Wie Borrell die Welt sieht, wie Orban den Osten spaltet – und Lauterbachs Impfpläne

Die Watchlist EUropa vom 30. März 2022 –

Es ist eine gute Nachricht mitten im Krieg: Russland und die Ukraine reden wieder miteinander. Allerdings nicht in Minsk oder in Brüssel, sondern in Istanbul. Die EU ist an den Gesprächen nicht beteiligt.

Sie will dazu auch nichts sagen – obwohl es am Dienstag einige positive Überraschungen gab. So erklärte sich Moskau bereit, die militärische Aktivität rund um Kiew und Tschernihiw drastisch zu verringern.

Kiew brachte einen Verzicht auf den Nato-Beitritt ins Spiel. Der neutrale Status soll durch Sicherheitsgarantien abgesichert werden. Als Garantieländer werden Israel, die Türkei, Kanada und Polen genannt. 

Wiederum fehlt die EU. Dabei ist die Ukraine doch der wichtigste EU-Partner – glaubt man dem Außenbeauftragten Josep Borrell. Der äußerte sich am Dienstag auf einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „The birth of a geopolitical Europa“.

Mit keinem anderen Partnerland habe man so enge Verbindungen wie mit der Ukraine, sagte er. Und von niemandem sei man schwerer getroffen worden als von Russland. Nun stecke Europa in einer „existenziellen Krise“.

Wie konnte es dazu kommen? Warum hat die EU, die vor zehn Jahren den Friedensnobelpreis erhielt, den Frieden verloren? Wie ließe er sich wiederherstellen? Wie soll es nach dem Krieg weitergehen?

Borrell sagte dazu nichts. Das eigene Scheitern ist in Brüssel kein Thema, eine neue Friedensordnung für Europa auch nicht. Alles dreht sich um Hilfe für die Ukraine, die in diesen Tagen zum Dreh- und Angelpunkt der EU geworden ist – und um die Bestrafung Russlands.

Mit dem Öl kam das Unheil

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Die will Borrell noch weiter treiben. Kein Land dieser Welt dürfe künftig noch Öl aus Russland kaufen, sagte er. Das Öl sei der Schlüssel zur militärischen Aggression gewesen. Eine seltsame These.

Wäre sie richtig, müsste sich die EU nun auch von den USA distanzieren, die in den letzten Jahren zu einem wichtigen Öl- und Gasproduzenten aufgestiegen sind. Oder von Saudi-Arabien. Das tut sie aber nicht.

Auch eine geopolitische Strategie lässt Borrell vermissen. Der Spanier spricht weder von Interessen noch von Geografie – dabei sind das die Grundlagen der Geopolitik. Den Begriff „Eurasien“, den die Geopolitiker der USA gern im Munde führen, verwendet er auch nicht.

„Die Gefahr wird nicht verschwinden“

Er spricht nur von Gut und Böse, den Demokraten und den Autokraten, dem „regelbasierten System“ und den „systemischen Rivalen“ (Gegnern). Der Kampf um die Ukraine sei ein Kampf für Freiheit und Demokratie.

Und dann sagt er noch den Satz, der die Zukunft EUropas bestimmen könnte: „Die Gefahr wird nicht verschwinden, selbst wenn der Krieg beendet wird.“ Es klingt, als müsse Russland noch Jahre oder Jahrzehnte isoliert und niedergehalten werden.

Wenn das stimmt, dann wird in Europa wieder ein Eiserner Vorhang fallen. Der Kontinent wird erneut geteilt, der Zugang nach Osten, nach Asien, dauerhaft gesperrt. Es wäre DIE geopolitische Niederlage des 21. Jahrhunderts…

Watchlist

Zerfällt die Visegrad-Gruppe, wird Ungarns Regierungschef Orban isoliert? Diese Frage steht im Raum, nachdem ein für Mittwoch geplantes Treffen der Verteidigungsminister Ungarns, Polens, Tschechiens und der Slowakei geplatzt ist. Das Verteidigungsministerium in Budapest bestätigte die Absage. Das Treffen der sogenannten Visegrad-Vier-Staaten werde zu einem späteren Zeitpunkt abgehalten, hieß es. Der Grund ist Orbans Russland-Politik. Er hat sich zwar den EU-Sanktionen angeschlossen, will aber keine Waffen an die Ukraine liefern und weiter Öl aus Russland beziehen…

Was fehlt

Die neuen Impfpläne von Gesundheitsminister Lauterbach. Bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel hat der SPD-Politiker für eine vierte Corona-Impfung für alle ab 60 Jahren geworben. Die EU-Kommission werde “innerhalb kürzester Zeit auf Basis wissenschaftlicher Expertise eine Empfehlung zur vierten Impfung erarbeiten”, sagte Lauterbach nach dem Treffen. Der Umgang mit einer möglichen vierten Corona-Impfung soll nun EU-weit angeglichen werden. Allerdings sind die Bedingungen sehr unterschiedlich. Deutschland hinkt nicht nur bei den Impfungen hinterher… – Mehr hier