An diesen fünf Fronten fordert Erdogan die EU heraus
Aufatmen in Brüssel: Die Präsidenten Russlands und der Türkei, Putin und Erdogan, haben sich auf einen Waffenstillstand im syrischen Idlib geeinigt. Das macht Hoffnung, dass Erdogan auch Druck von der EU nehmen könnte. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache.
Der türkische Despot fordert die EU nämlich nicht nur an einer, sondern gleich an fünf Fronten heraus. Und nirgendwo zeichnet sich eine nachhaltige Entspannung ab.
- EU-Außengrenze in Griechenland: Die Türkei läßt 1000 bewaffnete Grenzpolizisten aufmarschieren. Zudem sollen türkische Schlauchboote in der Ägäis patroullieren. Das Ziel ist, die Flüchtlinge aus der Türkei an der Rückreise zu hindern. Das könnte zu brenzligen Situationen führen – vor allem, wenn Erdogan seine Drohung wahrmacht, auch noch syrische Flüchtlinge aus Idlib zu schicken. Bisher verharren sie vor der türkischen Grenzmauer in Syrien – weshalb Erdogans Behauptung, er habe die EU-Grenze wegen Idlib öffnen müssen, falsch ist.
- Zypern: Die Türkei unternimmt nicht nur Öl- und Gasbohrungen in den Hoheitsgewässern des EU-Mitglieds Zypern, sie schickt auch Kriegsschiffe. Trotz wiederholter Mahnungen aus Brüssel hat sich daran nichts geändert. Selbst erste, zaghafte Sanktionen der EU haben Erdogan nicht zum Einlenken bewegt. Was wird erst passieren, wenn er fündig wird – gibt es dann Krieg?
- Mittelmeer: Der türkische Despot erhebt nicht nur Ansprüche auf Zypern (Nordzypern ist türkisch besetzt), sondern auf weite Bereiche des östlichen Mittelmeers, die angeblich zum türkischen Festlandssockel gehören. Damit stellt er nicht nur die Grenzen zu Griechenland und Zypern infrage, sondern auch zu Israel und Ägypten. Einziger Verbündeter: Libyen.
- Libyen: Erdogan hat islamistische Kämpfer aus Syrien nach Libyen geschickt – angeblich, um die Einheitsregierung zu unterstützen. In Wahrheit geht es auch hier um Öl und Gas – und darum, eine zweite Front in der Flüchtlingspolitik aufzumachen. Wenn es zum offenen Krieg kommt, könnten viele Menschen versuchen, über das Mittelmeer nach Italien zu flüchten…
- Deutschland, Niederlande: In den letzten Jahren ist Erdogan nicht davon zurückgeschreckt, den beiden EU-Ländern zu drohen und sich in die Innenpolitk einzumischen. Zuletzt hat er das auch in Russland versucht – und mit einem Aufstand der Turkmenen gedroht. Über Islamschulen, Moscheen und seinen Geheimdienst verfügt der Sultan über einen langen Arm. Und neuerdings schiebt er auch noch Islamisten und mutmaßliche Terroristen nach Europa ab…
Obwohl all dies in Brüssel bekannt ist, spricht die EU-Kommission weiter vom “Partner” Türkei. Die hybride Kriegsführung Erdogans, zu der auch gezielte Desinformation gehört, wird ebenso ignoriert wie sein Großmachtstreben. Auf Betreiben von Kanzlerin Merkel bereitet die EU sogar neue Hilfszahlungen und weitere Zugeständnisse vor…
Siehe auch “Berlin will Erdogan helfen, Paris spricht von Erpressung”
Watchlist
Werden die EU-Außenminister Erdogan entgegenkommen – und sich hinter seine Politik in Syrien stellen, wie dieser neuerdings fordert? Werden sie gar eine – türkisch dominierte – “Sicherheitszone” einrichten, wie dies AKK und neuerdings wohl auch Kanzlerin Merkel vorschwebt? Dies dürfte sich am Freitag bei einem Krisentreffen in Zagreb zeigen. Letztlich geht es um die Frage, ob die EU schwächer (und erpressbarer) ist als die Nato – die hatte sich Erdogans Pressionsversuchen noch verweigert und aus dem Krieg in Syrien herausgehalten…
Was fehlt
- Brexit: “Kein Business as usual mehr” – EU-Verhandlungsführer Barnier zieht eine ernüchternde Bilanz der ersten Verhandlungsrunde über ein Freihandelsabkommen
- Klimapolitik: Schulze für schärferes EU-Klimaziel 2030 – Das ist erfreulich, doch das letzte Wort hat Kanzlerin Merkel, und die steht auf der Bremse…
- Gleichberechtigung: EU-Kommission will Frauenquote „wiederbeleben“ – Von der Leyen hat die Parität in ihrer Kommission verfehlt, nun geht sie wieder in die Offensive…
- Coronavirus I: Italien denkt in Viruskrise laut über Aussetzen der EU-Schuldenregeln nach – Die Eurogruppe hat im Prinzip schon grünes Licht gegeben, aber selbst nicht gehandelt
- Coronavirus II: EU-Parlament verlegt Sitzung von Straßburg nach Brüssel – Das Europaparlament wollte ohnehin nicht mehr reisen, da kommt das Virus gerade recht. Dabei geht es auch in Brüssel um..
Boris
8. März 2020 @ 12:47
Zu allen 5 Punkten des Artikels:
Die Türkei gehört nicht in die EU und seit Erdogan auch nicht mehr in die NATO. Alles Geld, dass man diesem Despoten bisher in den Hin… geschoben hat und noch wird, sollte eingesetzt werden um die Grenzen der EU zu sichern, die Türkei aus Zypern und dessen Hoheitsgewässern zu eliminieren und es sollte kein einziger Euro mehr als “Beitrittshilfe” in die Türkei fließen. Es ist traurig, dass einzig Frankreich (ja natürlich wegen eigener Interessen bei der Gaserschließung, na und?) militärische Präsenz im Mittelmeer bei Zypern zeigt. Türkei raus aus der NATO und komplett vom Westen isolieren, dann wird Erdogan zwischen der EU und Russland zerrieben und bald Geschichte sein. Und wenn dann ein gemäßigter Kandidat in der Türkei an der Macht ist, darf er ja gerne mal vorsichtig an der Tür klopfen und um Einlass bitten.
Holly01
8. März 2020 @ 12:45
Wie tief zerrissen ist das Bündnis eigentlich, wenn man sich jetzt schon in Wort und Tat beweisen muss, das man zum gemeinsamen spielen noch immer bereit ist?
” Europa vorwärts verteidigen
Die Bundeswehr hat über ihr Presse- und Informationszentrum die entsprechenden Sprachregelungen ausgegeben. Mit dem Manöver, heißt es, würden die USA “ein deutliches Bekenntnis” zur Sicherheit Europas abgeben, während “umgekehrt die europäischen Partner” zeigen, “dass sie gemeinsame Vorhaben verlässlich unterstützen”. ”
aus
” https://www.heise.de/tp/features/Deutschland-muss-mehr-Verantwortung-uebernehmen-4678336.html?seite=all ”
vlg
Peter Nemschak
7. März 2020 @ 20:48
Solange die anderen Staaten und ihre Wirtschaftssubjekte den Dollar de facto mangels ausreichender Alternative annehmen müssen, können die USA ihre Defizite finanzieren. Wo sollen die EU und China ihre Überschüsse veranlagen ? Die schiere relative Stärke der USA macht es möglich.
Holly01
7. März 2020 @ 09:28
Türkisch-russische Patrouille auf der M4, zur Kontrolle der 12 Meilen breiten Schutzzone für die Straße.
Die EU übt sich in einer extrem einseitigen und dummen Sichtweise, während die Türkei als US-Statthalter und Russland, mit den „Rebellen“ good cop-bad cop spielen.
Wer die Karte bemüht, erkennt, das dieses Abkommen die „Rebellen“ geographisch einschränken.
Sie werden vom Mittelmeer abgeschnitten und können nur noch über die Türkei versorgt werden oder über die Türkei flüchten.
Dieses Mal keine Absprache über einen Fluchtkorridor.
Die Rebellen werden „festgenagelt“. Da ist auch nichts, was als Selbstversorgung dienen könnte.
Also festgenagelt und abhängig und natürlich ein nie endender Pool für die CIA oder andere Idioten …
vlg
Peter Nemschak
7. März 2020 @ 11:50
Das primäre Interesse der EU muss sein, dass in Syrien Ruhe einkehrt, egal ob mit oder ohne Assad und dass die Türkei aufhört eine aggressive Außenpolitik in Syrien und Libyen zu betreiben. Außer Geld hat die EU keine anderen Machtmittel, um ihren Interessen Geltung zu verschaffen. Das Schicksal der Rebellengruppen in Idlib hat wenig Relevanz für die EU. Erdogan hat die Flüchtlinge dazu benutzt, Geld für seine Kriegskasse zu erpressen. Wenn die EU klug ist, wird sie die Gelder für die Flüchtlinge in der Türkei kürzen – Infrastruktur dafür ist aus vergangenen Hilfszahlungen geschaffen worden – und weiterhin darauf bestehen, dass die Hilfsgelder durch unabhängige Hilfsorganisationen eingesetzt werden und nicht im türkischen Staatsbudget verschwinden. Humanitäres Nachgeben arbeitet nur in die Hände von Erdogan.
Holly01
7. März 2020 @ 17:00
Ich denke Sie verkennen die Situation.
Der Dollarraum wird von Zinsforderungen aufgefressen. Die USA können nicht einmal den status quo finanzieren. Einen Krieg zu führen ist ausgeschlossen. Seit Jahren finanziert das Ausland die ganze Kriegsmaschinerie und dann taucht das Geld als Staatsschuld in der Bilanz auf.
Die USA gewinnen keine Kriege. Aber man kann auch gegen die USA keinen Krieg gewinnen.
Syrien ist eine Größenordnung, wo ein Weltkrieg (also das letzte Aufbäumen des Hegemons) nicht lohnt. Nur darum tanzen da alle auf dem Vulkan.
Die EU kann rein gar nichts machen.
Als Dackel der USA ist sie fixiert. Tritt die EU aus dem Schatten, muss sie die USA beerben. Die USA brechen ohne EU zusammen. Es gibt kein miteinander, es gibt nur entweder oder.
Es ist auch nicht sicher, ob die EU den Zusammenbruch des Dollar überleben würde.
Da sind die Differenzen innert der EU nicht eingepreist. Die gibt es auch noch.
Diese Zusammenarbeit EU über die Türkei mit Russland und Einschluss der USA ist genial.
Diese Söldner sind nicht mehr in eine Gesellschaft einfügen. Da ist so etwas wie Resozialisierung völlig unmöglich.
Das ist eine Zeitbombe und die kann man nicht beseitigen und nicht ignorieren.
Wir werden sehen ….
vlg
Holly01
6. März 2020 @ 08:14
Egal welche Variante kommt, das CIA Spielzeug (Rebellen) ist auf jeden Fall abgesichert.
Ob das nun Bleiberecht heisst oder Schutzzone oder auch nur Waffenstillstand, ist am Ende egal.
Das wird jetzt so eine Nummer wie mit den Palästinensern in Jordanien und Syrien. Riesige lager, fremd versorgt, immer Unruhe und Unzufriedenheit und auch sonst unerfreulich.
Da kommen auf Generationen unberechenbare Zustände auf uns zu.
vlg
Florian
6. März 2020 @ 09:58
Welcome to the “Axis of Evil”, Mr. Erdogan!
ebo
6. März 2020 @ 10:25
Aber nicht doch. Die USA und UK unterstützen den Autokraten, sie loben sein Vorgehen in Idlib. Es ist eben “unser” Schurke – bzw. ihrer.
Holly01
6. März 2020 @ 12:45
Dann fassen wir doch zusammen:
Was auch immer die Türkei tut, passiert “im Auftrag oder in Vertretung” der USA.
Damit sitzen die USA auch hinter der Aktion vor Zypern, an der griechischen Grenze und was hier noch so im thread aufgeführt wurde.
Ich werte ausgeführte Politik höher als dummes Gerede vor den Kameras.
Die USA ziehen den Feuergürtel um die EU enger und erhöhen den Schaden permanent.
An den Börsen verbraten die “Investoren (70% des Investmentbankings betreiben dei WS Banken) Billionen.
Alleine im ersten Schub (es läuft gerade der zweite) sollen es 5 Billionen gewesen sein (Verlust an Marktwert, damit Verlust an Beleihung und damit Verlust an Investitionskapital aka Firmenkredite).
Aber keine Sorge, das Geld ist ja nicht weg, es hat nur ein anderer ….
Unsere “Freunde und Verbündeten” … ja klar …. “Wertegemeinschaft” …….
vlg
Holly01
6. März 2020 @ 13:12
Ich würde dann auch den *räusper* “Militärputsch in der Türkei mal anders bewerten und damit das Ende der Beitrittsverhandlungen.
Ich denke da kann man auch den Brexit in den Sack werfen.
Sind die Amis etwa keine Fans der EU?
vlg