Die Welt vor Trump

Kurz vor der Amtsübernahme von US-Präsident Trump hält die Welt den Atem an. Vor allem EU-Politiker fürchten das Schlimmste. Dabei reden sie sich die aktuelle Weltlage schön – eine kritische Bilanz. English version.


[dropcap]W[/dropcap]as passiert, wenn ein übergeschnappter Immobilienmagnat das Weiße Haus übernimmt? Droht dann das „Ende des Westens“, wie Ex-Außenminister Fischer fürchtet – und viele mit ihm?

Nobody knows. Trumps Machtübernahme lässt nichts Gutes ahnen. Allerdings ist die Lage auch nach den Feldzügen der Neocons unter W. Bush und dem US-Rückzug unter Obama alles andere als gut.

Wir erinnern uns: Bushs Verteidigungsminister Rumsfeld hat versucht, die EU in „alte“ und „neue“ Europäer zu spalten. In Washington wurde französischer Wein weggeschüttet, Champagner war verpönt.

Unter Obama war es mit diesen kindische Provokationen zwar vorbei. Doch auch unter dem gefeierten Demokraten genossen Europa und die EU keine Priorität – Obamas Hauptaugenmerk galt Asien.

Auch um „den Westen“ stand es zuletzt nicht zum Besten. In Wahrheit löst sich die „Wertegemeinschaft“ schon seit Jahren auf – hier eine kleine, politisch nicht korrekte Bilanz der Weltlage vor Trump:

  • Europapolitik: Obama hat sich wenig um die EU gekümmert. „Fuck the EU“ rief seine Europabeauftragte Nuland aus. Der Brexit fiel in seine Amtszeit – die USA haben die Briten nicht davon abgehalten.
  • Handel: Obama hat zuerst mit der Pazifikregion verhandelt, nicht mit den Europäern. Das TPP-Abkommen sollte zur Blaupause für TTIP werden. Zu Zugeständnissen war Washington nicht bereit.
  • Wirtschaftspolitik: Unter Obama haben die USA der Welt ihr Gesetz aufgezwungen. Iran-Sanktionen, Umweltauflagen, VW-Dieselgate, Rekordstrafen für europäische Banken – ökonomischer Nationalismus pur.
  • Außenpolitik: Obama wollte einen Neustart mit Russland, endete aber in einem neuen Kalten Krieg. Darunter leidet vor allem Europa, während US-Unternehmen weiter Handel treiben. Nur der Iran-Deal war ein Erfolg.
  • Verteidigungspolitik, Nato: Unter Obama befanden sich die USA im permanenten Kriegszustand, vor allem mit Drohnen. Die Nato spielte keine große Rolle. Sie zog sich erfolglos aus Afghanistan zurück – ein Debakel.
  • Terrorismus: Zum ersten Mal hat sich eine Terror-Organisation staatlich organisiert. Der „Islamische Staat“ ist schlimmer als Al Kaida und zielt auf Paris, Brüssel, Berlin – und die USA.
  • Flüchtlinge: Obama sah tatenlos zu, wie alle „roten Linien“ in Syrien überschritten wurden. Das Flüchtlingsdrama überließ er erst der Türkei, dann Europa. Die USA nahmen kaum Syrer auf.

Die Europäer hätten also allen Grund, mit Obama zu zürnen und sich von den USA zu emanzipieren. Stattdessen verschließen sie die Augen vor der neuen Realität und glorifizieren den „Westen“ – wie im Kalten Krieg.

Bitte aufwachen, dies ist das 21. Jahrhundert, die 80er Jahre sind vorbei! Damals war es übrigens ein gewisser Reagan, der die Europäer (auch mich) auf die Barrikaden brachte…

Siehe auch Krise West (II)