Was hat von der Leyen in Kiew versprochen?

Die EU-Kommissionschefin ist bereits zum zweiten Mal nach Kiew gereist. Sie spricht von „historischen Entscheidungen“ – doch was genau hat sie vor?

Das ist unklar. Eine Presseerklärung, die von der Leyen verschicken ließ, ist zwar voll des Lobes für die Ukraine – doch sie sagt nicht, was bei dem Besuch in Kiew vereinbart wurde.

Konkret spricht sie nur von einer „Plattform zum Wiederaufbau“, die die EU-Kommission gemeinsam mit der Ukraine hochziehen will. Dabei geht es um Geld und Reformen – das Sagen soll jedoch Kiew haben.

Die Aussagen zum EU-Beitritt bleiben dagegen vage. Darüber will die EU-Kommission erst in den nächsten Tagen entscheiden. Als wahrscheinlich gilt, dass sie sich für einen uneingeschränkten Kandidatenstatus ausspricht.

Denkbar wäre aber auch der Status eines potenziellen Beitrittskandidaten. Auf jeden Fall dürfte die Empfehlung an Reformen geknüpft sein. Anschließend müssen die EU-Staaten einstimmig darüber entscheiden, wie es weitergeht.

Dies soll bei einem EU-Gipfel am 23. und 24. Juni geschehen. 

Die Herausforderung werde sein, ein Ergebnis zu erzielen, das „die Tragweite dieser historischen Entscheidungen widerspiegelt“, sagte von der Leyen auf der Rückreise nach Polen vor Journalisten.

Das klingt so, als sei die Grundsatz-Entscheidung schon gefallen, und die Staats- und Regierungschefs müssten sie nur noch nachvollziehen – also die Ukraine in die EU aufnehmen.

Allerdings war es bisher undenkbar, ein Land im Krieg zum Beitrittskandidaten zu machen. Es ist ja nicht einmal klar, wie der Krieg ausgeht – und ob die Ukraine geteilt wird.

Zudem ist Kiew völlig vom Westen abhängig. Die Waffen kommen aus den USA, das Geld aus der EU. Ein Beitrittskandidat muß aber auf eigenen Füssen stehen.

Von der Leyen ist über diese beiden Grundsätze hinweggegangen. Es würde mich daher nicht wundern, wenn sie Kiew bereits „historische“ Versprechen gemacht hätte.

Überprüfen lässt es sich nicht. Denn genau wie das bisherige Bewerbungsverfahren, war auch dieser Besuch intransparent, in Brüssel war niemand informiert…

Siehe auch meinen Kommentar für die „taz“: „Haben sie einen Plan?“. Mehr zur Ukraine hier

P.S. Von der Leyen sagte nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die Ukraine habe „viel für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit getan“. Was denn? Ist die Anklage gegen Selenskyjs Amtsvorgänger Poroschenko wegen „Hochverrat“ eines Rechtsstaats würdig?