Merkels kaputtes EUropa
Zwei Tage nach der Europawahl beraten die EU-Chefs in Brüssel über die Folgen. Offiziell blicken sie nach vorn – es gilt, die Brüsseler Chefposten auszukungeln. In Wahrheit richten sich alle Augen auf Kanzlerin Merkel und ihr kaputtes deutsches EUropa. Wird sie wieder die Bürger verraten?
Europa hat gewählt – und seine hässliche Fratze gezeigt. Nationalisten haben in Frankreich, Großbritannien und Dänemark gesiegt. In Ungarn sind sie an der Macht, in Österreich und Holland drängen sie nach vorn.
Insgesamt erzielten die Rechten mit rund 20 Prozent des beste Ergebnis aller Zeiten. Populistische Parteien werden im neuen EU-Parlament mindestens ein Viertel der Sitze erobern, mehr als Grüne und Liberale.
Viele Probleme sind hausgemacht. Einige wurden durch die falsche Politik der “Euroretter” erzeugt oder verschärft. Vor allem die Austerität hatte verheerende folgen (siehe “Europe is in a mess”).
Es droht eine Führungskrise
Allein Problemen gemeinsam ist aber, dass sie das Geschäft von Kanzlerin Merkel erschweren. Wenn nicht alles täuscht, droht ihr eine schwere europäische Führungskrise.
Lange konnte Merkel ungestört am deutschen Europa basteln. Missliebige Referenden in Frankreich, den Niederlanden und Irland wurden einfach ignoriert, scheinbar ohne Folgen.
In der Eurokrise wurde die von Merkel gewünschte Politik – nicht mehr ganz so einfach – erzwungen, mit Hilfe von “Konditionalität” und Troika. Proteste verhallten ungehört, der Kurs war “alternativlos”.
Wie Merkel ihre Macht sichert
Ihre Macht sicherte Merkel – von der Öffentlichkeit kaum bemerkt – durch ein informelles Bündnis auf zwei Ebenen: mit den Niederlanden und Finnland in der Eurogruppe, mit Großbritannien im Rat.
Doch nun muss sich die eiserne Kanzlerin etwas Neues einfallen lassen. Denn es gibt kaum noch Partner, auf die sie sich zuverlässlich stützen kann. Nur Italien steht nach dieser Wahl etwas besser da.
Die einfachste Lösung wäre natürlich, eine starke, integrationswillige EU-Kommission zu ernennen. Doch das hat Merkel schon vor zehn Jahren – bei der Kür von Noch-Chef Barroso – verhindert.
Der gefesselte Juncker
Ein ähnliches Desaster droht nun auch weder. Entweder macht Merkel Juncker zum Kommissionschef – und legt ihm Fesseln an. Oder sie setzt sich über die Europawahl hinweg und sucht ihren Wunschkandidaten.
Sollte es am Ende wieder ein Barroso (oder ein geknebelter Juncker) werden, hätten wir eine neue Facette dieses kaputten EUropas: mit einer Europawahl, die gar keine war – und einer EU ohne Volk…
fufu
27. Mai 2014 @ 15:52
@ebo, warum machst Du permanent Hoffnungen auf eine irgendeine demokratische Legitimation oder sogar Volksabstimmungen. Du weisst doch wohl selbst, dass diese nach den gescheiterten Abstimmungen ueber eine EU-Verfassungen nie mehr kommen werden. Jetzt haben wir eben eine GroKo auch in Bruessel (wie fast ueberall), dann eine Troika, dann ein paar Generalsekretaere wie im obersten Sowjet. Und wenn Du dann schoen linientreu bist darfst Du fuer 1 Woche an den Ballermann.
Johannes
27. Mai 2014 @ 15:18
“Die einfachste Lösung wäre natürlich, eine starke, integrationswillige EU-Kommission zu ernennen.” – Also der Satz zeigt doch deutlich, der Autor hat die Warnung nicht verstanden. Nein, viel schlimmer, schneller und tiefer muss jetzt die Integration ablaufen. Jetzt bin ich mir immer mehr sicher, die EU wird zerfallen, die Warnungen von uns Bürgern kommen nicht mehr bei der Elite in Brüssel an, ich bin fassungslos über solch einen Satz.
ebo
27. Mai 2014 @ 15:23
Offenbar geht Dir der Zerfall nicht schnell genug. Arm/reich, Nord/Süd, Euro/nicht-Euro – das muss noch weiter auseinander fallen? Ich bin für eine weitere Integration, wenn sie demokratisch legitimiert ist. Mit Juncker wäre das machbar, allerdings braucht es natürlich noch weitere demokratische Sicherungen, inkl. Volksabstimmungen, die dann auch respektiert werden. Merkel hat sich noch über jede Abstimmung hinweggesetzt…
winston
27. Mai 2014 @ 13:24
Möchte daran erinnern das die Wählerschaft von FN hauptsächlich Arbeiter sind, also eigentlich die Klientel der Linken.
Die haben einfach die Schnauze voll von dieser EU und vor allem vom Euro und fühlen sich von den Linken verraten.
Das Hauptproblem der Eurokrise ist der Euro selbst.
Man dachte mit dem Euro hätte man ein Instrument um die Völker Europas zu vereinen, quasi Zwangsmässig, passiert ist genau das Gegenteil.
Die Krise wird weiter gehen und die Euroskeptiker weiter an Macht gewinnen.
Vom Brüsseler Politbüro erwarte ich gar nix, ausser alternativlos weiter wie bisher.
Diese Wahlen waren ein erster Schuss vor dem Bug für den Schwarz, Rot, Grüne Europäische Einheitsbrei.
fufu
27. Mai 2014 @ 12:46
@Dissident, Sie haben recht, es sind ideologisch gehirngewaschene Fanatiker, zur Durchsetzung ihrer gescheiterten Ideologie werden sie Panzer gegen das Volk rollen lassen. Die Sowjetunion laesst gruessen.
heiko
27. Mai 2014 @ 11:16
Rechts ist natürlich nicht so toll, aber populistisch ist doch hervorragend. Populistisch heißt im Namen des Volkes – das was die Üblichen verdächtigen in ihrer gnadenlosen Arroganz über die Jahre völlig vermasselt haben.
Dissident
27. Mai 2014 @ 09:47
Herr Bonse, wenn die EU sich weiter integrieren soll, dann sollte das NUR der Souverän entscheiden. Sie reden das Wort für die EUSSR. Das ist infam.
Merkel trägt keinerlei Schuld an der Situation! Das einzige, was sie machen könnte, ist den gesamten deutschen Wohlstand in die Waagschale werfen für das “politische Projekt”; ändern würde das nichts, sondern nur den Staatsbankrott Deutschlands beschließen.
Ihre Argumentation ist geradezu größenwahnsinnig. Es ist das willentliche, ideologische Hochhalten eines gescheiterten “politischen Projekt”, das gerade kollabiert. Und zwar aufgrund von Hybris…
Peter Nemschak
27. Mai 2014 @ 10:14
Wer für die Integration Europas ist, die zweifelsohne uns allen enorme Vorteile gebracht hat, wird nicht umhin können, den Euro auf den Prüfstand zu stellen. Er hat der Integration mehr geschadet als genützt. Nachdem es unwahrscheinlich ist, dass sich die Wirtschaften im Süden Europas in absehbarer Zeit strukturell dem Norden anpassen können und wollen, andererseits die Mehrheit im Norden – egal wen sie diesmal gewählt hat – eine Transferunion mit massiven Einkommenstransfers in den Süden nicht wünscht, bleibt nur die Alternative, dem Süden den Austritt aus dem Euro zu ermöglichen. Das mag für alle Beteiligten kurzfristig sehr teuer und unangenehm und daher undenkbar sein, würde aber dem gemeinsamen Europa langfristig helfen. Griechenland wird der nächste “acid test” sein.
hanny
27. Mai 2014 @ 09:33
Also eines muss man ja den Politiken lassen, Angst kennen sie keine, ich hätte schon morgens Angst vor die Tür zu gehen
T-Mac
27. Mai 2014 @ 09:00
Sagtest du nicht zuletzt Juncker wäre für Cameron ein No-Go? Ansonsten störe ich mich irgendwie an dem Etikett ‘populstisch’, warum nicht besser ‘nationalistisch’. Durch die Brandmarkung populistisch wird mMn versucht der Diskussion um Inhalte weiter auszuweichen (Siehe zB gestern abend bei hartaberfair). Wo das hinführt haben wir Sonntag gesehen.