Eine Chance für Griechenland?
Alle reden von der Türkei. Dass die Krise dort auch eine Chance für EUropa sein könnte, hört man jedoch selten. Dabei wird diese Meinung sogar von US-Finanzminister Lew vertreten.
Der gescheiterte Putsch und der Ausnahmezustand in der Türkei sollten die EU veranlassen, mehr für Griechenland zu tun und endlich die Schulden umzustrukturieren, sagte Lew der “FT”.
Nur wenn die Schuldenkrise endlich gelöst werde, wie dies auch der IWF fordert, könne Griechenland als der dringend benötigte “Anker für regionale Stabilität” dienen, so der US-Finanzminister.
Athen habe durch das Chaos in Ankara geopolitisch an Bedeutung gewonnen, betont Lew . Er hoffe, dass die Türkei-Krise auch das “Klima” in der Eurogruppe verändert habe und eine Einigung möglich mache.
Das hieße aber, dass Deutschland seinen Widerstand gegen einen Schuldenschnitt aufgibt. Doch davon ist derzeit nichts zu sehen. In Berlin hat man Lews Interview kaum zur Kenntnis genommen.
Auch in Brüssel deutet nichts darauf hin, dass die Türkei-Krise als Chance begriffen wird – z.B. um Griechenland bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu stärken.
Das wäre kluge Politik, falls Sultan Erdogan auf die Idee kommen sollte, den Flüchtlingspakt zu kündigen. Doch stattdessen ducken sich die EU-Granden weg, sie warten wohl auf Erdogan und Merkel…
Johannes
25. Juli 2016 @ 22:48
Schön! Die USA können dann auch für Griechenland zahlen wenn denen das Land soooooo wichtig ist.
Übermorgen zwinge ich Herr Bonse meine Rechnungen auf, aber irgendetwas sagt mir, dass er das ablehnen wird, komisch, dabei will er genau das mit ALLEN Deutschen machen.
ebo
26. Juli 2016 @ 09:07
Griechenland kann seine Schulden ohnehin nie zurückzahlen. Schäuble täuscht dich und Deutschland über die wirtschaftliche Realität. Das Land wird nach dem Ende des dritten Bailouts auch nicht auf eigenen Beinen stehen…
Peter Nemschak
26. Juli 2016 @ 09:44
Deutschland wird den Schuldenverzicht, wenn er erfolgt, real nicht merken. Der reale Güter- und Dienstleistungstransfer von Deutschland nach Griechenland ist längst erfolgt und wird Deutschland in Zukunft nicht schmerzen. Nur, warum soll Deutschland auf der bisherigen Basis weitermachen, wenn es die gelieferten Güter und Dienstleistungen entweder selbst konsumieren oder woanders hin gegen Geld oder werthaltige Forderungen exportieren kann? Auch nach einem Schuldenverzicht wird Griechenland nicht umhin kommen, eine leistungsfähige Wirtschaft und staatliche Verwaltung zu entwickeln. Anders wird die Masse seiner Bevölkerung nicht wohlhabender werden. Was soll es bringen Griechenland im Euro zu halten? Ein Verbleib im Euro würde in Griechenland nichts zum Positiven verändern.
Peter Nemschak
23. Juli 2016 @ 07:09
@ebo …hätte vielleicht vor einigen Jahren den Kollaps der Eurozone zur Folge gehabt. Heute wäre das Risiko ungleich kleiner. Der Euro darf keine Zwangsjacke sein, weder für ein bestimmtes Land noch für die anderen Mitglieder der Währungszone, welche heute gezwungen sind Griechenland um jeden Preis durchzufüttern. Das ist prinzipiell unzumutbar. Warum sollen sich die politischen und sozialen Verhaltensweisen der griechischen Gesellschaft in absehbarer Zeit ändern? Warum sollte Griechenland auf einmal den Anschluss an die postmoderne Dienstleistungs- und IT-Gesellschaft finden? Griechenland ist schlicht nicht reif für die sehr kompetitive Eurozone. Punktuell erhält Griechenland ohnedies Finanzhilfe von der EU, um die Belastung durch Flüchtlinge zu erleichtern. Technische Hilfe für die Entwicklung einer effizienten Verwaltung und Justiz sowie projektbezogene Unterstützung wären wesentlich sinnvoller als dem Traum eines Transfereuropas nachzulaufen. Das ist falsch verstandene Solidarität. Die Amerikaner sehen Europa mit den Augen des amerikanischen Bundesstaates. Die EU ist anders, for the better or worse.
Peter Nemschak
22. Juli 2016 @ 23:55
@ebo Ja, ich will das im Interesse von Griechenland und uns allen. Ökonomisch macht ein Verbleib Griechenlands in der Eurozone keinen Sinn. Was ökonomisch keinen Sinn macht, macht auch politisch keinen Sinn. Politische Lösungen, die nicht ökonomisch fundiert sind, haben kurze Beine. Griechenland kann nur sich selbst reformieren – wenn es will. Die griechische Gesellschaft darf nicht Europa zur Last werden. Das erzeugt unnötig Animositäten.
Skyjumper
22. Juli 2016 @ 20:52
Ein Schuldenschnitt wird für Griechenland lediglich auf dem Papier etwas bringen. Da die derzeitigen Schulden so gut wie keine (prozentual gesehen) Zinsen kosten und die Rückzahlung der Schulden sowieso bis zum St. Nimmerleinstag verschoben wurde oder aus neuen Hilfspaketen erfolgt, würde sich die Liquidität von GR nicht bessern. Wahrscheinlich eher im Gegenteil. Denn ein Schuldenschnitt treibt die Zinsen für neue Anleihen deutlich nach oben und GR ist weit davon entfernt einen real ausgeglichenen Haushalt zu haben.
Die Aussage von Lew würde ich anders werten.
Die USA, und wahrscheinlich GB, suchen nach einem Weg es sich leisten zu können die Türkei aus der Nato zu werfen. Dafür allerdings braucht es dann wirklich ein starkes Griechenland. Ob das allerdings aus griechischer, italienischer, französischer, deutscher Sicht so eine gute Idee wäre wage ich zu bezweifeln.
alex
22. Juli 2016 @ 18:49
@ebo: Du glaubst doch nicht wirklich, dass man in Brüssel oder Berlin, nach dem brutalen Griechenland-Bashing der vergangenen 8 Jahre, sich jetzt schlagartig wandelt und endlich vernünftige Europa-Politik macht? Die Situation ist höchsten dafür, geeignet der Schuldenkolonie noch ein paar Kriegsschiffe und Flugzeuge anzudrehen. Gut für das Geschäft von Kerneuropa – nur dafür steht die EU noch, die Leute dort in Südeuropa wissen das schon längst.
ebo
22. Juli 2016 @ 20:26
Nein das glaube ich auch nicht. Dennoch sollte Schäuble wissen, wessen Spiel er spielt. Ich fürchte ja, dass er Griechenland jetzt erst recht rauswerfen will…
Peter Nemschak
22. Juli 2016 @ 20:47
Was spricht dagegen, Griechenland geordnet mit Schuldennachlass aus dem Euro zu entlassen? Eine pauschale Dauersubventionierung via Transferunion ist weder politisch durchsetzbar noch wirtschaftlich sinnvoll.
ebo
22. Juli 2016 @ 21:26
Warum wollen Sie Griechenland aus dem Euro werfen? Das Land ist Geisterreich wichtiger denn je, wie Lew korrekt analysiert. Ein Rasuwurf hatte den Kollaps der Eurozone zur Folge, wollen Sie das?
bluecrystal7
24. Juli 2016 @ 05:38
Absolut richtig Alex, meine Rede. Besonders letztes Jahr – wir erinnern uns 😉 – wurde die miserable Berichterstattung zu Griechenland/die Schuldenkrise und das dazugehörige Bashing auf die Spitze des Eisberges getrieben. Einfach nur unerträglich…
Clooney
22. Juli 2016 @ 14:57
Wenn ich sehe was in der Welt alles los ist dann bin ich doch froh das in Griechenland trotz großer Probleme und hoher Arbeitslosigkeit die Bevölkerung sowie die Regierung immer die Demokratie gewahrt hat. Es gibt sicherlich einiges zu tun in GR aber auf einer soliden Demokratie kann man aufbauen und all diese Probleme die sollten uns Europäer zusammschweißen. Am Ende sind wir nämlich nur gemeinsam stark um die vielen Probleme wie Terror, Flüchtlichingskrise und und und zu lösen.
Skyjumper
22. Juli 2016 @ 20:01
@ Clooney
Ich will’s ja nicht be-unken, aber die nächste Nicht-Establishment-Partei der sich die Griechen zuwenden werde, wird die Goldene Morgenröte sein. Und das Militär in Griechenland ist auch jederzeit für einen Putsch gut.
Kleoni
22. Juli 2016 @ 14:04
einen Schuldenschnitt wie vorgeschlagen wäre nicht im Sinne von Goldman Sachs gewesen, genausowenig wie der Rausschmiss aus dem Euro. Bezahlen müssen – wie immer – die kleinen Leute, damit die Reichen und Superreichen ihre Gewinne maximieren können.
Peter Nemschak
22. Juli 2016 @ 16:23
Was für ein Interesse soll Goldman Sachs daran haben, dass es keinen Schuldenschnitt gibt? Unwahrscheinlich, dass GS eine Griechenlandposition am eigenen Buch hält. Im Gegenteil, bei einem Schuldenschnitt oder gar bei einem Euroaustritt fallen saftige Beraterhonorare an – ein gutes Geschäft für Investmentbanken mit entsprechender Expertise.
Peter Nemschak
22. Juli 2016 @ 13:40
Man darf die Wirkung eines Schuldenschnitts nicht überschätzen. Griechenland kann allein auf Grund seiner Größe nicht jene Zahl an Flüchtlingen aufnehmen wie es bisher die Türkei getan hat. Ein Schuldenschnitt sollte jedenfalls mit dem Ausscheiden aus dem Euro verbunden werden, da Griechenland heute genau so wenig die Voraussetzungen für einen Beitritt zur Eurozone erfüllt wie zum Zeitpunkt als das Land beigetreten ist. Insgesamt kann die EU nicht jene Zahl an Menschen aufnehmen, die ihre angestammten Wohngebiete im Mittleren Osten und südlich der Sahara verlassen müssen oder wollen. Auch bei Flüchtlingen wird man eine jährliche Obergrenze einziehen müssen, innerhalb derer legale Zuwanderung möglich wäre. Eher früher als später muss die EU sicherheitspolitisch das Vakuum füllen, das die USA in unserer Region dabei sind zu hinterlassen. Unter einem Präsidenten Trump würde der Rückzug noch schneller als bisher erfolgen.
S.B.
22. Juli 2016 @ 11:39
“…könne Griechenland als der dringend benötigte “Anker für regionale Stabilität” dienen, so der US-Finanzminister.”
Oh oh, wenn ich einen US-Regierungsvertreter der dort seit Längerem herrschenden “Elite” etwas von “regionaler Stabilität” schwadronieren höre, kommen mir keine guten Erinnerungen, weshalb ich daraus auch nichts Gutes für die Zukunft ableiten kann. Aber damit gehöre ich bestimmt ins VT-Eck. 😉
Zu GR: Der Schuldenschnitt hätte gleich zu Beginn der GR-Krise gemacht werden müssen und zwar 50:50 (Die einen haben betrogen, die anderen haben sich bewusst betrügen lassen). Im Zuge des Schuldenschnitts hätte dann aber auch der Rausschmiss aus dem Euro erfolgen müssen (am besten wäre der Euro damals gleich ganz determiniert worden). Dann wäre Europa jetzt schon wieder auf dem aufsteigenden Ast. Aber hätte, wäre, könnte…
Peter Nemschak
22. Juli 2016 @ 16:29
Der Eurobeitritt Griechenlands war politisch motiviert. Die damalige Regierung Griechenlands war verantwortungslos. Entgegen ökonomische Vernunft soll man keine Politik machen. Das geht auf Dauer nicht gut.