Wie weit wird Polen gehen?
Polen will den Verteidigungsetat auf vier Prozent des BIP erhöhen – auf den höchsten Stand aller Nato-Staaten. Regierungschef Morawiecki begründet die exorbitanten Mehrausgaben mit dem Krieg in der Ukraine. Was hat er vor?
In einem “nie dagewesenen” Schritt werde Warschau 2023 vier Prozent des BIP “für die polnische Armee” ausgeben, sagte Morawiecki. Der Krieg in der Ukraine lasse Polens Bewaffnung “noch schneller” voranschreiten als die Nato fordert (zwei Prozent).
Doch was hat die polnische Armee mit dem Krieg in der Ukraine zu tun? Will sie noch mehr Waffen liefern – oder bereitet sie sich selbst auf einen Einsatz jenseits der polnisch-ukrainischen Grenze vor? Die Ankündigungen der letzten Wochen werfen viele Fragen auf.
Erst hieß es, man wolle Leopard-Panzer schicken – Warschau führte Berlin öffentlich vor. Als die Bundesregierung zögerte, drohte Warschau mit einem Alleingang. Kaum war das Ziel erreicht, brachte Warschau die Lieferung von Kampfjets ins Gespräch.
Alles war mit der Ukraine abgesprochen. Nach seinem Besuch in Washington hat Präsident Selenskyj eigens einen Zwischenstopp in Warschau gemacht. Auch mit Litauen – dem Land, in dem die Bundeswehr die Nato-Ostflanke absichert – spricht sich Polen ab.
Das sogenannte “Lublin-Dreick” (Litauen, Polen, Ukraine) versteht sich als Speerspitze des ukrainischen EU-Beitritts. Es war an den massiven Pressionsversuchen gegen Deutschland aktiv beteiligt und hat im Panzerstreit sogar der EU und der Nato die Show gestohlen.
Das hat Polen offenbar ermutigt, noch weiter zu gehen. Was kommt als Nächstes?
Bildet Polen eine “Kampfjet-Allianz”, etwa mit den Niederlanden, Frankreich und den USA, die sich bereits aufgeschlossen zeigen? Kommt dann auch die Flugverbotszone in der Ukraine, die Warschau schon vor einem Jahr gefordert hat – damals vergeblich?
Bereitet man sich gar auf einen direkten Konflikt mit Russland vor? Wer derart massiv aufrüstet wie Polen, muß sich kritische Fragen gefallen lassen…
Siehe auch “So will Polen die EU in den Krieg ziehen”. Mehr zum Krieg in der Ukraine hier
P.S. US-Präsident Biden will nach Polen reisen. Dies unterstreicht einmal mehr die Bedeutung des Landes im Krieg – zumal die Reise wohl rund um den Jahrestag des Kriegsbeginns am 24. Februar erfolgen dürfte…
Arno Gottschalk
1. Februar 2023 @ 17:17
Die massive Aufrüstung Polens dürfte nicht zuletzt darauf abzielen, die Position Polens in der NATO – und als engster Alliierter der USA – in der EU zu stärken.
Aufmerken lässt aber auch diese Meldung, wonach – laut dem früheren Außenminister Radosław Sikorski – in der polnischen PiS-Regierung zu Beginn des russischen Angriffskrieges über eine Aufteilung der Ukraine nachgedacht worden sein soll: https://english.almayadeen.net/news/politics/partitioning-ukraine-was-an-option-earlier-in-war:-former-po Bis dato galt das nur als russische Propaganda.
Helmut Höft
31. Januar 2023 @ 14:16
Geheimdienstveteranen warnen. Na und? 🙁
An anderer Stelle las ich (Link ist leider verschütt gegangen), dass Gen. Mark Milley lamientierte: “Die Militärs warnen, es sind die Zivilisten [Politniks und Medien] die hetzen!”
Stef
31. Januar 2023 @ 12:49
Zuerst einmal sollte man nicht übersehen, dass die Ankündigung 4 % des BIP für Militär auszugeben erst einmal nur eine politische Aussage ist. Selbst wenn man das erforderliche Geld dafür mobilisiert (und sei es durch Schulden), sind damit die erforderlichen Produktionskapazitäten für einen solchen Expansionskurs noch lange nicht aufgestellt.
Will sagen: M.E. will sich die ponische Regierung auch angesichts der kommenden Expansion des Militärisch-Industriellen-Konplexes günstig aufstellen, vielleicht fällt die eine oder andere Munitionsfabrik dann für Polen ab. Was man nachher mit dem ganzen neuen Militärmaterial anstellt steht auf einem anderen Blatt. Da dürften insbesondere die USA ein Wort mitreden wollen.
Nicht vergessen die neuen Stichworte für den nächsten volkswirtschaftlichen Kraftakt nach Corona: “Kriesgwirtschaft”, “Triple-Wumms”und “6 %-Ziel”! Alles für Waffen, Militär und Rüstung.
Helmut Höft
31. Januar 2023 @ 08:10
Wie weit wird Polen gehen? Vielleicht soweit? Das hatte immerhin 226 Jahre(!) Bestand. Halt, schon okay,war nur Spaß 😉
Alexander
31. Januar 2023 @ 08:40
Dass Polen spätestens nach der zu erwartenden Niederlage der „ukrainischen“ Armee in die Westukraine einmarschieren könnte, wird ja schon länger diskutiert.
Aber wie abwegig ist eigentlich der Gedanke, dass ein ultranationalistisches „Großpolen“ mit einer 500000-Mann-Armee auf die Idee kommen könnte, die von von Deutschland geforderten 1300 Milliarden auf militarischem Wege einzutreiben?
Arthur Dent
31. Januar 2023 @ 00:16
Laut Frankfurter Rundschau vom 30.01.2023 (22:17 Uhr) ist Polen bereit F-16 zu liefern. Allerdings doch nicht so ganz im Alleingang. Ich frag mich allerdings, wie die in die Ukraine kommen sollen und welcher ukrainische Pilot die fliegen soll? Eine militärische Strategie lässt sich dahinter nicht erkennen.
Alexander
31. Januar 2023 @ 08:30
Es wird behauptet, dass längst zehn- bis zwanzigtausend Polen in der Ukraine kämpfen! Ein paar Piloten oder Panzerfahrer werden sich da auch noch finden lassen. Und zur Belohnung gibt es vielleicht die “historischen Gebiete” zurück …
KK
30. Januar 2023 @ 22:16
@ european:
Alle Länder der Osterweiterung sind Netto-Empfängerländer (und wenn sie es irgendwann mal nicht mehr sein werden, weil sie die Altmitglieder wirtschaftlich überholt haben, dann nur wegen der Aber-Milliarden aus Brüssel); wäre das nicht so, wären sie gar nicht beigetreten!
Und wenn unsere Regierung so weiter macht, wird Deutschland auch bald Netto-Empfängerland sein. Falls es dann noch was zu verteilen gibt.
KK
30. Januar 2023 @ 22:10
@ ebo:
“Polen liegt zudem im Clinch mit der EU-Kommission, weil es den Rechtsstaat abbaut.”
Wieso Clinch?
Polens PiS bemüht sich doch nur nach Kräften, das Land auf das von der EUCO als so vorbildlich dargestellte Demokratie-Niveau der Ukraine zu bringen… Orban bekommt den Druck jetzt auch nur, weil er nicht jeden Sanktions-Unsinn der EUCO mittragen will [Ironie off]
european
30. Januar 2023 @ 18:57
Lustig, wenn man bedenkt, dass Polen als Nettoempfängerland die höchsten Transferleistungen der EU bezieht. Das wird die Nettozahler aber freuen, z.B. die Italiener, auf denen Deutschland so gern herumprügelt.
Mit vollen Hosen ist gut stinken 😉
12,9 Milliarden waren es in 2021
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38139/umfrage/nettozahler-und-nettoempfaengerlaender-in-der-eu/#:~:text=Polen%20ist%20im%20Jahr%202021,Union%20(EU%2D27).
ebo
30. Januar 2023 @ 19:00
Polen liegt zudem im Clinch mit der EU-Kommission, weil es den Rechtsstaat abbaut. Allerdings scheut Kommissionschefin von der Leyen davor zurück, in Warschau genauso durchzugreifen wie bei Viktor Orban in Budapest…
european
30. Januar 2023 @ 19:04
Naja, die Wahlen stehen auch bevor und beim letzten Mal war die PIS Partei das Zünglein an der Waage und Frau von der Leyen will sich nicht selbst ins Knie schießen, und westliche Werte zu eigenen Lasten durchsetzen. 😉
KK
30. Januar 2023 @ 18:35
Anscheinend stört dabei auch nicht die Bandera-Verehrung, deren jüngste Auswüchse erst von polnischen Regierungspolitikern verurteilt worden sind…
Seltsamerweise (!) findet meine Suchmaschine entsprechende Beiträge über empörte Reaktionen aus Polen über die jüngste Bandera-Verehrung mittels Fackelmärschen und sonstigem, u.a. der Rada am 01. Januar per Tweet nicht mehr, die ich in den MSM dazu gelesen hatte, nicht mehr…
Dann muss das hier reichen (auch ein kleiner Exkurs in Geschichte):
https://visegradpost.com/de/2023/01/08/gedenkfeiern-fuer-stepan-bandera-in-der-ukraine-kommen-in-polen-schlecht-an/
https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/die-richtlinien-von-stepan-bandera-sind-dem-oberbefehlshaber-wohlbekannt/
Der Artikel des FREITAG befindet sich leider hinter dem Kollektenkörbchen:
https://www.freitag.de/autoren/jan-opielka/kiew-und-warschau-trennen-geschichtsbilder-die-vom-nationalismus-praegt-sind
Ute Plass
31. Januar 2023 @ 22:55
„Anscheinend stört dabei auch nicht die Bandera-Verehrung, deren jüngste Auswüchse erst von polnischen Regierungspolitikern verurteilt worden sind…“
https://www.clemensheni.net/27-januar-2023-mit-leopard-2-panzern-denkmaeler-in-der-ukraine-schuetzen-die-nach-holocausttaetern-benannt-sind/