Wüsten-Gipfel ohne Wert(e)
Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich zum zweitägigen Wüsten-Gipfel mit der Arabischen Liga in Scharm el Scheich versammelt. Schon am ersten Tag mußte sich Kommissionschef Juncker für das bizarre Treffen rechtfertigen.
“Fühlen Sie sich nicht schlecht, wenn Sie so viele Diktatoren treffen müssen”, fragte ARD-Korrespondent M. Preiß den Luxemburger im Luxus-Badeort am Roten Meer.
“Ja, aber wenn ich nur lupenreine Demokraten treffen wollte, dann wäre meine Arbeitswoche schon am Dienstag beendet”, gab Juncker in gewohnt sarkastischer Manier zurück.
Nun ja, am Mittwoch wäre immer noch die wöchentliche EU-Kommissionssitzung in Brüssel – immerhin da sollten doch die europäischen Werte hochgehalten werden.
Werden sie aber nicht. Seit dem Türkei-Deal von Kanzlerin Merkel 2016 hat sich die EU immer mehr auf die schiefe Ebene der zynischen Realpolitik ziehen lassen. Die Wertegemeinschaft hat abgedankt.
Nach dem türkischen Sultan Erdogan sollen nun auch Ägyptens General al-Sisi oder Saudi-Arabiens skrupellose Machthaber helfen, das Mittelmeer und die Golfregion abzuriegeln.
Sie sollen nicht nur als Türsteher Europas dienen, sondern auch noch Auffanglager für Flüchtlinge errichten, so genannte “regionale Ausschiffungs-Plattformen”, wie der EU-Gipfel im Juni beschloß.
Doch das hat sich als Fata Morgana erwiesen. Die Herren der Arabischen Liga denken gar nicht daran, Flüchtlingslager für die EU zu bauen. Und wenn, dann wollen sie Geld sehen, genau wie Erdogan.
Ägyptens al-Sisi ließ dies zu Beginn des Wüsten-Gipfels bereits unmißverständlich durchblicken. Doch die EU will nicht zahlen, jedenfalls noch nicht. Es ist ein Gipfel ohne Wert – und ohne Werte.
Die Idee dazu hatte diesmal übrigens nicht Merkel – sondern Österreichs rechtskonservativer Kanzler Kurz, der sich neuerdings auch besonderer Beliebtheit bei US-Präsident Trump erfreut…
Siehe auch “Wer lügt in Scharm el Scheich?”
WATCHLIST:
- Wird der Brexit nun doch verschoben? Kurz nachdem Premierministerin May angekündigt hatte, die entscheidende Abstimmung im Unterhaus bis zum 12. März aufzuschieben, präsentierte der “Guardian” das neueste Gerücht: EU-Ratspräsident Tusk soll eine Verschiebung bis Ende 2020 befürworten, also bis zum Ende der ohnehin vorgesehenen Übergangsfrist. Allerdings müsste May das noch offiziell beantragen – es wäre eine Bankrotterklärung. – Mehr hier
WAS FEHLT:
- Der Streit um deutsche Waffenexporte. Pünktlich zum Gipfel in Scharm el Scheich drängen Briten und Franzosen die Bundesregierung, die strikten Waffenexport-Richtlinien zu lockern. Sie ärgern sich über das deutsche Embargo gegen Saudi-Arabien, denn sie möchten endlich wieder Kriegsgerät an die Scheichs verkaufen. Kanzlerin Merkel scheint das durchaus zu billigen; angeblich hat sie schon einen Geheimdeal mit Paris getroffen, um noch mehr Deal zu ermöglichen!
Peter Nemschak
25. Februar 2019 @ 15:10
@ebo Die Mittelmeerunion hätte an den Zuständen in Nordafrika und im Nahen Osten nichts geändert.
ebo
25. Februar 2019 @ 15:30
Doch, denn die französischen Pläne kamen vor dem Syrien-Krieg, der Flüchtlingskrise und der Terrorwelle in Europa. mit der Mittelmeerunion hätte sich manches auffangen oder besser steuern lassen. Aber damals war Merkel noch nicht die “Flüchtlingskanzlerin”, und für Nordafrika hat sie isch auch nicht interessiert!
Holly01
25. Februar 2019 @ 17:15
Das sind alles deutsche “Verwertungszonen” ……..
vlg
Kleopatra
25. Februar 2019 @ 20:24
Nicht nur. Die Pläne kamen auch, bevor man idiotischerweise Gaddafi in Libyen gestürzt hat, mit dessen chaotischen Nachfolgern man heute ähnliche Geschäfte zur Zurückhaltung von Afrikanern macht, wie sie vor zehn Jahren schon Silvio Berlusconi machte. Um nach zehn Jahren wieder an derselben Stelle zu landen, hätte man M.al-G. nicht zu stürzen brauchen.
Peter Nemschak
25. Februar 2019 @ 10:57
Wegen der Instabilität der nordafrikanischen Partnerländer kann die derzeitige Lösung nur temporär sein. Um eine Verstärkung der Außengrenzsicherung und anderer Maßnahmen wird die EU nicht herumkommen, will sie die Interessen ihrer Bürger durchsetzen. Wir leben als Europäer in einer wenig friedlichen Welt und wollen unsere Art zu leben verteidigen.
Holly01
25. Februar 2019 @ 11:58
Sie meinen diese Instabilität, die die CIA mit dem arabischen Frühling herbeigeführt hat, um jegliche staatliche Ordnung zu beseitigen und CIA genehme Dackel zu installieren.
Zufall … alles nur ein großes Missverständniss, da können Sie auch den UNHCR fragen, der gewarnt hatten die Mittel für die mühsam von der Wertegemeinschaft herbeigeführten Flüchtlingslager zu kürzen, weil das zu Fluchtbewegungen führen könnte.
DAS konnte ja nun auch niemand vorhersehen.
Die EU hat Millionen Existenzen in Afrika zerstört in dem man “Partnerschaftsprogramme” aufgesetzt und ei Teilnahme erzwungen hat, die lokalen Märkte ruiniert und die Natur mit rücksichtslosem Rohstoffdiebstahl und die “Gewinne” dann noch in die Taschen von einer handvoll (selbst ausgewählter und installierter) Oligarchen gestopft.
Diese Oligarchen sind jetzt keine zuverlässigen Partner?
Unglaublich …..
vlg
Peter Nemschak
25. Februar 2019 @ 12:27
Die Bevölkerungsexplosion in Ägypten und ganz Afrika ist kein Ergebnis der CIA. Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass die Europäer ihr gutes Leben nicht der Migration aus dem Süden opfern wollen. Es ist verständlich, dass das eigene Hemd Priorität vor dem Rock der anderen hat. Egoismus ist Teil des menschlichen Überlebenstriebs. Man sollte so ehrlich sein offen dazu zu stehen statt mit dem moralischen Finger auf andere zu zeigen.
ebo
25. Februar 2019 @ 13:02
Ich erinnere nur an die Mittelmeerunion. Sie wurde von Merkel verhindert. Jetzt sagt sie, die Zusammenarbeit mit der Arabischen Liga sei alternativlos. Einen Plan hat sie aber immer noch nicht…
Peter Nemschak
24. Februar 2019 @ 22:36
Was ist an Realpolitik zynisch? Politik wird nun einmal von Interessen bestimmt . Das beginnt beim Wähler, welcher jene Partei wählt, welche seinen Interessen am nächsten kommt und endet auf der Ebene von Staaten, welche ihre Interessen durchzusetzen suchen. Hinter vorgeschobener Moral verbergen sich Interessen. Solidarität ist das Ergebnis der Einsicht, dass sich individuelle Interessen effektiver gemeinsam als allein durchsetzen lassen. Auf diese Weise sind Gewerkschaften entstanden.
ebo
25. Februar 2019 @ 09:09
Wie wär’s mit dieser Erklärung aus dem “Guardian”? Der Zynismus zeigt sich am Timing, aber auch an Gesprächspartnern wie Al-Sisi:
“Das Ereignis an sich ist eine Premiere, aber das Herangehen wirkt vertraut. Während (Ägyptens Staatschef) Abdel Fattah al-Sisi seine Herrschaft festigt und dabei über das waltet, was Human Rights Watch als Ägyptens schlimmste Menschenrechtskrise seit Jahrzehnten bezeichnet, murmeln die europäischen Staaten bei solchen Themen irgendetwas von “stiller Diplomatie”. Und dann bauen sie einfach die Beziehungen weiter aus und verschaffen ihm den Anschein internationaler Legitimität, auf den er angesichts seiner miesen Bilanz seit der Ergreifung der Macht in einem Militärputsch im Jahr 2013 angewiesen ist. Al-Sisis jüngste Serie von Hinrichtungen ist aufschlussreich: Er muss sich sicher gewesen sein, dass die Exekution von Menschen trotz offenkundig unfairen Prozessen so kurz vor dem Gipfeltreffen keine negativen Folgen nach sich ziehen wird.”
Holly01
24. Februar 2019 @ 22:23
Die Madison Ave verkauft die Migration über Bertelsmann als „notwendig“.
Der Hegemon ist positioniert.
Was hat die EU denn erwartet? Offene Arme? Inhaltsreiche Gespräche?
Die USA sitzen immer mit am Tisch ……
Hat Junker gedacht es kann die „tolle“ EU als moralisches Gegengewicht zu den USA positionieren?
Ne, ganz sicher nicht.
Ich roll´ vor lachen über den Boden …..
vlg