Annexion in der Ukraine, Explosion in der Ostsee, Rechtsruck in Italien
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Zar Putin hat die russisch besetzten Gebiete der Ukraine annektiert. Die beiden Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 sind explodiert. Und Italien rückt nach rechts.
Diese Woche war so reich an wichtigen, wenn nicht historischen Ereignissen, dass es schwer fällt, sie zusammenzufassen. Deshalb möchte ich, dem Leitmotiv dieses Blog folgend, mit zwei “vergessenen” Meldungen beginnen.
Das Pentagon, so meldet CNN, bereitet den Aufbau einer neuen Kommandoeinheit vor, die von Wiesbaden (Germany) aus den westlichen Kriegseinsatz in der Ukraine koordinieren soll.
Derweil zieht Russland fast alle seine Truppen von der Westgrenze zu Finnland und dem Baltikum ab. Die Russen seien “praktisch verschwunden”, meldet n-tv. Angreifen können sie nicht mehr.
Diese Meldungen und der Umstand, dass sie im allgemeinen Geschrei untergegangen ist, sagt fast mehr über die aktuelle brisante Lage aus als all die ebenso atemlosen wie deprimierenden Newsticker vom Ukraine-Krieg.
Bemerkenswert auch, dass sich weder EU noch Nato zu diesen Meldungen geäußert haben. Sie passen nicht ins Narrativ vom aggressiven Russland, das Europa überfallen will – und vom friedlichen Westen, der mit dem Krieg in der Ukraine nichts zu tun hat.
In Wahrheit ist der Krieg nun endgültig zum Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland geworden. Die EU hingegen wurde zum Kriegsschauplatz – mit der Sprengung von Nord Stream 1 und 2, die übrigens in von der Nato kontrollierten Gewässern passierte.
Diese erschreckenden Entwicklungen wurden von der ruchlosen und völkerrechtswidrigen Annexion der russisch besetzten Gebiete der Ukraine übertönt. Putin präsentiert sie als Sieg, der Westen als Verzweiflungs-Tat, die in den Untergang führt.
Fest steht, dass wir einer neuerlichen Eskalation beiwohnen – und dass sich keine einzige Stimme in der EU erhebt, die zu Besinnung oder Mäßigung ruft. Parlamentspräsidentin Metsola fordert sogar deutsche Kampfpanzer!
Übergewinn-Abgabe ohne Preisdeckel
Was war noch? In Italien übernehmen Postfaschisten, Rechtspopulisten und korrupte Konservative vom Schlage eines S. Berlusconi die Macht. Was das bedeutet, habe ich im “Makroskop” analysiert.
Und die EU beschließt eine Übergewinn-Abgabe, aber keinen Gaspreisdeckel. Damit doktert sie an den Symptomen herum, die Energiekrise geht jedoch munter weiter. Mehr dazu hier (taz) und hier.
Mehr Chroniken hier. Abonnement per Mail (kostenlos) hier. Und hier noch die drei besten Blogposts der vergangenen Woche:
Warum die Krise in Frankreich auch eine EU-Krise ist
Frankreichs Präsident Macron will auch nach dem Sturz seiner Regierung bis 2027 im Amt bleiben. Bis dahin dürfte er auch die französische Europapolitik bestimmen; anders als in Berlin droht kein Machtvakuum. Dennoch ist es auch eine EU-Krise.
Nato: Selenskyj hat sich verrannt, Rutte auch
Die Ukraine kann nicht mit einem schnellen Nato-Beitritt oder einer Einladung in den nächsten Wochen rechnen. Dies sagte Nato-Generalsekretär Rutte in Brüssel.
Drei fragwürdige Behauptungen zur Krise in Georgien
Die Krise in Georgien eskaliert, Brüssel gibt die Schuld allein der Regierung in Tiflis. Doch ganz so einfach ist es nicht. Hier einige dringend nötige Korrekturen.
KK
3. Oktober 2022 @ 00:45
“Fest steht, dass wir einer neuerlichen Eskalation beiwohnen – und dass sich keine einzige Stimme in der EU erhebt, die zu Besinnung oder Mäßigung ruft.”
Solche Stimmen gab und gibt es, die werden aber sogleich von den Medien und der Politik als “Lumpenpazifisten”, Putinversteher” und ähnlichem diskreditiert.
Holly01
3. Oktober 2022 @ 09:59
Interessanter finde ich die Aggression gegenüber Russland und das völlige Schweigen gegenüber den USA.
Diese Großmäuler sind ja nur mutig gegenüber Russland, weil die USA dahinter stehen.
Nach NS1 und NS2 wagt sich aber niemand auch nur in Richtung der USA zu hüsteln.
Selbst Polen ist von Kritik ausgenommen, obwohl da offen Schadenfreude gepflegt wird.
Auch da stehen die USA dahinter und den USA will man nicht in die Quere kommen.
Die setzen ihre Waffen direkt ein und nehmen keine Rücksichten.
Das ist also ein ekeliges Gekläffe unter dem Schutz der USA und sonst offene Feigheit.
Fakt ist aber eben auch:
Jetzt ist der Abstand dazu das die USA gegenüber Deutschland Gewalt anwenden “Null”.
Die Wahrscheinlichkeit das die Visegrad Staaten sich nun ermutigt fühlen auch so zu handeln ist gerade extrem gestiegen.
Polen verdoppelt seine Armee und hat in Südkorea nicht nur 2000 Panzer sondern auch 800 mobile Artillerie bestellt. Die bekommen die innert der nächsten 2-3 Jahre.
So. Und nun?
Bei den Amis haben wir gekniffen.
Bei den Polen sagen wir nichts. Werden wir da dann auch direkt kneifen?
Wie weit geht das nun und wohin?
Entschuldigen wir uns nun für unsere Existenz?
Ich finde das lustig, wenn unsere Politiker vom “Führungsanspruch” quatschen, während unsere “Freunde und Verbündeten” direkt unser Existenzrecht angreifen?
Die Bundeswehr ist komplett NATO.
Da ist nicht ein Soldat der seine Befehle aus “Deutschland” bekommt.
Die Energieversorgung ist gekappt.
Die Industrie und das Handwerk stehen vor dem Kollaps.
Unsere Politik will ich hier gar nicht bewerten. Das ist das Ergebnis von 30 Jahren Auslese nach der “Wiedervereinigung”.
Was nun?
“animal farm: Der Bauer arbeitet mit dem Metzger zusammen”
Die tragen hier gerade das Ergebnis von 4 Generationen Arbeit raus und niemand tut etwas dagegen.
Noch schlimmer, nach dem DoppelWK haben die Siegermächte eine stabilisierende Nachkriegsordnung durchgesetzt und nicht einmal die ist heute noch als Schutz vorhanden.
Die schieben und Stück für Stück an die Wand und warten das wir irgend eine irrationale Angstreaktion zeigen, die sie gegen uns nutzen können.
So fühlt sich das für mich an.
“Putinversteher” Ja ich kann Putin verstehen, das macht sein Handeln nicht richtig, aber bei dieser “Wertegemeinschaft” verstehe ich den nur zu gut.
Ich würde dieser “Wertegemeinschaft” auch lieber verlassen.
Nicht den Rücken kehren, das nicht, auf keinen Fall. Im Rücken möchte ich die auf keinen Fall haben. Heute muss man ja mit Allem rechnen, bis hin zu offenen kriegerischen Handlungen von Polen gegen Deutschland.
Führungsnation………
Ja, ne, ist klar, beim Bezahlen vielleicht.
Erinnert sich noch jemand wie die irischen Bänker das Deutschlandlied gesungen haben?
Stupid german money, da hatten die angeblich Krise und unser Geld war weg.
Die lachen uns aus, mit unserer eingebildeten, irrealen Politik.
european
2. Oktober 2022 @ 16:46
Dieses Interview mit Volker Hellmeyer auf Wallstreet-online.TV muss man sich ansehen.
https://youtu.be/ty-3i4A-ifg
Glasklare Analyse, wer hier der Gewinner ist, wer Verlierer.
Auf diesen Seiten wurde schon oft gepostet, dass all die Regimechangekriege der USA in den letzten 20 Jahren immer negative Auswirkungen auf Europa hatten. Jeder einzelne und alle zusammen. Jetzt zahlt Europa auf ganzer Linie drauf und hat kaum einen Politiker, der für die Europäer eintritt. Hier wird gerade ein ganzer Kontinent verscherbelt. Und man wundert sich über den Rechtsruck.
Nicht nur, dass die USA diesen ganzen Mist angezettelt und geschürt haben, sie profitieren wirtschaftlich, steigen zum weltgrößten LNG-Lieferanten auf. und werben jetzt aktiv europäische Unternehmen mit günstigen Konditionen und billiger Energie ab. Was wurde Sahra Wagenknecht dafür gescholten, dass sie das im Bundestag gesagt hat. Hier nochmal von der “Seite der Wirtschaft”, nüchtern, sachlich, emotionslos.
Faktenlage eben.
Ich hoffe auf Massendemonstrationen morgen am Tag der deutschen Einheit. Das ist so unfassbar. Völlig unfähige und narzistisch veranlagte Politiker in planloser Selbstüberhöhung sitzen an wichtigsten Schalthebeln und richten irreparable Schäden an.
ebo
2. Oktober 2022 @ 17:49
Hab’s mir gerade angehört. Ein heller Kopf, dieser Hellmeyer – empfehlenswert!
european
2. Oktober 2022 @ 14:47
Wenn etwas aussieht, wie eine Ente, quakt wie eine Ente und auch noch läuft wie eine Ente, dann ist die Wahrscheinlichkeit doch sehr hoch, dass es sich um eine Ente handelt.
😉
https://youtu.be/B8BygV2kZBU
Amerikanische Militärschiffe über den Pipelines in der Ostsee. In der besagten Nacht dazu noch ein us-amerikanischer Militärhubschrauber. Aber der Welt erzählt man, dass Putin höchstpersönlich seinen Taucheranzug angezogen hat, um die Pipelines zu sprengen.
Der Mann hat den Gashahn in der Hand und braucht nur zuzudrehen.
Das ist eine ebenso blödsinnige Geschichte, wie die Skripal-Affaire. Putin bringt vor den Augen aller einen ehemaligen Doppelagenten um, den er 13 Jahre lang im russischen Gefängnis still und leise hätte entfernen können, ohne das irgendjemand davon Notiz genommen hätte. Von der Nawalni-Geschichte ganz zu schweigen.
Und die Medien diesseits und jenseits des Atlantiks konstruieren die wildesten Hypothesen, weshalb das Putin gewesen sein muss. Der EUCO Präsidentin ist auch kein Quatsch zu peinlich. Hauptsache, sie kommt ins Fernsehen.
“Wir haben die dümmste Regierung in Europa” – Sahra Wagenknecht.
Mannomann….das hält ja keiner aus.
Armin Christ
2. Oktober 2022 @ 14:42
Die USA führen nicht nur Krieg gegen die russische Föderation, nein sie führen auch Krieg gegen Deutschländerland und die GesamtEU. Da tanzen die Puppen des Pentagon: Baerbock und vonderLaien, samt Parnern. Aber hier in D hat ja keiner der Verantwortklichen einen Gluteus maximus in der Hose. Menschen die die Wahrheit sagen werden gebasht und dann wundert es diese Musterdemagogen, daß die Leute rechts wählen.
Robby
2. Oktober 2022 @ 12:08
Das Gesetz des Handelns dem Agressor entreißen heißt wohl dann Eintritt in den Krieg mit Boots on The Ground. Obwohl der Westen das schon lange tut. Ich verstehe sowieso nicht warum da noch ein NATO Aufklärer in der Gegend fliegt und die Satelliten nicht neutralisiert wurden? Warum fuckt da Russland so lange herum? Spätestens
Nordstream war ja ein Act of War gegen Russland. Und Deutschland natürlich. Aber die, vergesst die, die werden erst einmal deindustrialisiert und brauchen ihre Kräfte im Inneren demnächst bei Inflationsraten um 30%.
Burkhart Braunbehrens
2. Oktober 2022 @ 10:55
Warum passen die Nachrichten vom Rückzug aller russischen Truppen von den Grenzen, wo gerade kein Krieg ist, nicht zum aggressiven Narrativ ? Ich würde das so interpretieren, dass Putin alle seine Kräfte in Luhansk und Dombasz braucht, weil er an dieser wichtigsten Front seiner Aggression schwere Niederlagen erleidet. Richtig ist, dass dies alles Sorge macht, weil wir nicht wissen können, was ein sehr angeschlagener Alleinherrscher als Nächstes tut.
Richtig ist, dass der Westen insgesamt immer noch nicht die Mittel gefunden hat, das Gesetz des Handelns dem Aggressor zu entwinden. Die unentschiedene Haltung von Teilen der EU, insbesondere aber von der deutschen Regierung, hat diese Situation mit verschuldet, ebenso dass wir unsere Abhängigkeit von den USA dadurch verstärkt haben. Liest man die Umfragen der ersten Zeit, muss man leider feststellen, dass die deutsche Regierung und die EU-Führung immer in Klarheit und Entschlossenheit viel zögerlicher waren als die Mehrheitsmeinung der Bürger. Wenn das jetzt anders aussehen sollte, hat das auch mit den Medien zu tun und mit Blogs und Artikeln wie die in lost in europe. Für mich eine große Enttäuschung.
Thomas Damrau
2. Oktober 2022 @ 14:16
Das Narrativ von den zögerlichen Regierungen und der entschlossenen Bevölkerung passt zumindest für Deutschland nicht: In den entsprechenden Umfragen erklärten ca. 45% der Bevölkerung eher Bedenken gegenüber der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine – ebenso viele waren dafür.
Ich beobachte seit Februar, dass Politik und veröffentliche Meinung in der BRD sich gegenseitig in der Forderung nach Härte und Entschlossenheit zu überbieten versuchen. Die sicherlich gerechtfertigte Empörung über Putins Aggression erfüllt inzwischen mehrere Funktionen:
– Die Selbstversicherung „Wir sind die Guten“ – zumindest im Vergleich zum Teufel Putin.
– Eine willkommene Ablenkung von all den anderen Dauerkrisen, die sich leider nicht mit Panzern und Raketenwerfern lösen lassen.
– Das wohlige Gefühl „Die Reihen sind dicht geschlossen – alle Zweifel an NATO und US-Außenpolitik sind vom Tisch“ …. wer anders denkt, ist ein Verräter.
– Eine Steilvorlage für die diversen Rüstungs-Lobbyisten, die auf wenig Widerspruch treffen, wenn sie noch mehr Geld für die Aufrüstung gegen Putin fordern – obwohl sich die russiche Armee sich bisher als disfunktional erwiesen hat.
Dabei ist bei allem „Dem Putin zeigen wir es jetzt mal“ – wie Sie selbst sagen – noch nicht klar, wie fies die russische Reaktion auf Rückschläge noch werden kann.