Wird von der Leyen “halbe” Spitzenkandidatin?
Was wird aus von der Leyen? In ihrer Rede vor dem Europaparlament hat die scheidende Kommissionschefin keine Antwort gegeben. Nun gibt es neue Spekulationen.
Ausgangspunkt ist die Meldung, dass VDL nicht in ihrer Heimat Hannover bei der Europawahl antreten will. Dennoch könne sie Spitzenkandidatin der EVP werden, schrieb der “Rundblick” aus Niedersachsen.
Danach erschien dieselbe Geschichte auf “Politico”, dann in der “Süddeutschen”. Angeblich haben mehrere EVP-Politiker bestätigt, dass die CDU-Politikerin auch ohne Mandat als “Spitze” antreten darf.
Dies ist mit Vorsicht zu genießen. In der EVP entscheidet einer – M. Weber. Und von ihm haben wir noch nichts gehört. Offiziell ist auch noch immer nicht geklärt, wie das Wahlverfahren 2024 laufen soll.
Klar ist nur eins: Ohne eigenen Wahlkreis und direktes Mandat hätte von der Leyen immer noch keine demokratische Legitimation – niemand könnte sie nach Brüssel bzw. Straßburg wählen, nichtmal in Hannover.
Wenn die EVP sie trotzdem aufs Schild heben sollte, so macht sie sie zur “halben”, ungewählten Spitzenkandidatin. Diese Position wird damit entwertet, das gewählte EU-Parlament würde erneut geschwächt…
P.S. Scharfe Kritik kommt von den Europa-Grünen: “If this confirms, it would be an unacceptable denial of European democracy. As Greens we are fighting for European citizens to have a say in who leads the European Union. But if the scenario described by Politico materialises, von der Leyen will be hiding from the citizens on the days of the European elections in June 2024”. Die deutschen Grünen schweigen…
In den meisten parlamentarischen Systemen wird der Regierungschef vom Staatschef ernannt / vorgeschlagen und benötigt für seine Amtsführung das Vertrauen / die Zustimmung des Parlaments. Das heißt, dass generell der Regierungschef kaum je unmittelbar gewählt wird; gewählt wird normalerweise das Parlament, ohne dessen Zustimmung er nicht regieren kann. (Der Präsident der USA ist das seltene Gegenbeispiel eines Regierungschefs, der von den Wählern, wenn auch indirekt, gewählt wird; dafür braucht er nicht das Vertrauen des Parlaments).
Ungefähr dasselbe geht im Europäischen Parlament vor. Der Rat schlägt einen Kandidaten für die Stelle des Kommissionspräsidenten vor, das Parlament kann ihn bestätigen oder ablehnen. Wenn das Parlament sich Kandidaten gefallen lässt, die ihm gegen den Strich gehen, ist nicht das System daran schuld. UvdL hat im Parlament eine Mehrheit für sich und ihre Kommission bekommen.
Das im Parlament propagierte „Spitzenkandidatensystem“ ist wenig funktional, nicht verbindlich (nicht in en Verträgen verankert) und nicht vollständig durchdacht – was passiert denn, wenn eine Partei die meisten Sitze, aber nicht die meisten Stimmen bekommt? Warum sollte eine Partei, die die meisten Sitze hat, aber weit von einer Mehrheit entfernt ist, den Kommissionsvorsitz bekommen?