Was Putin will, was der Osten kriegt – und wie sich das EU-Parlament blamiert

Die Watchlist EUropa vom 15. Dezember 2021 –

Bundeskanzler Scholz macht da weiter, wo seine Amtsvorgängerin Merkel aufgehört hat: Der SPD-Politiker will sich bei seinem ersten offiziellen Besuch in Brüssel um eine Vermittlung in der Ukraine-Russland-Krise bemühen. Bereits am Mittwoch, beim Gipfeltreffen mit den Ostpartnern, ist ein Dreiergespräch zwischen Scholz, dem französischen Präsidenten Macron und dem ukrainischen Staatschef Selenskyj geplant.

Beim eigentlichen EU-Gipfel am Donnerstag will Scholz dann für einen neuen Dialog mit Kremlchef Putin und für die Rückkehr des “Normandie-Formats” werben, in dem sich Deutschland, Frankreich, die Ukraine und Russland jahrelang um eine Friedenslösung für die Ostukraine bemüht hatten.

Die Wiederbelebung dieses Formats hatte schon Merkel versucht – und war gescheitert. Denn die Fronten haben sich verhärtet. Die Ukraine ist vom Minsker Abkommen abgerückt, das die Basis für Gespräche bildete. Selenskyj fordert die Wiedereingliederung der Krim und die Nato-Mitgliedschaft – und setzt dabei auf die USA.

Auch Russland hat sich verabschiedet. In Moskau heißt es, man habe sich um ein Treffen im Normandie-Format bemüht, sei jedoch in Berlin und Paris abgeblitzt. Seitdem setzt auch Russland auf die USA. Kremlchef Putin unterhält sich offenbar lieber mit US-Präsident Biden als mit den ohnmächtigen EUropäern.

So stellt es der Kreml dar

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Aber was will Putin erreichen? Moskau brauche rechtlich bindende Garantien, die ein weiteres Vorschreiten der Nato nach Osten und die Stationierung von bedrohlichen Waffensystemen in Nachbarstaaten ausschließen, hieß es am Dienstag nach einem Telefon-Gespräch zwischen Putin und Macron im Kreml.

“The sides gave fundamental assessments of the current situation around Ukraine. Vladimir Putin cited concrete examples testifying to Kiev’s violation of the Minsk agreements, to which there is no alternative and that form the basis for the settlement of the internal Ukrainian crisis,the press service (of the Kremlin) said.

Putin beschuldigt die Ukraine, die Lage an der “Kontaktlinie” im Osten des Landes zu eskalieren und “fortgeschrittene Waffen” zu stationieren, die eine “direkte Bedrohung” der russischen Sicherheit darstellten. Der Westen müsse zum Prinzip der gemeinsamen Sicherheit zurückkehren, heißt es in Moskau.

Gemeinsame Sicherheit adé?

Dieses Prinzip war in der Helsinki-Akte 1975 verankert und wurde später zur Grundlage vieler internationaler Abkommen. Russland beruft sich immer wieder darauf, wenn es um seine nationalen Interessen geht. Demgegenüber berufen sich die USA und die Ukraine auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Russland habe keinerlei Anspruch auf “Einflusszonen”, heißt es auch bei der Nato. Dabei weitet die Militärallianz ihren Einfluß selbst immer mehr aus – nicht nur in Osteuropa, sondern sogar in Asien. Vom Prinzip der gemeinsamen Sicherheit hat man sich verabschiedet. Dabei geht es um die europäische Sicherheit.

Und die wird sich auf Dauer nur mit, nicht gegen Russland herstellen lassen. Und auch nur mit, und nicht ohne die EUropäer. Scholz und Macron haben dies offenbar erkannt, sie wollen sich eng abstimmen. Doch ob sie sich bei ihrem ersten gemeinsamen EU-Gipfel durchsetzen können, ist mehr als ungewiß.

Merkel war bei ihrem letzten Vorstoß für eine europäische Sicherheitspolitik im Juni kläglich gescheitert…

Siehe auch Die Selbst-Verzwergung EUropas und Biden und Putin reden über Krieg in Europa – ohne die EU

Die Watchlist

Was ist vom Gipfel der “Östlichen Partnerschaft” am Mittwoch in Brüssel zu erwarten? Nicht viel. Nicht nur die Ukraine und Belarus bereiten der EU Kopfzerbrechen – auch die “Partner” Moldau, Armenien, Aserbaidschan und Georgien stecken knietief in der Krise. Aserbaidschan und Armenien bekriegen sich sogar immer wieder. Von dem eigentlich geplanten “Ring von Freunden” ist nichts übrig. Dennoch hält die EU an der dubiosen Partnerschaft fest. Darlehen in Höhe von insgesamt 2,3 Milliarden Euro wollen die EUropäer in Aussicht stellen. Im Gegenzug erhofft sich die EU mehr Einsatz gegen die Korruption und für Rechtsstaatlichkeit. Na dann…

Was fehlt

Die neue Blamage im Europaparlament. Die Abgeordneten schicken sich an, die konservative Malteserin Roberta Metsola zur neuen Parlamentspräsidentin zu wählen. Damit würden sie eine ausgewiesene Abtreibungs-Gegnerin in das höchste Parlamentsamt befördern – und das zu einer Zeit, da sich viele Abgeordnete über Anti-Abtreibungs-Gesetze in Polen empören! Möglich macht’s ein Deal zwischen Sozialisten und EVP, wonach der bisherige Amtsinhaber David Sassoli zur Halbzeit gehen soll. Sassoli hat nun erklärt, dass er nicht erneut kandidieren will, um die “europäische Front nicht zu zerstören”. Gemeint ist wohl die Kungelei der großen Fraktionen!?