf Tonträger verfügbare Gesamtwerk von Maria Callas an als noch einen einzigen Satz von Kaja Kallas!
KK
22. März 2025 @ 14:26
“Deutschland ist wohl das einzige Land, das die EU-Pläne aus eigenen Mitteln bestreiten kann – vor allem wegen der geplanten Aufhebung der Schuldenbremse für Verteidigung.”
1. Aus eigenen Mitteln? LOL! Irgendwo muss sich Deutschland das unermesslich viele Geld ja erst mal leihen, damit es eigene Mittel werden können! Mal sehen, was die potentiellen Verleiher von dem ungebremsten Schuldenmachen so halten und wie teuer das für Deutschland dann tatsächlich werden wird.
2. Das ist nicht bloß eine “Aufhebung der Schuldenbremse für Verteidigung”, das ist ein Freibrief für Kriegsrüstung ohne jedes Limit! Wenn nicht für Merz – wer weiß denn, wer uns in Zukunft noch im Kanzleramt zu höcken droht?
ebo
22. März 2025 @ 14:41
Okay, aber für die Umsetzung braucht es immer noch Gesetze, also den Bundestag. Ganz allein kann ein Kanzler M. oder H. auch nicht aufrüsten – jedenfalls noch nicht…
KK
22. März 2025 @ 18:01
“Okay, aber für die Umsetzung braucht es immer noch Gesetze, also den Bundestag.”
Aber jetzt nur noch eine einfache Mehrheit – und die hat ein Kanzler für gewöhnlich! Und derzeit tropft ja auch einer ach so grünen Oppositionspartei und – zumindest auf Länderebene auch der LINKE – die Kriegsgeilheit förmlich aus allen möglichen Körperöffnungen raus! Da sind entsprechende Gesetze doch nur noch eine lästige Formsache.
Skyjumper
22. März 2025 @ 15:28
zu 1) Nichts leichter als das. Deutsche Bank, Commerzbank, und noch ein paar weitere Primär-Dealer kaufen die Bundesanleihen mit Kusshand. Anschließend als Sicherheit bei der EZB eingereicht, und schon ist das Geld da. Das ist zwar nicht im Sinne des Erfinders der verbotenen Staatsfinanzierung durch die Zentralbanken – aber gängige Praxis und völlig legal.
zu 2) Auf dem Papier hat @ebo natürlich recht. Aber in Verbindung mit der allüberall herrschenden Parteienoligarchie, z.B. in Form des Fraktionszwanges etc., ist die Papierlage leider weniger wert als die Druckkosten. Wäre es anders, es wäre gar nicht erst zu diesen Ermächtigungsgesetz gekommen.
KK
22. März 2025 @ 18:02
Ups, da hat mir doch tatsächlich der olle Freud an einer Stelle einen Umlaut untergeschoben… es soll natürlich “hocken” heissen 🙂